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Ausgabe:

1963

Spalte:

895-897

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Bornkamm, Günther

Titel/Untertitel:

Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes 1963

Rezensent:

Goppelt, Leonhard

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 12

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gie) usw., nach (z.B. ist auf Pauly-Wissowa mehrfach neu verwiesen).
Des öfteren werden dabei die wichtigsten Ergebnisse der angeführten
Arbeiten zusammenfassend dargeboten (gelegentlich auch zu schon von
Debrunner vermerkten Titeln) oder auch — gegebenenfalls umfassende —
Kritik an ihnen geübt. Mitunter kann der Text Debrunners nicht unbedeutend
revidiert werden, etwa auf Grund neuerer Forschungen
oder auch Funde (60 z. B. zu dem Namen Maria § 53, 3, vgl. zu Eli-
sabet § 39,2). Mehrfach kann man begründet vermuten, daß die
Revision der Sache nach auf Debrunner selbst zurückgeht, wohl nicht
nur dann, wenn auf neuere Veröffentlichungen Debrunners verwiesen
wird (so etwa zu huovnwq § 123). Ergänzt wird das Material sowohl
aus dem Neuen Testament — hier auch aus neueren Handschriften
, z. B. tyM (Bodmer) — wie aus der altchristlichen Literatur (über
100 mal z.B. aus Clem. hom.), die ja ausdrücklich im Titel der engl.
Ausgabe erscheint, wie auch aus LXX (die Zahl der Hinweise auf LXX
ist versiebenfacht) und nichtchristlichen Texten sonst.

In der Gestaltung des Textes wird die mitunter allzu gedrängte
Ausdrucksweise Debrunners aufgelockert. Der Begriff Chiasmus etwa
wird erläutert (§ 477, 2). Die Übersetzung ist, soviel ich sehen kann,
recht glücklich, wo es notwendig ist, auch freier, gelegentlich — das
ist kaum vermeidbar — etwas vereinfachend (literary language bzw.
usage für ,Kultursprache' [p. 70] wie für ,Litspr.' [§102,2] wie für
.gebildetere Sprache' ]§ 294]). Das .damit' von § 186,2 dürfte allerdings
kaum therefore meinen, sondern ,mit diesem'. Literaturhinweise sind
nachgeprüft (in § 56,2 jetzt richtig: Schubart). In § 53.2 ist freilich
das Theol. Lit.-blatt (so deutsche Ausg. richtig) mit den Theol. Blättern
vertauscht.

Die Umschreibung hebräischer Wörter wurde — für eine Grammatik
ist gewiß zu sagen: erfreulicherweise — aufgegeben zugunsten de«
Satzes in hebräischen Buchstaben. — Die drei Register sind neu gearbeitet
; die Listen der Abkürzungen sind u. a. um eine solche der
neutestamentlichen Apokryphen und um eine der griechischen und
lateinischen Autoren vermehrt, zu beiden wird — das ist oft geradezu
notwendig für die Beurteilung eines Sprachgebrauchs — die Zeit
angegeben, der sie angehören.

Neben der eindrücklichen Leistung der Neubearbeitung durch
R. Funk und seine Helfer tritt dem, der die engl. Ausgabe mit der
deutsdien vergleicht, erneut die Bedeutung dessen vor Augen, was im
Blaß-Debrunner vor allem durch Debrunner in langen Jahrzehnten
geschaffen worden ist; manche Stücke der engl. Bearbeitung geben
nur die deutsche Fassung wieder. So behält diese einerseits ihren
Wert; andererseits ist das neue Material, das ja offenbar mehrfach auf
Debrunner selbst zurückgeht, und seine Bearbeitung in der engl. Fassung
unentbehrlich. In dieser ist über die formale Kombination hinaus
ein guter Anfang zur Verwirklichung eines wohl schwer gänzlich erfüllbaren
Wunsches gemacht: daß die gesamte Fülle des Materials und
der Gesichtspunkte seiner Beurteilung, die in Jahrzehnten vor allem
in die Anmerkungen des Blaß-Debrunner (-Funk) eingefügt worden
ist, in einer völlig geschlossenen Darstellung neu aufgearbeitet würde.

Halle/Saale Gerhard Delling

Bornkamm, Günther: Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten
Korinthcrbriefes. Heidelberg: Winter 1961. 36 S. gr. 8° = Sitzungsberichte
der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Phil.-hist.
Klasse 1961, 2. Abhdlg. DM 6.50.

Im 2. Korintherbrief bereiten Bruchstellen in der Gedankenführung
und inhaltliche Spannungen zwischen den Abschnitten
der Exegese Schwierigkeit. Seit Beginn der historischen Schriftforschung
versucht man diese Schwierigkeit durch literarkritische
Hypothesen zu lösen, nach denen der 2. Kor. eine Komposition
mehrerer paulinischer Briefe oder Brieffragmente ist. Diese
Lösung bietet sich um so mehr an, als unsere beiden Korinther-
briefe selbst aussagen, daß Paulus mehr als zwei Briefe nach
Korinth gerichtet hat. Dennoch konnte keine literarkritische
Lösung bisher in der Forschung breitere Anerkennung finden;
die durch die Hypothese entstehenden Ungereimtheiten überwogen
jeweils die durch sie gelösten, so daß man die Spannungen
innerhalb des Briefes bis heute weithin lieber in anderer
Weise erklärt. Nunmehr entwickelt Bornkamm, indem er dieses
Für und Wider nochmals eingehend abwägt, eine abgerundete
literarkritische Lösung. Die sich abzeichnenden Bestandteile des
Briefes sind nach seinem Vorschlag in folgender Abfolge entstanden
(S. 16—23): Die Auseinandersetzung, die der 1. Kor.
widerspiegelt, war ausgelaufen. Kunde von befremdlichen
„Aposteln" in Korinth veranlaßt Paulus zu der Apologie
2,14 — 7,4. Die sich verschärfende Agitation macht den
Zwischenbesuch und den „Tränenbrief" (Bornkamm nennt ihn

„Schmerzensbrief") nötig; dieser ist in dem „Vier-Kapitel-Bricf",
2. Kor. 10—13, fragmentarisch erhalten. Dieser Brief und die
Sendung des Titus bewirken ein Einlenken der Gemeinde, so
daß Paulus im „Versöhnungsbrief" 1,1—2,13; 7,5 — 16; 8;
13,11—13 den Schlußstrich ziehen kann. (2. Kor. 9 ist, wie anhangsweise
bemerkt wird, ein später folgender Kollektenbrief
an die übrigen Gemeinden Achajas; 6, 14 — 7, 1 ist das einzige
nichtpaulinische Stück.) Jeder dieser Briefe bzw. Briefteile setzt,
das ist das entscheidende Argument Bornkamms, je eine unterschiedliche
„äußere und innere Lage des Briefschreibers" (S. 18 f.)
voraus: in der Apologie muß Paulus zwar bereits Amt und
Evangelium gegen Pseudapostel verteidigen, aber „er redet als
ein Überlegener" und „glaubt seiner Gemeinde sicher zu sein"
(S. 22). In Kap. 10—13 dagegen kann er „nur noch in bittersten
Worten" über die „Willfährigkeit der Gemeinde" klagen
(S. 22). Im Versöhnungsbrief schließlich ist „der Streit beigelegt
und der Apostel kann in großer Freude von der Aussöhnung
sprechen" (S. 17). Durchschlagend wäre dieses Argument
der unterschiedlichen Lagen, wenn eindeutig fixierbare Begebenheiten
, z. B. Reisen des Titus, differieren würden, aber auch
Bornkamm kann nur auf unterschiedliche Einstellungen des
Apostels gegenüber der Gemeinde verweisen. Diese Unterschiede
sind, wie in der Diskussion immer wieder betont wurde, nicht
eindeutig. Ihre literarkritische Erklärung ist möglich, aber nicht
zwingend; auch die Gegenargumente sind nicht eindeutig.

Bornkamm versucht seine These weiter zu stärken, indem
er im Zuge der gegenwärtigen Bemühungen um die Redaktionsgeschichte
den bisher wenig untersuchten Ablauf der vermuteten
Zusammenstellung dieser Briefe bzw. Briefteile rekonstruiert
. Er fragt zunächst nach den Motiven, die den Redaktor zu
dieser spannungsreichen Zusammenordnung des Stoffes veran-
Iaßten. Den zeitlich vorhergehenden Tränenbrief am Ende einzuordnen
, bestimmte ihn wohl ein von den Paulusbriefen bis
zur Didache zu beobachtendes formgeschichtliches Gesetz: Man
brachte die Warnung vor der Pseudoprophetie, die als endzeitliche
Erscheinung galt, oft am Ende von Schriften und Schriftteilen
(S. 24—29). Nun wurde bisher mit der Beobachtung, daß
Paulus seine Briefe öfter mit scharfen Warnungen schließt
(Gal. 6, 11 ff.; 1. Kor. 16,22; Rom. 16, 17 ff.), verschiedentlich
erklärt, warum Paulus selber versöhnlichen Ausführungen die
heftige Polemik in Kap. 10-13 folgen läßt. Nach Bornkamm
haben die Kap. 10—13 jedoch nur für den zurückblickenden
Sammler den diesen Schlußabschnitten eigentümlichen Charakter
des geradezu exorzistischen Anathemas, während Paulus selbst
in diesen Kapiteln als der auftritt, „der für den Augenschein
ihnen unterlegen ist und nur noch in der verzweifelten Rolle
eines Narren streiten kann" (S. 27). Trifft diese Charakteristik
zu? Führt das ironische Reden in der Maske des Toren nicht
geradlinig zu der Strafankündigung 2. Kor. 13, 2 ff. ? Auf alle
Fälle ist hier ein bei Paulus oder bei dem Redaktor wirksames
Motiv erfaßt. Weniger einleuchtend wird die den Zusammenhang
sprengende Einfügung der Apologie hinter 2.13 motiviert
: Der Redaktor habe „auch jene Reise des Paulus von
Ephesus über Troas nach Macedonien (2.13) im Lichte des
Triumphzuges (2, 14) gesehen, den der Völkerapostel vollbracht
hat" (S. 30). Die Zeit dieser Redaktion läßt sich, wie ein
letztes Kapitel ausführt, ziemlich genau erschließen. Bornkamm
deutet 1. Clem. 47, 1 ff. und die Verwendung der paulinischen
Briefe bei Ignatius und Polykarp dahin, daß sie den 2. Kor. noch
nicht kannten. Der 2. Kor. dürfte demnach erst nach Verbreitung
des 1. Kor., etwa zur Abfassungsicit der Apg., natürlich
in Korinth, zusammengestellt worden sein.

Diese Durchführung der Hypothese bis zur Redaktionsgeschichte
ist besonders dankenswert. Wir wollen von dem
Redaktionsvorgang ausgehen, wenn wir zu der Hypothese im
ganzen dreierlei sagen. 1) Die Möglichkeit, daß im 2. Kor.
mehrere in Korinth vorliegende Paulusbricfe zusammengearbeitet
wurden, ist nicht von vornherein von der Hand zu weisen-
Diese Zusammenarbeitung müßte allerdings dicht nach der Abfassung
der Briefe erfolgt sein; denn die Briefe wurden ja nich1
als historische Dokumente oder als Reliquien in einem Archiv
aufbewahrt, sondern laufend gelesen. Auch das Fehlen jeder