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Ausgabe:

1963

Spalte:

842-844

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schlier, Heinrich

Titel/Untertitel:

Der Brief an die Galater 1963

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 11

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katholischen Tendenz beherrscht, durch ein Traditions- und angedeuteten her dies thetisch anmerken: Es ist möglich und

Legitimitätsprinzip die Autorität des institutionellen Amtes notwendig, Lukas und Johannes als Zeugen des einen Evange-

und der von ihm vertretenen apostolischen Tradition zu sichern liums in polarer Spannung miteinander gelten zu lassen; dies

(S. 127-134). In Wirklichkeit vertreten beide jedoch, wie gründ- ist nicht „frühkatholische", harmonisierende Addierung, sondern

liehe Untersuchungen inzwischen erneut ergaben, gerade kein das Festhalten des von Paulus gewiesenen Evangeliums in sach-

Sukzessionsprinzip und daher keine institutionelle Legitimierung gemäßer Ausprägung.

der Tradition durch Kontinuität. Auch die exegetische Durch- Wenn Käsemann in dieser Weise seine exegetischen Ergeb-
fuhrung der These über Lukas in dem Aufsatz über „Die nisse nicht einfach als historische Fakten stehenläßt, sondern
Johannesjünger in Ephesus" (S. 158-168) hat sie, das dürfte z.B. ihre Bedeutung für den kirchlichen Kanon erwägt wird
die Diskussion gezeigt haben, nicht bestätigt. Ebensowenig er- ein wichtiger Grundzug seiner neutestamentlichen Forscnungs-
wies sich die Anwendung dieser Vorstellung von Frühkatholi- arbeit sichtbar: Käsemann betreibt historisch-theologische For-
z.smus auf den Konflikt zwischen „dem Presbyter" und Diotre- schung am NT stets im Blick auf die eigene kirchliche Existenz
phes im 3. Joh. („Ketzer und Zeuge', S. 168-187) als überzeu- als kritische Funktion der Theologie an der Kirche, noch mehr,
gend Käsemann selbst liegt, wie er im Vorwort bemerkt, nicht wie die den Aufsätzen angefügten fünfzehn Predigtmeditationen
an diesen notwendig hypothetischen Einzelergebnissen, wohl unmittelbar bekunden, als Vorbereitung der Predigt. Man kann
aber an der Fragestellung. Daher muß die Problematik dieses Inter- nur wünschen, daß der neutestamentlichen Forschung dieser
pretierens mit Hilfe der Vorstellung „Frühkatholizismus ange- Tenor erhalten bleibt, den der Schlußsatz des Vorwortes ausstehen
werden. Käsemann unterläßt es, die neutestamentlichen spridu. .....daß idl. . . Anfang und Ziel a]ler theologischen

Aussagen, die er als „fruhkathohsch deutet mit entsprechenden Arbeit in der Predigt erblicke und deshalb mit meiner Kraft
Äußerungen der übrigen auf die Großkirche des ausgehenden und in mejnen Grenzen xm ^ ^ unserer ^
2. Jhdts. hinführenden Literatur zu vergleichen. Der Vergleich beizutragen gewünscht habe". Nur wenn historisch-theologische
wurde ergeben daß seine Exegese sich vielfach zu weit von den Forschungsarbeit am NT in dieser Ausrichtung getrieben wird,
historischen Zusammenhangen entfernt, und wurde Unter- bleibt sie der Intention ihres Gegenstandes konform und daher
sch.cde, z.B zwischen Lukas und dem 1. Clem., sichtbar wer- fäh;gi das m jm eigentlicnen Sinn des Wortes zu vergtehen
den lassen, die dieses Vorstcllungsschenia sprengen. Selbst im Hamburg Leonhard Go Ii
1. Clem., der zweifellos die frühkatholische Kirchlichkeit vorbereitet
, ist z.B. lediglich eine Sukzessionsvorstellung aber noch Rengstorf, Karl Heinrich: Das Evangelium nach Lukas übers, u.
kein Sukzessionsprinzip spürbar. Die Bezeichnung „fruhkatho- erklärt. 9., durchges. u. ergänzte Aufl. Göttingen: Vandcnhoeck &
lisch" ist nicht geeignet, die Eigenart des Lukas und ähnlcher Ruprecht 1962. IV, 294 S. gr. 8° = Das Neue Testament Deutsch.
Stimmen der zweiten Generation gegenüber Paulus zu kenn- !pJeues Göttinger Bibelwerk, hrsg. v. P. Althaus u. G. Friedrich,
zeichnen; denn sie verwischt den Unterschied nach der anderen Teilbd. 3. Geb. DM 11.10.

Seite. Die historische Arbeitshypothese „frühkatholisch" wird Die Auslegung des Lukasevangeliums im NTD durch K. H.
in der Gestalt, wie sie hier verwendet wird, im Grunde ein Rengstorf bedarf weder der Vorstellung noch der besonderen
abstrakter systematischer Begriff, der sich zu weit von den Empfehlung; sie hat sich in den Jahrzehnten seit ihrem ersten
historischen Erscheinungen entfernt. Eine ähnliche Tendenz wohnt "scneinen im Jahre 1933 ihren festen Platz in der neutesta-
anderwärts Bezeichnungen wie Gnosis, Apokalyptik, Enthusiasmus ^entliehen Kommentarliteratur erworben. (Verfasser und Re-
usw. inne. Wir dürfen solche Schemata nicht zu axiomatischen zensent sind übrigens neben P. Althaus, H. Strathmann und
Voraussetzungen der Exegese werden lassen! Mit ihrer Hilfe H.-D. Wendland die einzigen von den zwölf Mitarbeitern der
werden ja exegetische Ergebnisse nicht nur eingeordnet, sondern ersten Auflage des NTD, die heute noch am Leben sind.)
notwendig auch gestaltet. Der Aufsatz über den 2. Petr. (S. 135 Inhaltsreichtum, knappe Formulierung, ausgezeichnete Kennt-
—157) arbeitet z. B. sehr klar heraus, daß der Brief — eben weil nis des antiken Judentums, feinsinniges Hinhören auf den Gehalt
er die Gemeinde auf das Schriftprinzip stellt - auf das herme- des Textes, stetes Achten auf das Zentrale der Botschaft Jesu —
neutische Problem stößt (2. Petr. 1,20 f.). Aber wo steht, daß das sind einige der Vorzüge des Bandes, die jedem, der ihn be-
die Lösung dieses Problems für ihn eine kirchliche autoritäre nutzt hat, wohlbekannt sind. Seite für Seite erhält man beim
Schriftauslegung sei, für die der Geist an das Amt gebunden Durcharbeiten der Auslegung weiterführende Einsichten. Rengs-
ist (S. 153 f.)? Diese Auskunft scheint mir eine exegetische torf hat seinen Kommentar von Auflage zu Auflage überfrage
vom Schema Frühkatholizismus, statt vom Kontext her zu arbeitet und ergänzt. Wenn man dem Werk einen Wunsch für
beantworten, so daß geradezu eine petitio prineipii eintritt. die 10. Aufl. mit auf den Weg geben darf, so wäre es der.
Sobald wir in dieser Weise anfangen, am exegetischen Voll- daß stärker, als es geschieht, zwischen Tradition und Redak-
*»g. nicht nur in hermeneutischen Grundsatzdiskussionen, nach n°n geschieden werden möchte.

bewußten und unbewußten methodischen Grundsätzen zu fra- Cöttingen Joachim Jcremia«
Ken, und die Vorentscheidungen zu Gesicht bekommen, werden

*ir nicht mehr begeistert oder entsetzt auf „Ergebnisse" star- ^h'-er Heinrich: Der Brief an d.e Galater ubers. « erklärt,

'en, sondern Käsemanns Exegesen, die durch ihren Scharfsinn \; "eubearb. Aufl Göttmgen : Vandenhocck & Ruprecht 1962.

. »unaern rsjseiiidiiii» ■ ' . 287 S. gr. g° = Krit.-exeget. Kommentar ub. d. Neue Testament,

Und durch ihre Konsequenz bestechen, als das nehmen, was sie ^ v H A W Meyer 7 Abt Lw. DM 18.50.

"ach dem Titel dieses Bandes sein wollen, „exegetische Ver- Die fa ^ ^ v'orge)egte „ Aufl ersdlicn , Jahre naA

SUche", die weiteres exegetisches Bemuhen provozieren. Uann der in ThLZ 78 (1953) 154—1 561 besprochenen 10. Im Vorwort sagt

*tad man z. B. nicht lediglich ablehnend oder zustimmend die der Verf. von der 12., daß er a) „begründeter Kritik nicht ausge-

bereits oft zitierten Sätze rezitieren, die aus den eben analy- wichen" und dem, was inzwischen zur Auslegung des Gal. geschrieben

Herten Exegesen die Folgerung für den Kanonsbegriff ziehen: wurde, nach Möglichkeit nachgegangen ist, daß sich ihm b) „die histo-

"Was ist es um einen Kanon, in welchem der 2. Petr. als klas- "sehen Fragen jetzt etwas anders darstellen", und daß er c) sein

Wehstes Zeugnis des Frühkatholizismus Platz hat?" (S. 157) ZV't 'The0,,°gie /"efes zu verdeutlichen suchte,

iee Zeugnis ucs ■ , . ... , . , j. aber hier „nichts eigentlich zu andern brauchte (7).

"ucr neutestnment Hebe Kanon begründet als solcher nicht die _ 6 , . c..„

P; l a^**"9y~'a, 2r, .. , „ , ii ... ■„„,. J„m Zu a) ist anzumerken, daß eine Fülle von Literatur neu an-

l n e,t der Kirche Er begrün et als solcher, d. h. . . seiner dem J zustimme„d oder kritisch verarbeitet ist. Das wirkt

Hstonker zugänglichen Vorfindlichke.t dagegen die VW*" siA _ der BeurteiIu des Verhältnisses von

ll K0,"fcf0ne" L(S- ?l)'JZu U TuJr JC NT sind Gal- ' ^ «nd Apg. aus (112-116; vgl. Rez. 154). Daß der in

Unerschiede zwischen den Sdvr.ftcn bzw. Schichten des NT sind Apg y P*^ ^ ^ ^ ^ {q

Jen Differenzen zwischen den Konfessionen vergleichbar. Das gar ^ cfunden- hat. „scheint" Schlier nunmehr „noch

c'ne Evangelium ist „nicht objcktivierbar : es kann nur ,M am ^ n ^ (Hlnwei, auf Haenchen), 115 (in

Hören und Sich-Entscheiden für das Wort der Predigt gefun- der $ £ dementspredicnd zu Ga, ,( ,gff h

~Qn werden (S. 236). Wir können auf dieses weitschicntige---_

Problem hier nicht eingehen, sondern lediglich von dem oben ') Im folgenden angeführt als Rez.