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Ausgabe:

1963

Spalte:

828-831

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Rudolph, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Das Buch Ruth, das Hohe Lied, die Klagelieder 1963

Rezensent:

Gerleman, Gillis

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 11

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dieser — post Christum natum mit ihm in der gleichen Situation
! — noch immer Wege vom Menschen zu Gott, vom Geschöpf
zum Schöpfer zu suchen, zu finden und zu gehen . . .
scheint" (102). Eine mögliche Begegnung beider ist nur darin
zu erhoffen, daß der Theologe dem Philosophen zeigt, daß in
seiner Weise zu denken die volle Menschlichkeit ergriffen ist,
daß „Theologie" zur „Theanthropologie" wird (106). Die
Theologen an diese letzte Verpflichtung zu erinnern, das ist der
Dienst, den die Philosophie dem christlichen Glauben leisten
kann.

In unmittelbarer Nähe zu diesem Gedankengang befindet
sich Hermann Diems Beitrag „Dogma und Existenz im theologischen
Denken" (107—117). Diem zeigt, wie in der dogmatischen
Aussage des christlichen Glaubens die Existenz des Menschen
(und seiner Vernunft) mitbedacht ist. Dabei ist für Diem
der Weg einer „existentialen Interpretation", welche die dogmatische
Aussage durch Einordnung in ein philosophisches Existenzverständnis
verifiziere, ungangbar, weil das Dogma seinen
Gegenstand an einem Geschehen habe, „das nach der Aussage
der Zeugen gar nicht in Analogie und Korrelation zu allem
sonstigen Geschehen verstanden und verstehbar sein will" (109).
Daß das Heilsereignis die Existenz ergTeift, kann dann nur im
konkret vernünftigen Zeugnis erwiesen werden, und daß solches
Zeugnis möglich ist, ist nach Diem selbst ein Ausweis seiner
Heilsamkeit, wie er in einer fesselnden Interpretation der
Höllenfahrt Christi zeigt.

In anderer Wei6e sucht E. Brunners Beitrag die Beziehung
des Glaubens auf Philosophie darzutun, indem er den (gegenständlich
ausweisbaren) Mehrwert des christlichen Glaubensverständnisses
gegenüber dem exi6tenzphilo6ophischen erweist.
(Christlicher Glaube und Philosophie der Existenz, 119—130.)
Freiheit, Transzendenz, Gemeinschaft werden nach Brunner im
existenzphilosophischen Denken nicht konkret. Denn „Erkenntnis
des Menschen in seiner Ganzheit ist nur möglich, wenn der
Erkennende einen Standort außerhalb seiner selbst gewinnt"
(129), d.i. in der geschichtlichen Offenbarung, eine These, die
Brunner schon früher, vor allem in seiner Anthropologie verfolgt
hat.

In einem historischen Regreß auf die patristische und frühmittelalterliche
Philosophie sucht Fernand Brunner die Möglichkeit
zur Überwindung der Diastase, welche Glauben und Vernunft
gleichermaßen bedroht (165). Die geistige Entwicklung
seit dem 13. Jahrhundert stellt sich ihm dar als eine fortschreitende
Zerstörung dieser Einheit, in deren Folge die Vernunft
autonom und autark wurde und das Verlangen des Findens der
Wahrheit vertauschte mit dem unaufhörlichen Suchen bestimmter
Wahrheiten (131). Im Gegensatz zur idealistischen Interpretation
des Christentums, welches die Freigabe des menschlichen
Geistes vollendet habe, sieht B. es als Verdienst des
christlichen Existentialismus an, daß er in der Existenzanalyse
die anthropologische Relevanz des Glaubens freigelegt habe.
Von hier aus erhofft er die Neubegründung von Glaube und
Vernunft in der einen Wahrheit.

Einen konkreten Versuch zur Aneignung des philosophischen
Denkens von H. Barth für die theologische Ethik unternimmt
der Beitrag von A. de Quervain („Das Ethos in der
christlichen Existenz" 167—197). Die soziale Orientierung christlichen
Denkens wird zur entscheidenden Kategorie: „Die christliche
Existenz ist gebunden an die Verkündigung der Gemeinde,
an die Tröstung, Mahnung, Belehrung, die durch die Gemeinde
heute nicht nur an ihre Glieder, sondern an alle Menschen ergeht
" (182). Um des letzteren willen gehört philosophisches
Denken integrierend zur christlichen Existenz. Indem es die
Freiheit und Vernünftigkeit der christlichen Verkündigung
gegen Klerikalisierung und gesetzlichen Biblizismu6 bewahrt
(184), hilft es dem Glauben zu seiner eigentlichen Bestimmung,
zur Offenheit gegen die Welt, zur Solidarität gegen alle Menschen
(190 ff.).

Diese Sammlung von Studien zum gleichen Thema beeindruckt
durch die Übereinstimmung, die gerade in der Verschiedenheit
der Ausgangspunkte und Denkweisen spürbar
wird. Sie zeigt sich ebenso an der kontigent faktischen Priorität,

die dem Glauben zugestanden wird (auch bei Jaspers), wie in
der Überzeugung, daß dieser Glaube das philosophische Denken
in seiner Eigenart „wahrzunehmen" hat. Gerade deshalb drängt
sich eine Frage auf, die dabei merkwürdig unbeantwortet bleibt:
Wenn der Glaube sich die Philosophie wirklich zueigen macht,
muß 6ich das nicht auch darin erweisen, daß — unter Voraussetzung
jener Aneignung — auch von der Philosophie her die
Vernünftigkeit des Glaubens verstanden werden kann? Muß
die Priorität des Glaubens gleichsam positivistisch außerhalb
der Vernunft gesetzt bleiben, oder müßte eine wirkliche Überwindung
der Diastase nicht auch dazu führen, daß diese Priorität
doch auch (in ihrer kontigenten Faktizität) vernünftig
eingesehen würde? Hegel und Kierkegaard haben das, jeder auf
seine Weise, zu zeigen versucht. Freilich verharrten sie nicht in
der abstrakten Gegenüberstellung „Philosophie und christliche
Existenz" (einschließlich ihrer „Mitmenschlichkeit"), sondern
bezogen die Heilsgeschichte in die Fragestellung ein, damit auf
den weiteren Horizont hinweisend, innerhalb dessen die „Überwindung
der Diastase" als theologische und philosophische
Aufgabe gestellt beibt.

München Wenzel Loh Tf

[Ceyssens, L.:] Miscellanea Jansenistica. Offerts ä Lucien Ceys-
6ens, O.F.M. ä l'occasion de son 60e anniversaire. Heverlee-Louvain:
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Schneider, Adolf, D. (30.3.1883 — 2.9.1928): Gesammelte Aufsätze
. Neu hrsg. v. H. Kruska. Berlin 1963. 168 S., 1 Porträt. 8°.
Kart. DM 7.-.

ALTES TESTAMENT

Rudolph, Wilhelm: Das Buch Ruth, Das Hohe Lied, Die Klagelieder
. Gütersloh: Gerd Mohn 1962. 269 S. gr. 8° = Kommentar
zum Alten Testament, hrsg. v. W. Rudolph, K. Elliger u. F. Hesse,
Bd. XVII, 1-3. Lw. DM 51.-.

Der von Ernst Sellin 1913 begründete Gütersloher „Kommentar
zum Alten Testament" wurde leider nicht nach dem
ursprünglichen Plan zu Ende geführt. Als Sellin 1946 starb, lag
etwa die Hälfte der Bände der Kommentarsammlung vor, von
denen die Mehrzahl zwischen 1924 und 1932 erschienen war.
Erfreulicherweise ist jetzt eine Neukonzeption dieses bekannten
Kommentarwerks beschlossen worden, und zwar mit Wilhelm
Rudolph, Karl Eiliger und Franz Hesse als Herausgebern. Es
geht aus dem neuen Arbeitsplan hervor, daß eine Neubearbeitung
des ganzen Kommentarwerks beabsichtigt ist. Das Ziel
ist, die neuesten Erkenntnisse der philologisch-historischen und
theologischen Forschung am Alten Testament zu vermitteln
und Pfarrer, Religionslehrer und Studenten in die Lage zu versetzen
, in sachgemäßer Form die Aussagen des AT zu erfassen.

Der jetzt erschienene erste Band enthält „Ruth", „Klagelieder
" und „Hoheslied", die sämtlich von Rudolph ausgelegt
worden sind. Die beiden ersten bilden die bearbeitete Auflage
seiner 1939 erschienenen Kommentare im gleichen Kommentar-