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Ausgabe:

1963

Spalte:

788-790

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Althaus, Paul

Titel/Untertitel:

Um die Wahrheit des Evangeliums 1963

Rezensent:

Köberle, Adolf

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 10

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und Glaube Inbegriff des Werkes Jesu, hält der Aufsatz
„Jesus und Glaube" als christologisches Fundament fest.
Diese Dialektik im NT ist „Christologie in nuce"; das Wesen
des Glaubens wird in einer für den Prediger hilfreichen Weise
entfaltet. — Als Versuch eines „kleinen Grenzverkehrs" zwischen
den theologischen Disziplinen verstehen sich die „E r-
wägungen zur Lehre vom Gesetz". Die hoffnungslos
verknäulte Diskussion sollte durch das terminologische
Doppelprinzip „Hören auf die Sprachgeschichte und Offenheit
für die begegnende Wirklichkeit" aufgelockert werden. Aus der
Wende des Paulus zum Neuen Bund machte die Reformation
die Struktur der Existenz im Neuen Bund. Um des soteriologi-
schen Sinnes der Lehre vom Gesetz willen bedarf der paulini-
sche Begriff der existentialen Interpretation. Und um des Evangeliums
willen muß das Gesetz zur Sprache kommen, wenn das
Evangelium nicht als Gesetz mißverstanden werden soll. — Aus
„Kritik an der Kirche" (1958) ist der Aufsatz „Dietrich
Bonhoeffer" weitbekannt. — Die Abhandlung „D i e
Frage nach dem historischen Jesus und das
Problem der Christologie" will die Kontinuität
zwischen Jesus und dem Christusglauben erörtern und antwortet
im Sinne des Aufsatzes „Jesus und Glaube". — In „Wort
Gottes und Hermeneutik" wird die Hermeneutik
als Methodologie der gesamten Theologie herausgestellt; in
ihrer Entwicklung (Schleiermacher, Dilthey, Heidegger) wird sie
auch Inbegriff der Philosophie und tritt an die Stelle der Erkenntnistheorie
. Sie ist dem Wort und im Wort der Wirklichkeit
zugewandt, die durch das Wort zum Verstehen kommt.
Der Christliche Glaube bejahte Theologie, indem er sich auf
die Hermeneutik einließ, die den Mythos notwendig „entmythologisieren
" muß. Wort Gottes ist keine separate Wort-
schicht, kein Sonder-, sondern letztgültiges Wort; in ihm begegnet
in letzter Hinsicht Wort als Wort und Verstehen als
Verstehen. Der Predigttext wird zur hermeneutischen Hilfe im
Verstehen gegenwärtiger Erfahrung. Damit geschieht wahres
Wort, d. h. „Wort Gottes". — „Elementare Besinnung
auf verantwortliches Reden von Gott"
sollte ergeben, daß der Problemkontakt zwischen dem Gott der
Bibel und dem Gott der Metaphysik unausräumbar ist. Polytheismus
ist irreversibel erledigt; Atheismus (den das Christentum
miterzeugte) muß in jeder modernen Gotteslehre präsent
sein. Wirkliche Gotterkenntnis erkennt anerkennend und bejaht
im Engagement. Der „geworfene" Mensch gehört zum
Offenbarungsgeschehen, in dem Personsein Gottes und des
Menschen nur in Relation zu haben sind. — „W e 111 i c h e s
Reden von Gott" ist jedes Reden von Gott; echtes
„geistliches Reden" ist identisch mit wahrem weltlichen Reden.
Es ist konkretes, klares, wirkendes Reden. — „Die Welt
als Geschichte" besagt: Durch ein alles bestimmendes
Wissen um seine Geschichtlichkeit ist die Wirklichkeit des modernen
Menschen radikal geschichtlich geworden. Der Christ
muß (ohne Eilande und Schmollwinkel) mündig werden und
vom Glauben her dem neuzeitlichen Denken zur Wahrheit
seines Wirklichkeitsverständnisses verhelfen. — „Glaube
und Unglaube im Streit um die Wirklichkeit"
lassen es deutlich werden, daß nur der Glaube 6ich auf Wirklichkeit
berufen kann; er macht frei zur Erfassung des Wißbaren
, 6ein Ort ist das Gewissen — kein Ort im, sondern Ort
d e s Menschen. So macht Glaube frei zu Liebe und Leben. -
„Die Notwendigkeit der Lehre von den zwei
Reichen" erweist sich in der „Freigabe von Zukunft".
Beide Reiche stehen im Verhältnis des Widerspruchs und der
Entsprechung zugleich — die begriffliche Trennung „Zwei
Reiche" - „Zwei Regimente" wird für unnötig gehalten. Die
Darlegung der ethischen Konsequenzen (justitia fidei oder civilis
) gipfelt in der Feststellung: „Wo die justitia fidei Freiheit
zu wahrer justitia operum gibt, 60 daß in solchen opera des
Menschen das opus Dei geschieht, da kündigt sich der Friede
der Schöpfung an . . ." — Auch die „Theologischen
Erwägungen über das Gewissen" wollen die Einheit
von Theologie und Sprache erarbeiten. Reflexion des
Gewissensbegriffs läßt den Zusammenhang von Mensch - Welt -
Gott erkennen. Die drei Größen sind Gewissensphänomene,

begegnen im Wort, besitzen „Nichterfahrbarkeit im Sinne von
Zukünftigkeit". Glaube und Sittlichkeit sind einerseits identisch
, andererseits antithetisch. Gewissen ist das Zur-Sprache -
Kommen des Menschen selbst. Sich mit der eigenen Vergangenheit
, Zukunft und dem eigenen Selbst identifizieren, heißt das
alles verantworten — so ist Existenz Wortgeschehen. Gewissen
ist damit das Aufgerufensein des Menschen zum Menschsein
al6 Frage nach der Identität seiner selbst. Im Letzten kann nur
Gott dem zerspaltenen Menschen zur Selbstidentifikation verhelfen
. — Vierundsechzig „Diskussionsthesen für
eine Vorlesung zur Einführung in das Studium
der Theologie" umgrenzen in pointierten Formulierungen
, in denen sich die theologischen Prinzipien des
Verfs. ver-dichten, die Fragen der Notwendigkeit und Gliederung
der Theologie und die Problemkreise der Bibel, der Historischen
und Systematischen Theologie. Wer die Arbeitsweise
des Verfs. kennt, weiß, daß sich gerade die Besonderheiten
seiner Methode feinsinniger Begriffsanalyse und geistreicher
Gedankenmeditation der Abbreviatur einer Rezension entziehen
. Vor dem Hintergrund seiner bekannten theologisch-
religionsphilosophischen Voraussetzungen ist der Vorgang fesselnd
, in dem in immer neuen „Ortsanweisungen" und
„skizzenhaften" Ansätzen traditionelle systematisch-theologische
Gehalte auf dem Wege der im Hermeneutischen Zirkel
kreisenden Reflexion in gläubige Bewegung christlicher Existenz
überführt werden. Die Aufsatzsammlung will damit einer gegenwärtigen
Verantwortung des Prinzips reformatorischer Konzentration
auf Wort und Glaube dienen und zugleich den eigenen
Weg des Verfassers zu und in der Systematischen Theologie in
seinem Fortschreiten festhalten.

Marburg/Lahn Wolfgang P hi 1 i p p

A 11 h a u s, Paul: Um die Wahrheit des Evangeliums. Aufsätze und
Vorträge. Stuttgart: Calwer [1962]. 312 S. 8°.

Der vorliegende Band enthält Arbeiten des Verfassers vorwiegend
aus dem Zeitraum 1948 — 1960, vereinzelt auch aus
früherer Zeit. Es handelt sich teils um Aufsätze zu speziell
theologischen Problemen, teils um Vorträge, die Fragen des
christlichen Denkens und kirchlichen Lebens in allgemeinerer
Form- behandeln. Alle diese Arbeiten wurden in den verschiedensten
, z. T. entlegenen Organen schon einmal veröffentlicht.
Um so dankenswerter ist es, daß der Verf. sich entschlossen
hat, sie noch einmal zu dieser Sammlung zusammengefaßt darzubieten
. Sie gewährt dem Le6cr gewissermaßen einen synoptischen
Blick in die gereiften Früchte seines Denkens, gerade
auch in die Vielfalt der Themen, die dieses Denken umspannt.
So reiht sich der Band würdig und als willkommene Ergänzung
an die größeren Werke, in denen Althaus den Ertrag seiner
theologischen Arbeit bisher zusammenfaßte: sein dogmatisches
Lehrbuch und seine „Theologie Luthers".

Eine ausführliche inhaltliche Besprechung des Einzelnen
würde den Rahmen dieser Anzeige sprengen. Wir beschränken
uns auf einen kurzen Überblick. Die Aufsätze wurden je nach
ihrer näheren Zusammengehörigkeit zu drei Gruppen unter
Generalthemen zusammengefaßt. Die erste Gruppe, unter der
Überschrift „Das Evangelium", umfaßt Arbeiten, die das Verhältnis
der christlichen Heilsbotschaft zu anderen religiösen oder
ideologischen Bewegungen betreffen. Das große Thema Heils'
Offenbarung und außerchristliche Gotteserkenntnis, das A. von
jeher beschäftigte, kommt hier noch einmal in den beiden Aursätzen
„Das Evangelium und die Religionen" (S. 9; erste Veröffentlichung
1959) und „Natürliche Theologie und Christusglaube
" (S. 34, 1939) zur Sprache. Es wird m. E. überzeugend
geklärt, gleich weit entfernt von einem die „Absolutheit" des
Evangeliums aufhebenden Kompromiß wie von einem nvp5r'
theologischen Absolutismus, der das Phänomen außerchristlicn^
Gotteserkenntnis wegdekretiert, anstatt es von der Hcilsorren
barung her zu interpretieren. Dazu kommt je ein Aufsatz übe
„Religion und Christentum im Urteil des Marxismus" (S- * J
1956) und über „Evangelischen Glauben und Anthroposophie
(S. 42, 1948).