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Ausgabe:

1963

Spalte:

780-781

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Haendler, Klaus

Titel/Untertitel:

Viering, Fritz, Christus und die Kirche in römisch-katholischer Sicht 1963

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 10

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ziges Struktur- und Definitionselement ist. Von daher ist eine Brem, Kurt: Konvertit und Kirche. Bekenntnis als Heilsweg im
„Identifizierung der hierarchischen Kirche mit Christus" im An- Wandel von fünf Jahrhunderten. Zürich: Christiana-Verlag o. J.
satz unmöglich, sofern damit das Nicht-Hierarchische ausge- 375 S. 8°. Lw. sfr. 21.go.

schlössen ist. (An dieser Stelle wäre die Unterscheidung der Die römisch-katholische Konvertitenliteratur steht allge-
Kirche als „Heilsfrucht" und als „Heilsinstrument", die auch der mein auf niedrigem Niveau, — es ist gelegentlich hier davon
römischen Ekklesiologie geläufig ist [H. Volk!], nützlich gewe- gehandelt worden (Jg. 1959, Sp. 263 ff.; 1960, Sp. 61; 1961,
sen. Indem V. diese beiden Aspekte nicht unterscheidet, ver- Sp. 514). Um so kräftiger sei auf dies aus dem Rahmen fallende
wischt er wesentliche Nuancen.) Nicht zutreffend interpretiert Buch verwiesen. Es hat eine beachtliche geistige Höhenlage,
V. auch den modus extraordinarius der Leitung Christi gegen- gehört nicht zur Propaganda- und Traktatliteratur, sondern ist
über dem modus Ordinarius. Diese Unterscheidung hat nichts eine ernst zu nehmende psychologische und geistesgeschichtliche
mit „uneigentlich" und „eigentlich" zu tun, wie V. es dar- Untersuchung eines vielseitig gebildeten Autore. Aus der Mitstellt
(41). Sie bedeutet kein Werturteil. teilung des Verlages entnimmt man, daß er 1912 geboren ist.

Fraglich ist sodann die Beschreibung der Funktion der zunächst Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte studiert

Kirche als einer causa secunda, dieses nicht nur, weil dieser Be- hat, dann nach Krieg und Gefangenschaft Philosophie, Psycho-

griff in seiner Abgrenzung gegenüber der causa instrumentalis logie und Theologie; unter seinen geistigen Ahnen werden auch

unsauber gebraucht wird (im exakten theologischen Sprach- Kierkegaard und Dostojewski genannt. Ein Imprimatur fehlt,

gebrauch ist jede causa instrumentalis eine causa secunda — wenn was man schnell begreift, wenn man das Buch liest. Die gängige

auch nicht umgekehrt —; Thomas identifiziert sogar causa in- Konvertitenliteratur gefällt Brem nicht; es fällt dabei das Wort,

strumentalis und causa secunda [Schütz, Thomas-Lexikon, 21895, daß die Statistik kein Gottesbeweis sei. Die religionspsycholo-

S. 106; für Duns Scotus: Garcia, Lexikon Scholasticum, 1910, gische Grundhaltung ist die des frühen Scheler, d.h. des typi-

S. 789 f.] ), sondern vor allem darum, weil in MC von einer der sehen gescheiterten Konvertiten. Am problematischen Fall wurde

causa prima (Christus) gegenüber selbständigen und darum unter dem Bearbeiter die von ihm vertretene Sache am eindringlich-

Umständen konkurrierenden causa-secunda-Funktion der Kirche sten k'ar- »Es gibt keine Weltreligion, es gibt aber ... die

und einer nicht nur heilsvermittelnden, sondern heilskonstituti- Religion mit Weltaspekt" (l 3). Darum wird Toleranz gefordert,

ven und -bewirkenden „Partnerschaft" der Kirche nichts gesagt -Es berührt peinlich, das Konversionsschicksal zum propagan-

wird und dieses alles auch nicht als mögliche Gefahr oder Ent- distischen Effekt ausgenützt zu sehen" (15). Zustimmend wird

artung sichtbar wird. Ratzinger zitiert: „Dem Christen von heute ist es unausdenkbar

Der Darstellung des Begründungszusammenhanges von geworden, daß das Christentum, genauerhin die katholische
Identitäts-Denken und dem, was V. causa-secunda-Denken nennt, Kirche der einzige Heilsweg sein soll" (15). Man sieht, daß
ist zuzustimmen. (Man sollte allerdings aus Gründen der Fairness d,es katholische Buch seinen eigenen Weg geht. Man liest
nicht von einem „Versuch, diese Macht [derKirche] auf Gutes uber den Begriff d" Konversion und das Wesen der BeChristus
zurückzuführen", sprechen [54].) kehrung. Immer ist der psychologische Scharfblick des Verfs. zu

Im übrigen sind eine Reihe von Ungenauigkeiten oder sogar Irr- ™hmen; zur Psychologie der Konversion dürfte nirgendwo

tümern bei der Darstellung der römischen Lehre zu konstatieren. Besseres gesagt sein. Am meisten hat Brem von den Problema-

(S. 15.29 u. ö.:) Der Begriff der „societas perfecta" wird, wie von tikern gelernt, neben Scheler von Simone Weil, Franz Werfel

vielen evangelischen Theologen, so auch von V. nicht richtig verstan- und Reinhold Schneider, mit dessen letzten kritischen Auf-

den. (Vgl. die Begriffsbestimmung Leos XIII. in „Immortale Dei" von Zeichnungen, die aus „anscheinend nur unserer Epoche zugehö-

1 885.) (S. 57:) Die gratia praeveniens (actualis) bereitet und befähigt rigeri Versuchungen" (68) kamen, die katholische Christenheit

den Menschen nicht zu seine,• Rechtfert.gung und bedeutet kerne Wer- dcr Gegenwart kaum fertig geworden sein dürfte. Das weithin

tung des -enschhehen^Handelns als ™ unbewußte Suchen der Christenheit heute zielt nach Brem auf

sondern bezieht sich „nur aur den rrozen der Heus a n e l g n u n g. , , . , , ,

(S. 58, Anm. 7 unter 2:) Das dem Tridentinum-Satz unterstellte Ver- das christliche Abendland, in dem man Bergung sucht und dem

ständnis dürfte römischerseits als häretisch verurteilt werden. (S. 65 wohl letztlich die Konvertierenden zugeführt werden sollen,
mit Anm. 9:) Das Zitat beweist nicht, was es beweisen soll. (S. 66f.:) Brem hält auch weite geschichtliche Umschau, die mit dem

„Regula fidei proxima" im Unterschied zur „regula fidei remota" meint zur katholischen Kirche zurückkehrenden Pirkheimer einsetzt,

das phänomenologisch (und nicht sachlich und wertmäßig) Erste des Aber auch der geschichtliche Teil ist weithin psychologisch

Glaubens, nämlich die konkrete Verkündigung der Kirche als Anlaß orientiert, indem zuvor die jeweilige typische epochale Prägung

Ar* Cil-iubens (ist also g eicnsam die ckklesiologisch tormuherte rö- _i__• i j. j- t n i «

mische Fasunde. „evangelischen" „fides ex" auditu"). (S. 76 :) "arbeitet £,rd: ,n . dle 'mme'L** erfaßte personale Aus-

K Rahner behauptet gerade n i c h t, das ungetaufte Kind gehe der [°™ung ."'"eingestellt ist. Die Erkenntnis der GeschichtS'

ewigen Seligkeit verlustig. (S. 77 mit Anm. 51:) Nicht erst die Ent- bedingtheit hier und der Aufweis ihrer jeweiligen Struktur sind

Scheidung des Hl. Offiziums von 1949, sondern bereits MC selbst sehr nützlich. Der größere Teil des Buches ist mit Auszügen

kennt eine Zugehörigkeit zum Leib Christi auch der nicht reapse zur aus Bekenntnissen, Rechtfertigungsschriften und Autobiographien

römischen Kirche Gehörigen (AAS 35, 1943, 243: „inscio quodam der Konvertiten seit der Reformationszeit angefüllt. Wie zu er-

desiderio ac voto ad mysticum Redemptoris Corpus ordinentur"). Warten, stützt sich Brem für die ältere Zeit auf das von Räß

(S. 110:) Auch die Behauptung: Bejaht man ein Sem der Kirche, das (,|6| ff.) und RosenthaI (lg7l) bereitgestellte QucllcnmateriaL
un.ihhänoic vom G auben hei swirksam ist, benndet man sich in der j. j. . , . r „ _

ÄhtllÄ«'', muß römischeres als häretisch zurück- "J" £*E ^T^

w(.r(i,n gegenwartsbezogenen Buch aber muß vor allem modernes

Mit dieser Kritik an V.s Untersuchung in methodischer wie Quellenmatenal heran, und Brem bietet es in reicher Fülle dar.

in sachlicher Hinsicht soll nicht gesagt werden, daß die Diffe- Die Auswahl war gewiß schwer, dürfte aber repräsentativ ge-

renzen zwischen reformatorischem und römischem Kirchen- worde" sejn- D'eT *eihe von J. H. Newman über Chester-

Verständnis auf ein Minimum zusammenschrumpften. Sie sind t0"' Haedcer Undset, Raissa Maritain, Pcterson, Schlier zu

vielmehr viel „radikaler", als es V.s Untersuchung erkennen Schaper und Nerton. Unglücklich dürfte der Schlußpunkt gesetzt

läßt, bewegt sich seine Kritik doch weithin in sehr pauschalen sein' ~ er ist ein umfänglicher Auszug aus W. Solowjew, D»e

Urteilen, die nicht näher bewiesen werden bzw. in dieser Form geistlichen Grundlagen des Lebens. Der Leser könnte schon

nicht existierende Gegensätze angreifen. V.s Kritik am römischen durdl die Fußnote verwirrt werden, in der da« Buch mit de

Kirchenverständnis ist darum nicht wirklich „radikal", weil es Jahreszahl 1922 versehen ist; es entstand aber schon 18?2.~T

ihr nicht gelingt, die vielen Einzeldifferenzen auf jenen Punkt 1«84: Solowjew starb schon 1900, wie auf S. 8 richtig vermcrK

zurückzuführen, an dem sich die beiden ekklesiologischen Linien ist- Solowjew war Gnostiker, dessen Anschauungen über di^

bereits im Ansatz trennen und an dem die eigentliche Grund- Versöhnung von Ost und West heute in der Entfaltung eine

differenz deutlich zu machen allein konfiroverstheologisch weiter- ökumenischen Theologie keineswegs mehr als repräsentati

führt. gelten können. Zudem war Solowjew kein Konvertit, wenn

Munster/w. Klaus Haen dI e r auch in der mittleren Periode seines Schaffens von seinen ka^

tholischen Freunden als solcher angesehen wurde. Wenn h'e