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Ausgabe:

1963

Spalte:

768-770

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Knox, Samuel James

Titel/Untertitel:

Walter Travers 1963

Rezensent:

Delius, Walter

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 10

768

Schichtsphilosophie, die nicht in das helle Licht der christlichen
Offenbarung tritt". Es handelt 6ich dann überhaupt nicht um
einen echten Gegensatz, sondern es wird von inkommensurablen
Dingen und in inkommensurablen Ebenen gesprochen. Beiderseits
sollte man darauf verzichten, einander Lebensrecht und
eigene Würde streitig zu machen.

Nach K. sind spekulativ-theologischen Überlegungen wie
denen des hl. Maximus (in v. Balthasars Darstellung) die ge-
schichts-theologischen Überlegungen R.s gegenüberzustellen. Ist
aber eine Geschichtstheorie, die wie R.s auf der erstmaligen
Behauptung aufbaut, die Menschwerdung des Sohnes Gottes
wäre auch ohne die Sünde der Stammeltern geschehen, nicht
von Grund auf spekulativ? Auch hier wieder verführt die objektive
Urbedeutung des Wortes „Geschichte". Der Satz: „Die
nicht von der Offenbarung erhellte Geschichtsphilosophie weiß
den Sinn der Geschichte immer nur in recht bescheidenem Ausmaß
zu deuten" (11) stößt nicht wegen des darin ausgesprochenen
Verhältnisses von Theologie zu Philosophie auf Widerstand,
sondern wegen der darin (wie auch in vielen Geschichtsphilosophien
) vollzogenen Reduktion der Geschichte zum Zeugen für
Deutung; das Deuten erscheint hier als das eigentlich Lohnende
am Umgang mit der Geschichte. Die subjektiv-objektive
Doppelbedeutung des Begriffs h i s t o r i a / Geschichte, der
großartigen gesamteuropäischen Gemeinschaftsleistung, auf der
sich die Geschichtswissenschaft seit dem 17. Jahrhundert aufbaut
, wird hier in ihrem tiefen Sinn verfehlt. Gerade aber die
Liturgiegeschichte ist diesem Begriff verpflichtet.

Ebenso vieldeutig wie der Begriff „Geschichte" ist der
Begriff „Liturgie". Wurde denn nach tektonischer Relevanz, geschweige
denn nach Inhalt, immer, z. B. bei R. und K. (oder
„heute"), das Gleiche darunter verstanden? Was K. als R.s Geschichtstheologie
darbietet, wird nicht nur präsentiert, sondern
äternisiert. So wird etwa das Verhältnis von zyklischem und
linearem Zeitbewußtsein (198) behandelt, als wäre es eine
statische Größe; in Wirklichkeit (ich beziehe mich auf meine
aus dem Studium der altirischen Liturgie erwachsenen Arbeiten)
ist es eins der Grundthemen, an dem sich das geschichtliche
Leben der Liturgie strahlend zeigt. Oder, um ein materielles
Beispiel zu nehmen, während in K.s Darstellung die anagogische
Auffassung der Heiligen des Alten Bundes allein maßgeblich
ist, steht dieser gerade auch in der Liturgie und schon zu R.s
Zeit, z.B. in Martyrologium und Pontificale, eine unmittelbare
Auffassung zur Seite. Das spekulative Element geschlossener,
Vergangenheit und Zukunft gleich umfassender Geschichtssysteme
zeigt sich meist daran, daß weniger davon gesprochen
wird, was ist (oder vielmehr war), als was sein sollte. So gibt
K. aus seiner anagogischen Sicht von dem christlichen Verständnis
der Juden ein Bild (224), von dem man allenfalls sagen
kann, man wünschte, es träfe für die Zeit R.s und die unsrige
zu. K. geht kaum auf die praktische Stellungnahme R.s gegen
die Judenhetze zu seiner Zeit ein.

Die Interpretation der Geschichte als Liturgie wird von K.
mit Absolutheitsanspruch vorgetragen: „Echtes geschichtsfähiges
und geschichtsverantwortungsbewußtes Handeln ist einzig dem
Menschen möglich, der als kultfähiger Mensch sich wieder
seiner erhabensten Würde bewußt ist" (schon das „wieder" —
gemeint ist doch wohl die liturgische Erneuerung — sollte „einzig
" ausschließen). „Nur der liturgische Mensch bleibt vor dem
Schicksal bewahrt, daß er am Sinn der Geschichte verzweifelt."
Nach Weglassung der — dem Historiker fremden - Wörter
„einzig" und „nur" kann der Wahrheitsgehalt dieser Sätze
erahnt werden.

Diese Besprechung gibt kein Bild von der Fülle tiefer
theologischer und religiöser Gedanken, die K. ausbreitet. Angesichts
des Anspruchs ihrer Darbietung 6chien es jedoch vordringlich
, einmal grundsätzlich zu einer — keineswegs auf den
katholischen Raum beschränkten — Literaturgattung Stellung
zu nehmen, die dieses Buch repräsentiert. Damit wird 6cine Bedeutung
, gerade auch für „einen weiteren Leserkreis" eher betont
als geleugnet.

Basel JohnHcnoig

Schmale, Franz-Josef: Studien zum Schisma des Jahres 1130.

Köln-Graz: Böhlau 1961. VIII, 312 S. gr. 8° = Forschungen zur
kirchl. Rechtsgeschichte u. zum Kirchenrecht, hrsg. v. H. E. Feine,
J. Heckel, H. Nottarp, Bd. 3. Kart. DM 28.-.

Diese Würzburger Habilitationsschrift voni 1958, zu
welcher Vorstudien in der Zeitsdir. f. Kirchengesch. 65 (1954)
und im Histor. Jahrb. 78 (1959) erschienen sind, ist bedeutsam
durch ihr Bemühen, den weithin geklärten faktischen Verlauf
des Schismas von 1130 neu zu deuten — als die erste allein von
Gegensätzen innerhalb der Reformkurie getragene Doppelwahl
— und damit noch besser verständlich zu machen. Sie geht
ihren Gegenstand gleichzeitig von verschiedenen Seiten her an:
von den stadtrömischen und kurialen Voraussetzungen, wozu
die Herausarbeitung — Person um Person — einer älteren, mit
den Kämpfen zwischen Kaisertum und Papsttum noch aus persönlichem
Miterleben vertrauten, normannenfreundlichen und
einer jüngeren, kirchenpolitisch anders denkenden, zu einer
mehr spiritualistischen Religiosität neigenden Kardinalsgruppc
gehört; ferner von der erstmals schärfer profilierten Gestalt des
Kanzlers Haimerich, von der bezeichnenden Ausformung der
Obödienz Innocenz II. (der Rückhalt an der Gesamtkirche war
entscheidender als der Besitz Roms) und seinem Verhältnis zu
den führenden Orden her, bei denen der Gegensatz von alten
und neuen dem Generationsgegensatz im Kardinalskolleg entsprach
. Dabei ergeben sich zahlreiche Korrekturen zu der oft
vordergründigen Betrachtungsweise der einschlägigen Literatur,
nicht zuletzt der bisher allgemein günstigen Beurteilung Ana-
klets II. Das Schisma von 1130, dessen Ursache und Grundlage
der Zusammenhang der Haimerichpartei mit den jüngeren,
stark spiritualistischen Reformbestrebungen in der abendländischen
Christenheit war, erweist sich als eine entscheidende
Stufe in der Entwicklung des Papsttums und der Kirche zwischen
Gregor VII. und Innocenz III., der nicht zufällig in seiner
Namenswahl an den Kardinal von S. Angclo anknüpfte.

Der nur scheinbar punkthafte Ansatz bei einem einzelnen
Schicksalsjahr der Papstgeschichte gibt dem Verf. immer wieder
die — bewußt und geschickt wahrgenommene — Gelegenheit,
nach rückwärts und vorwärts einen größeren Ausschnitt der
Kirchengeschichtc sowie ausgesprochen grundsätzliche Fragen
ins Visier zu nehmen. Nach den bisher von ihm vorliegenden
Proben, wozu auch ein vor Jahresfrist in der Hist. Zeitschr.
(Bd. 193, 1961, S. 265-285) veröffentlichter Vortrag über
Papsttum und Kurie zwischen Gregor VII. und Innocenz II. gehört
, darf man den angekündigten weiteren Studien S.s zur Geschichte
des 12. Jhdts. mit einigen Erwartungen entgegensehen.

Mainz Ludwig l'r t r v

Hödl, Ludwig: Sacramentum et res — Zeichen und Bezcidinctes.
Eine bcgriffsgeschichtliche Arbeit zum frühscholastischen Eucharistietraktat
.

Scholastik XXXVIII. 1963 S. 161-182.
Rondet, Henri: Saint Thomas a-t-il une Philosophie de I'Histoire?

Rccherches de science religieuse LI, 1963 S. 177—195.
Vereecke, Louis: Medicine et Morale chez saint Antonin d«

Florence (f 1459).

Sciences Ecclcsiastiques XV, 1963 S. 1 53—172.

KlRCHENGESCHlCHTE-.REFORMATlONSZEli

Knox, S. ]., M. A., B. D., B. Litt., Ph. D., F. R. Hi«t. Soc.: Waltet
Travcrs: Paragon of Elizabcthan Puritanism. London: Mcthucn * Co-
]l 962]. 172 S., 4Taf. 8°. Lw. 30«.

Das Buch ist die erste Biographie von Walter Travers. SM
ist auf ungedruckten und gedruckten Quellen, der Literatur de«
Elisabethanischen Zeitalters und der neueren und neusten eng'
lischen Literatur aufgebaut. Es ist dem Verfasser z. B. gelungen-
das Geburtsjahr Travers aus der Matrikel des Christ's College
in Cambridge ziemlich sicher auf das Jahr 1 548 zu datieren. M'4
dieser Matrikel ist das Leben Travers geschichtlich greifbar ge'
worden. Ein Licht auf das Elternhaus in Nottingham wirft der
vom Verfasser wiedergegebene Auszug des väterlichen Tests'
ments. Das Buch macht dann deutlich, daß Travers sein Stu^
dium beginnt in einer wichtigen Periode englischer Kirch«"'