Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1963

Spalte:

766-767

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Kahles, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Geschichte als Liturgie 1963

Rezensent:

Hennig, John

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

765

Theologische Literarurzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 10

766

dieses Problem angeschnitten, worauf der Verfasser vielleicht Materials. Wir hatten schon große Schwierigkeiten, für die
hätte hinweisen können2. früheren Zeiten zu einer systematischen Neuordnung zu gelan-
In der Einleitung des ersten Bandes sind dreiviertel des gen, und deren Verwirklichung ist auch im neuen Wattenbach
Textes (90 Seiten) allgemeinen Fragen gewidmet, und zwar Be- noch nicht überall gelungen. Möglich ist sie aber nur durch
griff und Aufgabe der Quellenkunde, Charakter des Quellen- eine große Gemeinschaftsarbeit vieler Spezialisten unter sach-
materials, Sprache der Quellen, Überlieferung der Quellen sowie kundiger Führung. Unter diesem Gesichtspunkt ist der in diesem
eine allgemeine Übersicht über die wichtigsten Quellensammlun- Werk gegebene Abriß zu begrüßen, da auch hier wieder die
gen. Das ist besonders zu begrüßen, weil die6e Fragen nur in Heranziehung neuester Literatur festzustellen ist.
beschränktem Umfang in dem neuen Wattenbach behandelt Für die Religionsgeschichte wird eine mittelalterliche
worden sind. Man kann freilich über die vorgetragenen Aus- Quellenkunde stets von Belang sein, weil die Kirche und auch
führungen, so über den Begriff und die Einteilung der Quellen- die von der herrschenden Kirche abweichenden Ansichten eine
künde, verschiedener Ansicht sein, doch würde das hier zu weit so außerordentliche Rolle im Mittelalter gespielt haben. Man
führen. Die vielen neuen Arten der Quellen sind sehr einge- kann daher diese beiden Bände nur empfehlen,
hend besprochen worden, wobei eine straffere Systematisierung Berlin Heinrich Sproemberg
vielleicht empfehlenswert wäre. Die Fülle der Quellen aus anderen
Disziplinen könnte verwirrend wirken, besonders da sich , .

die Bände auch an NichtSpezialisten richten. Es müßte auch eine V,'r'' Wilhelm: Geidiidite a,s Lit"rs!e- Die Geschichtstheologie

U„ - j n j .____j_ ___l jl u»„ Kupertus von Deutz. Munster: Aschendorff 1960. 234 S. =

klarere Abwägung der Bedeutung der Quellenarten geschehen, Aevnm Chric^™,,™ ci u„. n •.. - d i- ■ i n V

j i. „1. • ii .i iii.. vi ti. .i . nevum <-nnstianum. balzburger Beitrage zur Religions- und Geistes-

denn schheßlich ble.ben doch die eigentlichen Historiker immer geschiente des Abendlandes, Bd. 3 Kart. DM 16.-; Pp. DM 17 50

die Hauptsache. Bei ihnen aber müßte mehr Wert darauf gelegt ■.,

, r . , . .„ , , __, , . . ,. „„„„ , -eine zusammenfassende Darste ung der Geschichtswerden
, wie das im Wattenbach geschehen ist, die Zusammen- thenW;» a„„ d ^ l. j..« /„„„n r n i
l» c . a c j. iir i ' meoiogie des Rupertus gibt es nicht (228). Es sollte aber verhänge
aufzuzeigen. Auf diesem Wege gelangt man zu einer merkt w»rJ.„„ a~a j. d d j. n j- i_ i T
w ^ j -u v V 6m , .,. „ ,,„j '"«Kt werden, daß schon R. Rocholl (1886) die „heilsgeschicht-

besseren Wertung der von ihnen gebrachten Nachrichten und » f( __„ , , v „' " s.

,j,u , . 6 . ij c. , ,.j . j. r . . .,it, ltne Auttassung als den angemessenen Gesichtspunkt für eine

erhalt auch einen wichtigen Einblick in die Geistesgeschicnte 6ystennHerr.,. a„„rj„„„„ a„ r a i d- u fj. „ v t »

A^ki-^ n. t i i . j. npi i r v~m™t '»lematiscne Anordnung der Gedanken Rs. bezeichnete. K. hat

des Mitte a ters. Zu kurz gekommen ist die Theologie, ts kommt sou Ci*A,nVa„ j!L w i d l i i

j„i , . , „ , c ,. ... . it. , j. ,1. aui"ie bedanken aus den Werken R.s ausgehoben; nur selten

dabei nicht so sehr auf die Liturgien und Formeln an d a v ^ *

Quellen zu betrachten sind, sondern au die angemessene 69 ff > merkwflrdi kaum bd De Trinjta dgm ^ fc

Heranziehung der Werke der ireligiosen Philosophen und Dog- wo n j „u„» c i j. j... .l i • j. n

... n i .11/ -i,- r. ii j„ ,^ii»n , , nom am ehesten eine Folge geschichtstheologischer Ge-
mat.kcr die e.ne außerordentlich wichtige Quelle d».stellen danken vorliegt). Es wird nicht genügend klar, ob es sich bei
Ganz ubersehen sind die Dokumente zur Sektengesch.chte de diesen Gedankcn jmmer um R s * £ oder jn ^ Gesdlidlts.
M.ttela ters, denen man nn» Recht heute große Aufmerksamkeit theo,ogie ^ Mittela,ters gemeine *handeit.
schenkt-1. Nützlich ist die Übersicht über die H.Jgbl.k«tion« A,f entsdleidenden £ R.s betrachtet K. den Bezug
der Monumenta Germaniae sowie der ^.toril*« Komm s onen f ^ K Kronzeuge für die Lehre, daß
und landesgeschicht ichen Vereine, wobei eimges Ve^te ge^ ^ ^ *
strichen werden konnte und die sys emat.sAe Ordnung * wjrd ^ £ * entscheidende Anverbessern
ließe. Aber auch hier ist die Heranziehung neuester sät2e ^ punkt (6off *7gf ) feh,en „el aus R

Literatur eine wertvolle Bereicherung^ ,,,«^1,t -Die Form dieser Darlegungen ist bewußt so gehalten, daß

Für den ganzen Zeitraum von der Vorzeit bis 1125 steht sie ^ ^ wejteren Les«rkrsds verstän<mdl sei » Zitatnach.

dieser Abriß natürlich auf der Grundlage des neuen Wattenbadi. jse wurden .n cingn Anha vewiesen ^ Lcser,

Jer er bringt noch manche neue Literatur Dagegen mochte man ^ ^ ^ Nachschauen im Anhang feststellen, ob es

Punschen, daß die grundlegenden Gedanken der Neuaufgl ede- ^ bej einem ^ um eins ^ R oder um dn ^ R lffl

tung die besonders im Wattenbach - Holtzmann durchgefuh Zusammenhang mit seinem eigenen Gedankenzusammenhang

wurden, auch hier Berücksichtigung finden. In dem.ersten Ted a der ^ ausgewäh]tes handek K wgr darüber hinaus

s>nd manche Formulierungen zu positiv, so z.B. über Marcult offensichtlich der Meinung, daß eine reine Darstellung der Ge-

"enedictus Levita und über Gregor von Tours, bei dem die sdiichtstheologie eines (zu Unrecht) nicht sonderlich bekannten

Bedeutung der Gewinnung der Romanen für das fränkische Denkers des 12. Jahrhunderts weitere Leserkreise nicht an-

*eicn starker betont werden müßte. sprechen würde. Was er bietet, ist eine Geschichtstheologie,

Ferner kann man heute nicht mehr ohne weiteres „Deutsche die an eine einflußreiche, viel diskutierte und auch in weitere

^eschichtc" von dem Vertrag von Verdun (843) ab datieren. Kreise wirkende Liturgieauffassung unserer Tage anschließt

ln diesem Abriß ist noch zu unbefangen die alte, aus der Ro- und die K. weitgehend in R. vorgezeichnet findet. Es kommt

mantik stammende Auffassung des „Deutschen Reiches" ver- nicht genügend zum Ausdruck, daß es sich um eine Projektion

reten*- bandelt und wo der Stein aufhört und der Mörtel anfängt.

Sehr nützlich ist die Übersicht über die Quellen der Der Rahm^ den der Untertitel bezeichnet, wird vor allem

^tauferzeit, für die es eine entsprechende Grundlage nicht gibt, gesprengt durch längere, fast durchweg ablehnende Stellung-

da dieser Teil des Wattenbach noch nicht neu bearbeitet ist. nahmen zu modernen Geschichtsphilosophien (Litt, Jaspers,

^ber gerade diese Zeit stellt der Quellenkunde besonders Cullmann, Baden, Schütz). S. 14 heißt es: „Alles Geschehen,

schwierige Aufgaben durch die Fülle und Vielseitigkeit des d.h. das, was wir Geschichte nennen..". Soll das bedeuten:

---— - Alles Geschehen ist Geschichte" oder „All das (spezifische)

, ') Zuemt erschienen 1938, Heft 1 des 1. Bandes der Neuauseabe Geschehen, das wir Geschichte nennen"? Bei K. weithin in der

Wattenbach-Holtzmann, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittel- ^eschichtstheologie und auch in manchen Geschichtsphilo-

kll Deutsdle Kaiserzeit, dessen Vorwort unsere grundlegenden Er- Sophien liegt die erstere Bedeutung vor, in der Geschichts-

s "unRcn brachten: bis 1943 erschienen insgesamt 4 Hefte, die die Wissenschaft seit Herodot die letztere. Die klassische Geschichts-

j. 'ls*e und salischc Kaiserzeit bis 1125 behandelten. Ferner erschien theologie vernachlässigt grundsätzlich den Unterschied zwischen

inV u f Zcit als Wattenbach-Levison bis zum Vertrag von Verdun Wissen von der Vergangenheit und (Nicht-)Wissen von der

R R,!j? Weimar 1952-57, und ein Beiheft: Die Rechtsquellen von Zukunft; sie spricht auf einer Ebene von Ursprung und Voll-

nielncnTf ^ 'T' Über Plan und Entstehungsgeschichte vgl. endung ^ Geschlossene Systeme, wie das von K. vorge-

•dtt.nl Ä "ZLl" frühmittelalterlichen Quellenkunde m: ror- ^ zudem ^ Geschehen einzuordnen. Kon-

') Fi, dieL°Fr l ixü!'li 1 !Ä R,7,nsionder kontiert sich ein solches System mit Geschichtsauffassungen,

i rur diese fragen mochte ch nur kurz auf meine Rezension aer j, ... i,.,,.,. . ,

hinw V°" A' Bo«t. Die Katharer, in: DLZ 78. Heft ,2, Sp. 1095 ff. ^ von der Urbedeutung des Wortes b i s t o r i a ausgehend
""weisen. der Er-fahrung in der Zeit auf das stoßen, was im Doppelau
M VgL dazu meinen Aufsatz „La naissance dun Etat allemand sinne des Wortes verschieden ist, so handelt es sich keineswegs
Weyen Age", in: Lc Moyen Age, Bd. 65, 1958, S. 213 ff. um den Gegensatz zur „Profanhistorie" (7) oder zu der „Ge-