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Ausgabe:

1963

Spalte:

762-763

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Dihle, Albrecht

Titel/Untertitel:

Die Goldene Regel 1963

Rezensent:

Leipoldt, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 10

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Schnackenburg, Rudolf: La thcologie du Nouveau Testament. „

Etat de Ia qucstion. Brugcs: Desclee de Brouwer [1961]. 123 S. ft ' nL tt E N G E b L H l L H l E .* ALTE KIRCHE

gr. 8° = Studia Neotcstamentica, Subsidia I, ed. A. Descamps et n; . , ,., , ., .

n „• , if .,, Uihle, Albrecht: Die Goldene Regel. Eine Einführung in die Ge-

m8aux- Lw- Drr- 1J5--- sdiichte der antiken und frühdiristlidien Vulgärethik. Göttingen:

Es ist eine neue katholische internationale Monographien- Vandcnhoeck 4 Ruprecht 1962. 135 S. gr. 8° = Studienhefte zur

reihe geschaffen worden: die Studia Neotestamen- Altertumswissenschaft, hrsg. . B. Snell u. H.Erbse, H. 7. DM 14.80.

tica, die im Verlag Desclee de Brouwer erscheinen. Außerdem Diese Schrift bietet mehr, als der Titel verspricht. Sie lie-

hat sich eine Gruppe von in der Hauptsache französischen ka- fert einen wertvollen Beitrag zur Geschichte des frühen Den-

tholischen Theologen entschlossen, eine Art Handbücher über kens und stellt neben die goldene Regel das Gebot der

den gegenwärtigen Stand der verschiedenen neutestamentlichen Nächstenliebe.

Probleme herauszugeben, die als Subsidia im Rahmen der Die älteren Dialoge Piatons üben bereits Kritik an der
eben erwähnten Studia Neotcstamentica erscheinen sollen. volkstümlichen Sittlichkeit und stellen neben sie eine philoso-
R. Schnackenburg legt uns den 1. Band dieser Subsidia in fran- phische Ethik. Beide beeinflussen einander natürlich mit Not-
zösischer Sprache vor. Der Band ist ein erfreuliches Zeugnis wendigkeit. Die goldene Regel gehört zum volkstümlichen Den-
dafür, wie völlig sich die katholischen und protestantischen ken: sie setzt die Lehre von der Selbstverständlichkeit der Ver-
Fragcstcllungen in der Arbeit am Neuen Testament decken. geltung voraus. Aber man darf die goldene Regel nicht für be-
Schnackenburg wünscht sogar an mehreren Stellen seines Buches, s°nders alt halten, weder in ihrer negativen noch in ihrer posi-
die katholische Forschung möchte ebenso weit fortgeschritten tlven Fassung: beide stimmen im Grundsätzlichen, eben im Ver-
sein wie die protestantische. Der Verfasser bringt zuerst die geltungsgedanken, überein. Aber es zeigt sich in beiden die
grundsätzlichen Probleme einer Theologie des Neuen Testa- "higkeit, sich in das Denken des Mitmenschen zu versetzen,
ments zur Sprache und skizziert die verschiedenen Strömungen Die goldene Regel ist nur verständlich, wenn jeder Vergel-
neutcstamentlicher Theologie; nachher schildert er im einzel- ""f übt, dem Freunde hilft, dem Feinde schadet. Der strenge
nen den Stand deT Forschung in bezug auf das urchristliche al'onsgedanke findet allerdings frühzeitig Widerspruch oder
Kcrygma, auf die Synoptiker, Paulus, Johannes und die übrigen Wlrd abgeschwächt; es ist ein besonderes Verdienst des Verfs.,
neutestamentlichen Schriften. Es ist klar, daß das kleine Hand- aa° er diese Entwicklung mit vielen Belegen darstellt. Ein ge-
Wh die Probleme nur aufzeigen kann, ohne in die Details ein- ° et",jtaat, duldet nidlt' daß Blutrache geübt wird. Man bezutreten
. Aber man staunt über den Reichtum, der auf diesen *lnnt bald au[ die Absicht zu achten, die die Menschen verfol-
112 Seiten Text verarbeitet ist. Nur schon um der Bibliographie f.?V"?w- D°* bchalt der Begriff der Vergeltung seine Volks-
Willen lohnt es sich, das Buch zu besitzen. Sie umfaßt deutsche, ™m»'*kelt, besonders dort, wo es sich um sakrale Verhältnisse
französische, englische und italienische Arbeiten, und zwar "and^lt; auch orphischen Totengericht herrscht Vergeltung,
nicht nur die großen Hauptwerke neutcstamcntlicheT Theologie, Uns" Vf. nennt Pindar als den ersten Griechen, der ein
sondern wirklich die gesamte einschlägige Literatur neueren und "bcn ™ glucklich bezeichnet in dem es keine Vergeltung gibt
neuesten Datums (Monographien und Artikel) zu allen Einzel- £41 Anm.). Der Widerspruch gegen den Vergeltungsgedanken
fragen. Das Buch wird als Einführung in die Probleme der *ann -graduell sein; gibt es überhaupt eine Vergeltung, die
Theologie des Neuen Testaments sicher gute Dienste leisten. gjau f™™. » so d,e Gerechtigkeit wahrt? kann man die
s roigen der Vergeltung voraussehen? vermag man hier die Ab-
Gonf W.llyRor<iori 6jcht des Tätere zu berücksidltjgen? darf der Urteilende immer

-- des eigenen Anspruchs sicher 6ein? kann nicht ein kommendes

Schicksal alles umkehren? Wertvoller ist eine grundsät z-

t> ■ n u j r j. i 'iche Ablehnung der Vergeltung. Das alles wird mit vie-

Berkey. Robert F.: *yr««r, 7,W,v and Rcalized Eschatology. ]en Belegstellen aus den Philosophen ausgestattet. Neben die

Journal of Biblical Literature LXXXII, 1963 ».177-117. Philosophie stellt der Vf. das Christentum. Auch hier wird der

Blank. Josef: Die Kirche im Johanncsevangelium. Vergeltungsgedanke abgelehnt; das wird zunächst darauf zuBibel
und Kirche 18, 1963 S. 48-51. ru«kgeführt, daß der Mensch alles der Gnade Gottes verdankt:

Brox, Norbert- Die Einheit der Kirche nach den Pastoralbriefen. eine Schuld des Menschen gegenüber seinesgleichen hat kein GeBibel
und Kirche 18, 1963 S. 44-47. Widlt GMt 18,21 ff.).

Francis, Fred O ! Humility and Angelic Worship in Col 2:18. Unter diesen Umständen kann es überraschen, daß die

Studia Thcologica 16, 1962 S. 109-134. goldene Regel im späteren Altertume, insbesondere auch bei

Knm r, , , tl ii.it t t— M ,v,»rP rrhe ,en und Christen, eine große Rolle spielt. „Es leuchtet ein,

11 martin, Edward ].: The Mothcr of Jesus was tnere. j ft , ' w r

SigniRcance of Mary in Jn 2. 3-5 and Jn .9, 25-27.) "» dle Go'd^ Regel die letztmogliche und vor allem die all-

Sciences Ecclesiastiqucs XV, .963 S. 2.3-226. ^me.r^te Konsequenz aus dem Vergeltungsprinzip rieht , Und

K ~* „ ja.i cAiA\e B Sle ••rur das oberflächliche Verständnis zu einem sittlichen

R KCi ' ?U°: °ie Einhdt d" K'rdle naCh AP0Stel8esd,,dlte- Bewußtsein nicht in Widerspruch" steht. (Ich habe seit Jahr-

BIO«] und Kirche 18, 1963 S. 34-38. 2ehnten jn mejnen VorIc6ungen betont. dic Regel muß nicht

K" ss, Otto: Die Rolle des Apostels Paulus in der theologischen im Sjnne ^ Vergeltung gedeutet werden; sie kann auch den

«Wicklung der Urkirdic. Maßstab angeben nach dem man sich richten soll; anders wäre

Mundicner Theologische Zeitschrift 14. 1963 S. 1-59. Mt. 7, 12 als Wort Jesu nicht zu begreifen).

HUCnuZ eit' Paul; Dic Einhcit dcr Kirdic naA de" Paul'n " Vf- ?eht dann auf die g°Idenc Regel bei den Juden ein; cr

auptbnefen. weist mit Recht auf den Unterschied der hebräischen und der

"*l und Kirche 18, 1963 S. 39-43. griechisdien Fassung des Sirachbuches (31 bez. 34, 15) hin usw.

Rourke, John J.: Two Notes on St. John's Gospel. Die Forderung, sich in die Seele des Mitmenschen zu versetzen,

Tne Catholic Biblical Quarterly XXV, 1963 S. 124-128. ist bereits in den zehn Geboten vorbereitet (Deut. 5, 15).

Schmauch, y/erner: Das prophetische Amt in der Gemeinde. Ein weiterer Abschnitt ist der goldenen Regel bei den

Di« Zeichen der Zeit 17, .963 S. 168—173. Sophisten gewidmet. Vf. macht wahrscheinlich, daß diese die

S«'tz, Oscar J. F.: Praeparatio Evangelica in the Markan Prologue. Regel erfanden (erster Zeuge istHerodot3, 142). Sie gaben dem

Journal of Biblical Literature LXXXII, 1963 S. 201-206. Safze die einprägsame Form, die ihn nicht untergehen ließ, als

Sr"ith, Morton: A Comparison of Early Christian and Early Rab- « bereits philosophisch überwunden war. Es wird sich auch nicht

b|mc Tradition. 'eugnen lassen, daß er (besonders wenn als Maßstab gefaßt)

Wnal of Biblical Literature LXXXII, 1963 S. 169-176. oft genug eine segensreiche Wirkung ausübte.

SmJth Charles W. F.: The Mixed State of the Church in Matthews Der Schlußabschnitt ist dem Gebote der Nächstenliebe tt*

Gospel. widmet. Hier bestehen nicht die grundsätzlichen Bedenken, die

Journal 0f Biblical Literature LXXXII, 1963 S. 149-168. der goldenen Regel betont werden müssen. Es wird denn