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Ausgabe:

1963

Spalte:

715-716

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Winde, Hermann

Titel/Untertitel:

Die Frühgeschichte der Lutherischen Kirche in Georgia 1963

Rezensent:

Windel, Hermann

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715

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 9

716

Winde, Hermann: Die Frühgeschichte der Lutherischen Kirche in
Georgia, dargestellt nach den Archivalien der Franckeschen Stiftungen
in Halle und der Universitätsbibliothek in Tübingen.
Diss. Halle 1960. 360 S.

Den Kern der lutherischen Gemeinden in der 1732 errichteten
britischen Kolonie Georgia (USA) bildeten einige Hunderte der unter
Erzbischof Firmian aus seiner Salzburger Diözese vertriebenen Evangelischen
. Ihnen wurde aus den Franckeschen Stiftungen in Halle ein
Pfarrer (der erste war Johann Martin Boltzius) und ein Katechet mitgegeben
, deren Stellen bei eintretender Vakanz während des 18. Jahrhunderts
von Halle aus wiederbesetzt wurden. Während der ersten
Hälfte jenes Jahrhunderts wuchsen die lutherischen Gemeinden in
Georgia beträchtlich durch Zuzüge von Auswanderern aus Schwaben,
Bayern, Württemberg, Schlesien und anderen Teilen des damaligen
Österreich.

Eine umfängliche Literatur stellt diese Ereignisse dar; jedoch fußt
sie ausschließlich auf Quellenveröffentlichungen, die einerseits der
Anwerbung von Siedlern für Georgia dienen sollten und deshalb die
Quellen nur in planmäßig revidierter Form zum Abdruck bringen und
andererseits, zur Erforschung der Wirtschaftsgeschichte von Georgia
unternommen, einseitig die wirtschaftlichen Verdienste der Lutheraner
herausstellen. Dies ergab die Untersuchung der Manuskripte im Archiv
der Franckeschen Stiftungen in Halle und der durch Ereignisse des
2. Weltkrieges an die Universitätsbibliothek in Tübingen gelangten
Teile der halleschen Archivalien (insgesamt etwa 7000 einschlägige
Seiten: Amtstagebücher, „Diarien", und Geheimberichte, vor allem
aber Korrespondenz der Pastoren Georgias mit den Direktoren der
Franckeschen Stiftungen, besonders mit Gotthilf August Francke). Die
auf den bisherigen Quellenveröffentlichungen fußenden Darstellungen
lassen infolgedessen Wesentliches aus. geben bestimmte Vorgänge
entstellt wieder, erkennen Ursachen und Zusammenhänge nicht und
behandeln Theologie, Frömmigkeit und Gemeindeleben nur summarisch
, meistens gar nicht. So wurde eine erneute Gesamtdarstellung
des zu untersuchenden Zeitabschnitts (1733—1806) notwendig.

In der zunächst dargestellten Siedlungsgeschichte dieser Gemeinden
haben sich gegenüber dem bisherigen Standardwerk (Strobel, Ph. A.:
The Salzburgers and Their Desccndants. Repr. Athens, Ga. 1953) neue
Einsichten ergeben: Der Eindruck eines reibungslosen, wirtschaftlichen
Fortschritts der Siedlungen wird als nicht zutreffend erkannt; die
Verflechtungen der Siedler mit europäischen Instanzen — dem Protektor
der Salzburger Emigranten in Süddeutschland Samuel Urlsperger
(Augsburg), seinem Sohn Johann August (Gründer der Deutschen
Christentumsgesellschaft), den Trustees for Establishing the Colony of
Georgia in America, der Society for Promoting Christian Knowledge

(SPCK) durch den Prediger an der Londoner Deutschen Hofkapelle
F. M. Ziegenhagen — werden in ihren fördernden und hemmenden
Auswirkungen aufgezeigt, wie auch die Beziehungen zu Lutheranern
in anderen Staaten Amerikas (z.B. H. M. Mühlenberg; Pennsylvania,
South Carolina). Erstmalig sind die Gemeinden der Orte außerhalb
des bisher allein ins Auge gefaßten Ebenezer untersucht.

Weitere Abschnitte behandeln die „Entfaltung der Gemeinden in
der Gestaltung ihres Lebens" und die „Seelsorger der Gemeinden und
ihre theologische Stellung" : Für Verfassung und Ordnung der Gemeinden
war bestimmend, daß in Georgia die anglikanische Kirche
bis zum Unabhängigkeitskrieg Staatskirche war (die lutherischen Pastoren
wurden von der SPCK besoldet). Das setzte der Ausbildung
von Rechtsformen für die lutherischen Gemeinden in Georgia Grenzen
, im Gegensatz zu den Verhältnissen in den Nordstaaten (nach dem
aufgefundenen Original der bei Strobel wiedergegebenen Kirchcn-
ordnung der lutherischen Gemeinde in Ebenezer ist diese nicht 1733,
sondern um 1755 anzusetzen), und hatte Folgen auch auf liturgischem
Gebiet. Vor allem wird in diesen Teilen der Arbeit die bis ins kleinste
gehende Abhängigkeit des kirchlichen Lebens der Lutheraner Georgias
vom Pietismus Franckescher Prägung aufgewiesen: in Prinzipien und
Praxis der Pädagogik (Einrichtung von gemeindeeigenen Schulen, Verwendung
hallescher Lehrbücher, Unterricht in Realfächern), im diakonischen
Handeln (Einrichtung eines Waisenhauses, Ausbau eines weithin
wirkenden Gesundheitswesens mit halleschen Ärzten und Medikamenten
) und in gemeindeeigenen Wirtsdiaftsunternehmen (Seidenraupenzucht
, Sägemühlen, Indigogewinnung), während an die Stelle der
pietistischen Konventikel Deutschlands in Georgia Versammlungen
öffentlichen Charakters traten. Ihren Grund hatte diese Abhängigkeit
in der Tatsache, daß die lutherischen Pastoren Georgias, deren Biographien
und theologischen Stellungen erstmalig zur Darstellung gelangen
, durch ihre Ausbildung von der hallischen Theologie jener
Jahre geprägt waren. Dabei wird als Motiv eines die Gemeinden verheerenden
Streits zweier Pa6torcn das Aufeinandertreffen zweier Vertreter
verschiedener theologischer Schulen Halles erkannt.

Ferner ergibt sich, daß der Tiefstand der Lutherischen Kirche in
Georgia um die Wende zum 19. Jahrhundert nicht, wie bisher angenommen
, in erster Linie ein Ergebnis der wirtschaftlich ungünstigen
Lage der Siedlungen, der Zerstörungen des Unabhängigkeitskrieges
und des vorausgegangenen Unfriedens unter den Pastoren war, sondern
ein Ergebnis des von einem der Pastoren praktizierten Indifferentismus
gegenüber dem lutherischen Bekenntnis. Jedoch hat das Bekenntnis
der Gemeinden die innere Kraft besessen, diesen Tiefstand
zu überwinden, die Glieder erneut zu sammeln und den lutherischen
Charakter der Kirche weiterhin zu bewahren.

ZE1TSCHMFTENSCHAU

Milropolia Ardealului 1960: Reformätus Egyhäz 1961:

Heft 9-10 (September/Oktober) Heft 2-4

Studien. Bekefi, Ben 6: A jövö egyhaza (Die Kirche der Zukunft). S. 29—31-
Exegetische Theologie. Heft 5

Marcu, Grigorie: Posibilitatea desävirsirii mornle la Sfintul Apostol P ä 11, Laszlö: Ürvacsorai igehirdetesünk problemai (Die Probleme
Pavel (Die Möglichkeit der moralischen Vollkommenheit bei dem unserer Wortverkündigung zum Herrenmahl). S. 69—71.
hl. Apostel Paulus). S. 664—676. Heft 7_g

Systematische Theologie. Studium

M lad in, Nicolae: Despre Ciberneticä (Über die Kybernetik). Bajusz, Ferenc: Tamäs evangeliuma: „Az ötödik evangelium"

S. 699—718. (Das Thomasevangelium: „Das fünfte Evangelium"). S. 104-108.

Praktische Theologie. Heft 9

Papuc, Gheorge: Despre vorbire (Über die Sprache). S. 751-756. Boross, Ciza: A spiritua,i2alas teol6giai M)u (Der theologische
Notizen. Wert der Spiritualisicrung). S. 131—132.

In memoriam H.-J. Iwand S. 787 — Kritik am Vatikan. S. 787—788. B a k o s s, Lajos: Felmene a mennyekbe . .. (Aufgefahren gen Himmel
... ). S. 1 33—135.

Heft 11—12 (November/Dezember) Heft 14—15

Studien. Boross, Geza: A spiritualizälas teolögiai problemai (Die theolc
Exegetische Theologie. gischen Probleme der Spiritualisierung). S. 231-232.

Papuc, Gheorghe: Despre familie in Vechiul Testament (Über die Heft 16—17

Familie im Alten Testament). S. 821-835. Laszlö: Esketesi igehirdetesünk problemai (Die Probleme un-

Historische Theologie. serer Trauansprachen). S. 255-257.

Metes, Jtefan: Din relatiile noastre cu Rusia (Von unseren Be- Heft 18—19

Ziehungen zu Rußland). S. 836-862. , Bekefi, Ben6: A reformiert ereje (Die Kraft der Reformation)-

Die diplomatische und literarische Wirksamkeit der Bruder Corbea S 265—267

aus Brasov gegen die Union mit Rom im 17./18. Jahrhundert. _ b _ . Szentlelek - ige - Egyhäz (Hl. Geilt - Wort - Kirche).
Systematische Theologie. S. 267-269.

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gangenheit der orthodoxen Einheit). S. 863—880. löge Seelsorger wird). S. 269—271.