Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1963

Spalte:

711-712

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Ruhbach, Gerhard

Titel/Untertitel:

Apologetik und Geschichte 1963

Rezensent:

Ruhbach, Gerhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

711

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 9

712

unbekannt waren, wurde die Darstellung nach Körperregionen eingeteilt
. Diese Gliederung verwenden auch die ägyptische und sumerisch-
akkadische Literatur bei Beschreibungen des Körpers. Nach einem ersten
Abschnitt, der Bezeichnungen für den gesamten Körper und die
psychologischen Begriffe nepes, nesamah, ruah zum Inhalt hat, folgt die
Besprechung des Kopfes (einschliesslich der Behaarung des Körpers),
des Rumpfes und der Extremitäten. Dabei werden über 200 hebräische
Wörter untersucht, die am Ende der Arbeit in einer Liste zusammengestellt
sind. Sie kommen verschieden häufig vor, manche Körperteile
sind überhaupt nicht belegt. Dies ist wohl durch die Art der überlieferten
Schriften bedingt. Wie zu erwarten, ist bei den inneren Organen
die Terminologie schlecht ausgebildet. Wichtig ist die Feststellung, daß
die hebräischen Benennungen fast immer topographisch bestimmbare
Zonen, nur selten Organe bezeichnen. Dabei ist die Abgrenzung nicht
immer mit der unsrigen identisch, was bei der Übersetzung zu beachten
ist. Für eine Geschichte der Begriffsentwicklung reichen die Belege
meist nicht aus. DurA die vorliegende Untersuchung ist das Material
für eine inhaltliche Auswertung vorbereitet. (Vgl. auch das Referat
in der Wiss. Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig, Gesellschafts
- und Sprachwissenschaftliche Reihe, 11. Jg., 1962, S. 692 f.)

R u h b a c h, Gerhard: Apologetik und Geschichte. Untersuchungen
zur Theologie Eusebs von Caesarea. Diss. Heidelberg 1962. 206,
135 S.

Die Beschäftigung mit Euseb von Caesarea hat bislang völlig im
Schatten der Konstantinforschung gestanden. Die vorliegende Untersuchung
möchte Euseb vornehmlich von seinem eigenen Schrifttum aus
verstehen und dessen zeit- und theologiegeschichtliche Stellung bestimmen
.

Das erste Kapitel skizziert in aller Kürze Eusebs Leben und beschäftigt
sich dann mit dessen Verhältnis zu Origenes. Dabei zeigt
sich, daß die bisherige Kennzeichnung Eusebs ak eines konservativen
Origenisten zumindest einseitig ist und daß sich Euseb offenbar sehr
bewußt in mehreren Punkten seiner Theologie von Origenes abgrenzt.
In diesem Zusammenhang ergibt eine eingehende Untersuchung, daß
eine „Schule von Caesarea" gar nicht bestanden hat und Origenes
demzufolge auch nicht als ihr Gründer, wie bisher angenommen, gelten
kann. Ein letzter Abschnitt dieses Kapitels bringt Euseb6 gcistes-
geschichtliche Einordnung im weiteren Sinn. Es ist die Welt der Apologeten
, der er angehört und deren Werk er weiterführt, zusammenfaßt
und theologisch vertieft.

Die beiden nächsten Kapitel bemühen sich, anhand einer ausführlichen
Auslegung der Praeparatio und Demonstratio evangelica, um
den Aufriß der Theologie Eusebs. An den einzelnen Abschnitten zeigt
sich noch deutlich die apologetische Grundintention, die allerdings der
veränderten Zeit angepaßt ist: die bloße Widerlegung der Gegner
tritt zugunsten einer positiven, akzentuierten Entfaltung der Heilsbotschaft
augenfällig zurück. Die heilsgeschichtliche Betrachtungsweise
Eusebs, die bereits die Praeparatio durchzieht, bekommt in der Demonstratio
immer stärkeres Gewicht. Eusebs Beurteilung der heidnischen
Philosophie, seine Unterscheidung von Abraham und Moses, von
Hebräern und Juden und sein Verständnis des Gesetzes überhaupt erhält
von seiner Geschichtstheologie aus prägnanten Sinn.

Aus der Auseinandersetzung vornehmlich mit Berkhof ergibt sich,
daß Euseb keineswegs ausschließlich als Logostheologe origenistischcr
Prägung zu verstehen ist, sondern daß seine Christologie vor allem
biblisch-heilsgeschichtlich orientiert ist. Natürlich steht Eusebs Denken
im Rahmen seiner Zeit, weswegen seine Gotteslehre sowohl für griechische
wie für alttestamentliche Interpretation offen bleibt. Diese
Offenheit hat den Sinn, sowohl das Judentum wie das Griechentum in
der Erkenntnis der universalen Wahrheit zu überbieten und in sich
zu vereinigen. Die Soteriologie tritt daher, Eusebs heilsgeschichtlichem
Ansatz entsprechend, weit mehr in den Vordergrund als bisher. Im
übrigen entwickelt Euseb auf dieser Grundlage eine typische Vermittlungstheologie
, die mehr in der traditionellen Gemeindefrömmigkeit,
als in einer näher bestimmbaren Theologie irgendwelcher Vorgänger
wurzelt. Die mancherlei Brüche und Unklarheiten in seinem Denken
finden auf diesem Weg eine gute Erklärung.

Im letzten Kapitel, das sich mit Eusebs kirchenhistorischen Schriften
befaßt, wird sein theologisches Gesamtanliegen noch einmal in
aller Deutlichkeit sichtbar. Das bisherige Verständnis Eusebs als des
Hoftheologen Konstantins, der die politische Konzeption des Kaisers
der Kirche gegenüber vertrat und interpretierte, bestätigt sich an
keiner Stelle der Quellen; im Gegenteil, gerade die „Kirchengeschichte"
ist viel weniger kirchenpolitisch als theologisch gemeint und übergeht
mit erstaunlichem Unverständnis die politischen Gegebenheiten der
Zeit, für die Euseb offenbar jedes Interesse fehlte. Nur in der Bejahung
des Zieles, nämlich die Einheit der Kirche zu wahren, stimmt
Euseb mit Konstantin überein, aber keineswegs mehr in dessen Begründung
. Von einer Verherrlichung de« Kaisers und seiner Reichsideologie
kann in der „Kirchengeschichte" jedenfalls keine Rede sein,
und auch in den panegyrischen Schriften erscheint Konstantin letztlich
nur als Werkzeug des göttlichen Logos, der seinen Heilswillen selbst
verwirklicht. Höchstens dadurch, daß Euseb den Griff des Staates nach
der Kirche überhaupt nicht als Gefahr empfand wie sein Antipode
Athanasios, hat er indirekt dazu beigetragen, die Kirche in problematische
Abhängigkeit vom Staat zu bringen.

Eusebs Bedeutung beruht nicht so sehr auf seiner denkerischen
Leistung, auch nicht auf seiner kirchenpolitischen Wirksamkeit, eher
schon auf seiner wissenschaftlichen Arbeit. Sein eigentliches Verdienst
aber liegt in der theologischen Interpretation der „konstantinischen
Wende", die er seiner Kirche anhand der Geschichte als wesentlich
geistliches Geschehen erschloß. Er war allerdings zu unmittelbar mit
dem Umschwung von 311 verwoben, als daß er theologischer Wegbereiter
für kommende Zeiten hätte sein können. Seine Bedeutung als
Mittler zwischen zwei Epochen und seine damit gegebene theologische
Leistung liegt jedoch auf der Hand.

Neben einer ausführlichen Bibliographie sind der Untersuchung
5 längere Exkurse beigegeben ( l) Euseb und Porphyrius; 2) das Verhältnis
von Moses und Christus; 3) Zur Entstehung und Bedeutung
der frühchristlichen Apologetik; 4) Euseb und die nichtplatonische
Philosophie; 5) Zu literarkritischen Fragen der Vita Constantini).

R u n y o n, Theodore: The Immediate Awarcncs« of the Unconditioned
and the Interpretation of History in the Theology of Paul Tillich.
Diss. Göttingen 1958. 151 S.

Ein Verständnis von Paul Tillichs Methode der Geschichtsdeutung
setzt eine Kenntnis der ontologischen Strukturen der Geschichte und
ihrer Bedeutung innerhalb seines Systems voraus. Der erste Teil dieser
in Englisch verfaßten Dissertation ist deshalb der Darstellung der
Ontologie Tillichs gewidmet

Nach Tillich drängt die Seinsweise der Essenz zur Seinsweisc der
Existenz, zu einem historischen Schicksal, das sowohl Erfüllung der
Essenz (die Essenz realisiert sich in der Existenz) als auch Trennung
von der Essenz (die Existenz steht aus — ex-sistere — der Essenz heraus
) bedeutet. Hieraus erklärt sich das doppeldeutige Wesen aller Existenz
, als durch sowohl Erfüllung als auch Entfremdung charakterisiert
. Die Geschichtsdeutung versucht, durch die existentiellen Strukturen
des Seins hindurch die essentielle Schicht des Seins — die alles
Existierende unterbaut und befähigt, das zu sein, was es ist — zu
erkennen und daran teilzuhaben. Da aber auch die Essenz an sich als
das schöpferische und zugleich zerstörerische Prinzip doppeldeutig ist,
darf die Interpretation dabei nicht stehen bleiben, sondern muß darüber
hinaus zu jenem letztlich positiven Grund der Essenz und
Existenz vonstoßen: zu dem „Sein-selbst". Die in dieser Anerkennung
und Teilhabe angewandte Methode ist „gläubiger Realismus"
— Realismus, weil sie die Existenz zum Gegenstand der Betrachtung
macht, gläubig, weil sie die unbedingte Tiefe alles Seienden,
nämlich die eigentlich religiöse Schicht im Auge hat.

Im zweiten Abschnitt wird eine eingehendere Untersuchung eines
innerhalb des gläubigen Realismus wirksamen wichtigen Elementes
unternommen, nämlich des „unmittelbaren Gcwahrwcrdcns des Unbedingten
". Das „unmittelbare Gewahrwerden des Unbedingten" ist nur
eine von verschiedenen Bezeichnungen, die Tillich einer angeblich in
der menschlichen Erfahrung universal gegenwärtigen Erscheinung gibt,
nämlich wenn der Mensch dessen, was ihn letztlich angesichts des
Nichtseins erhält, gewahr wird. Da der Mensch als existierendes Wesen
an der Essenz 6owie an der Existenz teilhat, und da ihm diese
erhaltende Macht als eine ihn unbedingt transzendierende bewußt
wird, versteht er sie als zugleich in und über Essenz und Existenz
seiend, als in beiden enthalten und sie zur gleichen Zeit überschreitend
. Auf Grund der existential interpretierten ontologischen Struktur
seines Seins muß es deshalb im Menschen einen Beziehungspunkt mit
dem Sein-selbst geben. Ist dies der Fall, so wird die Annahme eines
derart entscheidenden Beziehungspunktes notwendigerweise einen Einfluß
nicht nur auf ein aus diesen Voraussetzungen entwickeltes theologisches
System haben, sondern auch auf jede darauf gegründete Geschichtsdeutung
. Deshalb verdient dieser ganze Fragenkomplex nähere
Untersuchung.

Die Arbeit versucht festzustellen, welche Rolle das „unmittelbare
Gewahrwerden" spielt: erstens in dem Verhältnis zwischen Philosophie
und Theologie, wo es sich als der in beiden wirkende, motivierende
Faktor findet; zweitens in der Offenbarung, wo es all die „Grundoffenbarung
", in allen offenbarungsmäßigen Symbolen und Ereig'
nissen implizit am Werk ist; drittens im Glauben, wo e» als .ÄtX
absolute Glaube" da ist, welcher „den Mut zum Sein" angesichts
des Zusammenbruches aller konkreten Glaubenssymbole «rmögli^j
viertens in der Christologie, wo e» die „Suche nach dem neuen Sei"
hervorruft und die Erscheinung des neuen Seins in Jesus al6 A'10