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Ausgabe:

1963

Spalte:

709-710

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Lehmann, Theo

Titel/Untertitel:

Negro Spirituals 1963

Rezensent:

Lehmann, Theo

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Seite 1

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7°9 Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 9 710

Kiesow, Ernst-Rüdiger: Katholizismus und Protestantismus bei vollzieht sich auf der Basis bestimmter Gemeinsamkeiten zwischen

Carl Gustav Jung. Habil.-Schrift, Berlin 1962. 1 35 S. schwarzer und weißer Singpraxis (bes. Ruf-und-Anwort-Schema), so

Die protestantische Theologie hat ihr Vertrauen auf die Wahrheit daß die Spirituals weder einseitig aus Afrika oder Europa abzuleiten,

des Evangeliums stets darin bewiesen, daß sie bereit gewesen ist, sich sondern als ein Mischungsprodukt zweier Kulturen anzusprechen sind,

den von außen kommenden Anfragen offen zu stellen und auch ihrer- P'e besondere Qualität der Logik und der Doppelsinn der Spirituals

scits die eigenen Glaubensgrundlagen mit allen Mitteln des Verstan- sind bei der Interpretation ständig ebenso zu berücksichtigen wie das

des unerbittlicher Prüfung zu unterziehen. Neben dem bewährten Ge- untrennbare Verhältnis von Wort und Ton.

brauch philologischer, historischer und philosophischer Kritik wird Der zweite Teil bietet eine Theologie der Spirituals. Das erste
gerade der praktische Theologe das Eingehen auf ein an die Wurzeln Kapitel untersucht nach grundsätzlichen Erwägungen über das Lied als
rührendes rcligionspsychologischcs Denken für ebenso notwendig und theologische Aussage die Gründe der Hinwendung des Negers zum
fruchtbar halten. Unter den Prominenten der Tiefenpsychologie und Christentum. Unter Abgrenzung von M. Herskovits und J. Jahn wer-
-therapie hat C. G. Jung, der 1962 im Alter von sechsundachtzig Jah- den die Gründe in der Botschaft der Bibel selbst gefunden, die dem
ren Verstorbene, sich nicht nur am intensivsten und positivsten mit Neger unter dem Aspekt der großen Taten Gottes in der Geschichte
Religion und Christentum im allgemeinen auseinandergesetzt — dar- (Bevorzugung der gleichen Motive wie die Katakombenkunst) und
über gibt es bereits mehrere Untersuchungen —, sondern sich auch am der zukünftigen Herrlichkeit im Himmel bedeutsam wurde. Eine
häufigsten über das Typische in den beiden großen christlichen Kon- Konfrontation der Spirituals mit dem Schauspiel „Die grünen Weiden"
fessionen geäußert. — Es galt, die diesbezüglich wichtigen Abschnitte von M. Connclly bildet den Rahmen für die Darstellung von Gottes-
und Bemerkungen aus 6einem umfangreichen, oft unsystematisch ge- bild, Schöpfung, Sünde, Wiedergeburt, Bekehrung, Taufe usw. Dabei
stalteten Gesamtwerk zu erfassen und auszuwerten. ergibt sich, daß sich das von Connclly gezeichnete Bild vom Glauben
J.s Interesse an religiöser Symbolik hat im Bereich des Katholi- der Neger nicht mit dem in den Spirituals dokumentierten Glauben
z:smus ein weites Betätigungsfeld gefunden, wofür seine psychologische deckt. Hervorstehende Züge der Theologie der Spirituals, die eine
Interpretation der Messe und der Marienverehrung besonders deut- theologia crucis ist, sind der persönliche Bezug zum biblischen Ge-
liche Beispiele sind. Er sieht in den Riten, Dogmen und Institutionen stehen, Direktheit des Gottesverhältnisses ohne Verletzung der
der katholischen Kirche den bewundernswerten Niederschlag jähr- Distanz und die Hereinnahme der Gestalt Christi in das Denken des
tauscndealtcr religiöser Erfahrung, die aus unbewußten, u. U. auch Negers, ohne daß letzteres zu einer Vorstellung des „black Christ"
trnnspsychischen Quellen gespeist ist und sich an jedem wieder er- führt. Neben der Sünde und dem Glauben, der als göttliches Gnaden-
"cuern kann, der mit und in diesen kirchlichen Formen lebt. Dazu geschenk und einziger Weg zur Seligkeit verstanden wird, tritt beson-
sind in der Neuzeit freilich nicht mehr alle imstande. Deshalb läßt J. ders eine in massiven Vorstellungen ausgeformte Eschatologie hervor,
•nich trotz hoher Anerkennung der Geborgenheit und scclsorgerlichen Sie wird im zweiten Kapitel behandelt. Ihre Schwerpunkte sind tiefer
Weisheit im Katholizismus an dessen Schwächen als einer kollektiven Gerichtsernst, jubelnde Auferstehungshoffnung und brennende Sorge um
Konfession keinen Zweifel und hebt demgegenüber am Protestantis- die Seligkeit als Ziel des Glaubens, wobei Individualismus und Llniver-
mus hervor, daß dieser sehr viel mehr die Chance der Religion im salismus in gesundem Verhältnis stehen. Neben Abschnitten über den
Sinne einer unmittelbaren persönlichen Begegnung enthält. Von den Heiligen Geist, Tod und Sterben, Auferstehung, Jordan-Symbol, Wiedereigentlich
kirchlichen Faktoren auf evangelischer Seite nimmt J. dabei kunft Christi, GeTicht und Himmel (wobei M.M.Fishers These, mit
wenig Notiz: vielmehr bejaht er hier die Desintegration der Kirche, ..heaven" sei Afrika gemeint, widersprochen wird) wird das Problem der
sofern sie die geistig-seelische Position des einzelnen stärkt. Dennoch Ekstase, die im Zusammenhang mit Eschatologie und sozialer Drucksoll
nicht einfach ein religiöser Individualismus kultiviert werden: Situation zu sehen ist, ausführlich behandelt. Die offensichtlichen Paralle-
J. stellt dem Protestantismus — den er auch in vielfacher Hinsicht len zwischen Ekstase der Negerkirche und heidnischer Kulte dürfen nicht
recht kritisch und manchmal mit unzureichendem Verständnis bchan- zu einer Verwechslung von Parallelitäten mit Indcntitäten führen,
delt — geradezu die Aufgabe, Interpret und Mittler zwischen der sondern es muß — wie im Falle religionsgeschichtlicher Parallelen im
christlichen Tradition und der modernen Welt zu sein sowie zu er- Alten und Neuen Testament und in den jungen Kirchen — zwischen
rennen und praktisch kundzutun, daß er in unlösbarer Korrelation Form und Gehalt unterschieden werden. Der Unterschied zwischen
zur katholischen Schwcsterkirchc 6teht. Die gegenseitige Wesens- Ekstase heidnischer Kulte und der Negerkirche liegt in ihrem Bckennt-
bezogenheit verbietet im übrigen jeden doktrinären Konfessionalismus nis zu Jesus als dem Herrn. Sie ist weder mit heidnischer Ekstase
und berechtigt zur Hoffnung auf eine zukünftige Synthese der beiden noch mit Glossolalie gleichzusetzen, noch auf Einwirkung von Dänischen
Ausprägungen des Christentums. monen oder des Heiligen Geistes zurückzuführen, sondern ist, da
Diese Ansichten J.s erscheinen z. T. subjektiv gefärbt und in dem seinem Wesen nach ek-statischen Rhythmus begründet, als
charakterisieren ihn als Vertreter eines progressiv-liberalen Protestan- "rhythmusbedingte" Notwendigkeit anzusprechen,
'isinus eigener Note. Sie wollen aber vor allem immer von dem Das Schlußkapitel behandelt die Ganzheit (die nicht mit Naivität
•"mpirisch-wissenschaftlichen Standpunkt des Psychologen her verstan- zu verwechseln ist) als wesentliches Kennzeichen der Spirituals. Sie
den werden. Qbwohl wir uns des grundlegenden Unterschieds zwi- w>rd am sichtbarsten am Verhältnis der Spirituals zum Jazz, das
sehen theologischer und psychologischer Betrachtungsweise bewußt sein sich als Einheit von weltlicher und geistlicher Musik darstellt. Beide
müssen, können wir doch den Gedanken und Feststellungen J.6 in .T^fßen stehen in ständiger Wechselbeziehung, was besonders deut-
vielcm zustimmen, für die evangelische Seclsorge reichen Gewinn aus 'ich wird an den Einflüssen der Spirituals auf die Entstehung des Jazz,
In"en ziehen und sie insgesamt als einen wertvollen Beitrag zu der seine Rückwirkungen auf die schwarze Kirchenmusik der dreißiger
gegenwärtig wiedcraufgelcbten protestantischen Problematik bezeichnen. Jahre rrh. A. Dorsey) und deren Auswirkungen auf den modernen

Jazz (Soul-Jazz). Die Ganzheit, welche Glauben und Leben, Sonntag

• , „ , _ . . u"d Alltag. Körperliches und Geistiges, Weltliches und Geistliches

-ynmann, Theodor- Ncgro Spirituals. Geschichte und Theologie. miteinander verbindet ist der eigentliche Grund für die weltweite

u'«. Halle/Saale 1962. 446 S. Anziehungskraft der Negro Spirituals.

Darstellung und Verständnis der Theologie der geistlichen Neger- _

leoer Nordamerikas sind unmöglich ohne Aufhellung ihres geschicht-

,cnen Hintergrundes. Daher setzt die Arbeit — ein Beitrag zur Hym- _

np'Ogk und zur Frühgeschichte des Jazz - in einem ersten Teil mit °Joachim: Benennung und Funktion der Körperteile .m
Cl"er Untersuchung der Geschichte des Negers in Amerika ein. Das hebräischen Alten Testament. Phil. Diss. Leipzig 1960. XI, 347 S.
"ste Kapitel behandelt Entstehung, Wesen, Umstände und Wirkungen In den Arbeiten zum Menschenbild des ATs ist bisher die Rolle

2er Sklaverei, das zweite das Verhältnis der verschiedenen weißen des Körpers vernachlässigt worden. Zur Beantwortung dieser Frage ist

Uer|ominationcn zum Neger (das zur Zeit der finstersten Sklaverei es notwendig, zunächst erst einmal alle auf den Körper und seine Teile

^"stiger war als in der Gegenwart) sowie Entstehung, Formen und bezüglichen hebräischen Wörter und ihre Gebrauchsweisen festzu-

™Wcn der hauptsächlich baptistisch und methodistisch geprägten stellen. Dies ist in vorliegender Untersuchung eeschehen. die einen

"egerkirche. Das dritte Kapitel behandelt die Entstehung der Negro Beitrag zum hebräischen Lexikon darstellen wiII. Für dieses sind heute

Rituals. Ihr Sitz im Leben ist der Gottesdienst, ihre Entstehung ist vor allem zwei Aufgaben zu lösen: a) der Vergleich der hebräischen

, »«" Hintergrund der religiösen Lage im Amerika des 18. und I* w°"er mit den anderen semitischen Sprachen: b) die monographische

»"'hundert, zu sehen. In diesen Zeitraum fällt die Missionicrung der Untersuchung einzelner Sachgruppen, um zu einer möglichst genauen

Ä.' ,das •*rößte Missionswerk der Welt", und die Entstehung der Bestimmung der Bedeutung zu gelangen. Für die erste Aufgabe ist der

neul X* 3,8 "dlc bedeutendste Leistung christlichen Liedschaffens im WortsAatz der meisten semitischen Sprachen noch nich ausreichend er-

8g ^SfTSSi -d ^MfflTwÄT Wendung des hebräischen Sprachmaterials außerhalb des ATs verzichtet.
Die v dc' Entstehungsprozesses ist der Begriff der Vermischung. Da im AT ebenso wie im sonstigen Altertum be, dem geringen

u,e Vermischung europäischer und afrikanischer Traditionsströme Stand der physiologischen Kenntnisse Organzusammenhange weithin