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Ausgabe:

1963

Spalte:

703-706

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Gräßmann, Frithjof

Titel/Untertitel:

Religionsunterricht zwischen Kirche und Schule 1963

Rezensent:

Hahn, Friedrich

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703

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 9

704

Meier, Karlheinz: Gottesdienst, Gemeinde, Jugendarbeit.

Kirche in der Zeit 18, 1963 S. 139—144.
Müller, Eberhard: Überschaubare Gemeinde — aber wie? Zum

Lehrstreit über die Erneuerung der Kirche.

Deutsches Pfarrerblatt 63, 1963 S. 137—140.
Noth, Gottfried: Rechtfertigung und Predigtamt — Die Mitte des

kirchlichen Dienstes.

Lutherische Monatshefte 2, 1963 S. 98—104.

Padberg, Rudolf: Personale Seelsorge bei Erasmus von Rotterdam.
Theologie und Glaube 53, 1963 S. 207—216.

Rahn, Sheldon L.: Neue Formen des Dienstes.
Die Innere Mission 53, 1963 S. 104—115.

R ö p e r, Anita: Die anonymen Christen. Mainz: Matthias-Grünewald
-Verlag [1963]. 154 S. 8°. Lw. DM 11.50.

Scharfenberg, Ingeborg u. Joachim: Hierarchisches Amt oder
dialogischer Dienst? — Zur Stellung der Frau in Kirche und Gesellschaft
.

Monatschrift für Pastoraltheologie 52, 1963 S. 75—84.
Schomerus, Hans: Die Sprache und das Wort.

Deutsches Pfarrerblatt 63, 1963 S. 106—108.
Schuster, Heinz: Die Aufgabe der Pastoraltheologie.

Zeitschrift für kath. Theologie 85, 1963 S. 33^14.
Schutz, Roger: Das Heute Gottes. Mit einem Vorwort v. R. Grosche.

Übers, v. R. Bochinger. Freiburg/Br.: Herder-Bücherei [1963]. 128 S.

kl. 8° = Herder-Bücherei, Bd. 136.
V i e r i n g, Fritz [Hrsg.]: Das Wort Gottes und die Kirchen. Mit

Beiträgen von E. Käsemann, W. Sucker, M. Niemöller, E. Wilm.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1962]. 76 S. 8° = Schriften

d. Evang. Bundes in Westfalen, H. 4. Kart. DM 3.80.
W e n d I a n d, Heinz-Dietrich, G a b 1 e n t z, Otto Heinrich von der,

und Wilhelm Stähl in: Die Frau und das geistliche Amt.

Quatember 27, 1962/63 S. 63—77.
Ziegler, Martin: Möglichkeiten und Probleme der Gesprächspredigt.

Pastoralblätter 103, 1963 S. 130—137.

RELIGIONSPÄDAGOGIK

Gräßmann, Frithjof: Religionsunterricht zwischen Kirche und
Schule. Kritik seiner Praxis. München: Kaiser 1961. 199 S. gr. 8°.
Kart. DM 13.50.

Ausgangspunkt der Überlegungen Gr.s ist die Beobachtung,
„daß der größte Einsatz unserer deutschen evangelischen Kirchen
an Kräften und Zeit heute der kirchlichen Unterweisung an den
öffentlichen Schulen gilt" (13). Aber das Ergebnis dieses „Großeinsatzes
" ist mager. Der kirchliche Unterricht leistet heute —
wohlgemerkt nach der Meinung des Autors — nicht einmal
„eine notwendige und gründliche Vermittlung von Kenntnissen
in Glaubenslehre, Bibelkunde u.a.m. " (15). Trotz des „Aufwands
der kirchlichen Unterweisung" zeigen sich keine Früchte.
Der Gemeindepfarrer trifft bei seinen Hausbesuchen bei den
getauften und konfirmierten, nicht aber sich am Gemeindeleben
beteiligenden Gemeindegliedern auf „eine gründliche Immunität
gegenüber der biblischen Botschaft" und „eine frappierende Unwissenheit
in Bibel- und Kirchenkunde"(l5). Angesichts dieser
Situation versucht Gr. im ersten Haupteil seiner Arbeit „eine
kritische Darstellung des tatsächlichen Unterrichtsgeschehens"
(17) zu geben. Im zweiten Haupteil fragt er nach den „dem
kirchlichen Unterricht zugewiesenen Aufgaben und ihrer Erfüllbarkeit
" (7, 16f).

Im ersten Haupteil wird zunächst unter I „Die äußere
Situation" des kirchlichen Unterrichts gekennzeichnet. Gr. stellt
drei Merkmale heraus — der Unterricht als „Pflichtunterricht"
(19), als „Fachunterricht"(20) und als ,,Lehrgang"(21).

Unter II „Die Struktur der Unterrichtseinheit" (23—95)
werden sechs Typen, die die heutige Unterrichtspraxis prägen,
vorgeführt: 1. Typ: Formalstufen; 2. Typ: Von der Anschauung
zum Begriff j 3. Typ: Die Methode des Erlebnisunterrichts;
4. Typ: Die neue allgemeine Unterrichtslehre im kirchlichen
Unterricht; 5. Typ: Hermeneutische Stufen (von Julius Schieder
bis zu Barth, Buirmann und Stallmann); 6. Typ: Interpretierender
Unterricht im Sinne Eduard Steinwands. In diesem Kapitel
wird 6ehr ausführlich (und mit vielen Wiederholungen!) nachzuweisen
versucht, daß Theorie und Praxis der heutigen
Religionsdidaktik in offener oder getarnter Weise von den

Formalstufen d. h. vom Drei- bzw. auch Zwei6chritt regiert
werden. (Zweischritt: Darbietung — Gespräch. Darin sieht
Gr. den gekürzten Dreischritt der Formalstufen. Siehe 70).
Auch Barth und Bultmann sind — nach Gr. — mit ihren
hermeneutischen Schritten dem Formalstufenschema nicht entronnen
(so z. B. 77; 8 5 f.). Nur Steinwands „interpretierender
Unterricht" findet — mit Einschränkung — Gnade vor den
Augen des Verfassers. Denn hier allein werden „Bericht und
Zeugnis, Historie und existentieller Bezug, „explicatio" und
„applicatio" unauflöslich miteinander verbunden"(91). Leider
habe Steinwand in der dritten Auflage seiner Arbeitshilfen
den „ursprünglichen Ansatz der interpretierenden Darlegung
nicht mehr durchgehalten"(93) und sei wieder dem Formalstufenschema
verfallen.

Worin besteht wohl das Übel der Formalstufen? Darauf
antwortet Gr.: Der innerste Kern der Formalstufen ist der
„Zweischritt von der Anschauung zum Begriff"(96). Dieser
Schritt aber wirkt 6ich „distanzierend, objektivierend, historisierend
und damit neutralisierend aus"(96). Der Einschnitt
zwischen der Stufe der Wahrnehmung und der rationalen Durchdringung
führt nach Gr. notwendig zu einem Bruch zwischen
Bericht und Zeugnis und damit zu dem angedeuteten objektivierenden
, historisierenden usw. Verständnis des Textes.

Wie war es aber möglich, daß die Formalstufen solchen
Einbruch in den kirchlichen Unterricht erzielen konnten? Das
liegt nach Gr. an der Tatsache, „daß dem kirchlichen Unterricht
Texte als Sache und Gegenstand der Bearbeitung zugrunde gelegt
werden" (105), daß „die Sache des Unterrichts . . . ein Text
(ist)" (104) und dann diese Texte nach den Methoden des
Deutsch- oder Geschichtsunterrichts traktiert werden. Hätte
man nur erkannt, daß die „Sache" der kirchlichen Unterweisung
„eine Person ist, nämlich Jesus Christus" (104) f Leider wird
nicht aufgezeigt, welche Konsequenzen das für die Gestalt des
kirchlichen Unterrichts haben könnte.

Summa: Die Ursache alles Übels sind die Formalstufen. Sie
konnten in den Unterricht nur eindringen, weil man 1. als Stoff
„vorwiegend Texte behandelt" und 2. der kirchliche Unterricht
an den öffentlichen Schulen „als Fach- und Pflichtunterricht erteilt
wird" (107).

Im zweiten Hauptteil wird es unternommen, die Aufgabe
des kirchlichen Unterrichts an den öffentlichen Schulen zu
beschreiben.

1. Ist der kirchliche Unterricht heute noch aU „innergemeindliche
Funktion der Kirche" zu verstehen? (118 ff.).
Nein, sagt Gräßmann, „die tragende Gemeinde fehlt" (147).
Wie kann der „Religionsunterricht" noch in einer innergemeindlichen
Situation stehen, wenn im allgemeinen nicht mehr von
einem christlichen Elternhaus die Rede sein kann?

2. Ist der kirchliche Unterricht daher „als missionierendes
Handeln" (148 ff.) zu verstehen? Nein, sagt Gräßmann, wegen
seiner Eigenart „als Lehrgang, der Begriffe bildet, Wissen vermittelt
und Kenntnisse einschult, [kann der Kirchliche Unterricht
] nicht als eine Möglichkeit der Mission bezeichnet werden
" (171). Wie sollte missionarische Verkündigung möglich
sein, wenn auf ein Buch zurückgegriffen wird (so 164)1 Wenn
die „Lebensgemeinschaft mit den ,Heiden' " fehlt!

3. So bleibt der „Religionsunterricht als Propädeutik der
Verkündigung" (172 ff.). Da sich aber die Propädeutik „in Gestalt
eines Lehrgangs" vollzieht, sieht Gr. auch hier wieder die
Gefahren der Formalstufen bzw. des Zweischritts. „Der Schüler
wird unter seiner Vorherrschaft in der kirchlichen Unterweisung
angeleitet, die Geschichten der Bibel und im letzten Grunde
Gott selber distanzierend, historisierend, objektivierend und
damit relativierend und neutralisierend zu betrachten ..." (184).
Der Schüler wird auf diese Weise „in der Meinung bestärkt,
er, der Mensch, könne über Gott, den Herren, verfügen" (ib.)-
So erklärt sich — für Gräßmann — „weshalb der Großeinsatz
kirchlicher Kräfte im Religionsunterricht kaum ein positives
Ergebnis zeigt", ja, der Religionsunterricht geradezu „eine
Immunisierung großer Teile unseres Volkes für die Botschaft
des Neuen Testaments" (18 5) bewirkt. So verhindert die heutige
Theorie und Praxis des kirchlichen Unterrichts die heute