Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1963

Spalte:

700-701

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Warum Glauben? 1963

Rezensent:

Voigt, Gottfried

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

699

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 9

700

durch Walter Uhsadel ThLZ 85, 1960, 101-103). Von der
Sprache sagte Löwith: „Als ein ausschließlich menschliches
Phänomen ist sie jedoch, wie der Mensch selber, ein Rätsel,
weil sie sich weder auf die wortlose Sprache der Tiere noch auf
ein göttliches Wort zurückführen läßt" (in der Sammlung der
Hauptreferate S. 48).

In dem vorliegenden Buch scheint der Verfasser stellenweise
diese philosophische Bescheidung anzuerkennen. So, wenn
er schreibt: „Kein Versuch, den Ursprung aufzuhellen, führt
hinter den Leib und den Namen zurück. Man muß das so stehen
lassen" (S. 23). Aber kurz vorher hieß es: der Mensch bedarf
6elbst des Anrufs (ebda). Kein Zweifel, daß damit der Anruf
Gottes gemeint ist. Deutlich ist auch, daß der Verfasser als
evangelischer Theologe den Vater Jesu Christi meint. Er meint
nicht das „Umgreifende" (Jaspers), er meint nicht das „Geschick
", das sich (nach Heidegger) in der Sprache ereignet, ja, er
ist sich dessen bewußt, daß auch Bubers „Ur-Du", der „Geist,
der die Kreatur ins Dasein ruft" nicht ohne weiteres mit dem
Gott des ersten christlichen Glaubensartikels gleichzusetzen ist.
„Das ist die Frage, wie dieses Auftauchen der Sprache aus einem
Ursprung verstanden werden muß: als Anruf Gottes oder
Seinsgeschick oder eigener Entwurf" . .. (Hans-Rudolf Müller-
Schwefe, Sprache und Liturgie. In dem erwähnten Sammelband
des Theologentages S. 113.). Er sieht „die Theologie zum Gespräch
gefordert".

Das ist nun aber die kritische Frage des Rezensenten an
den Verfasser, ob er konsequent dabei geblieben ist, daß Theologie
von der Wurzel her Denken aus dem Glauben ist, kein
Transzendieren, aber auch keine Lückenbüßerin der Philosophie?
Sind die Hinweise auf Plato und Ernst Jünger (a.a.O. S. 114.
115) nur Hinweise oder sind sie symptomatisch für eine unzulässige
Gleichsetzung von „Geist" und Gott? Der Verfasser
weist selbst auf den Gegensatz von philosophischem und Offenbarungs
-Monotheismus hin, wie er ihn in Pascals Memorial erkennt
(Homiletik I, S. 137f.). Er spricht von der Offenbarung
Gottes in Christus und sieht dabei auf die ersten drei Teile
seines Buches zurück: „Von ihm her und auf ihn hin haben wir
die Struktur der Sprache schon von Anfang an beschrieben"
(S. 142). Aber leider läßt der Verfasser den Leser nicht von
vornherein in voller Deutlichkeit an dieser seiner theologischen
Intention teilhaben. Durchaus nicht überall ist erkennbar, wo
die philosophische Kritik zu ihrem Ende kommt und wo die
theologische Kritik beginnt. Wir tun dem Verfasser wohl nicht
Unrecht, wenn wir die ersten drei Teile seines Buches (Die
Struktur der Sprache, Sprache und Existenz, Sprache und Geschichte
) als religionsphilosophische Erörterung verstehen. Im
zweiten Teil wird in die sprachphilosophischen Gedankengänge
bei Martin Buber (Sprache als Ruf), bei Martin Heidegger
(Sprache als Ereignis) und Jean Paul Sartre (Sprache als Engagement
) eingeführt, ein Exkurs über die marxistische Sprachtheorie
schließt sich an. Der dritte Teil gipfelt in einem Kapitel
über Sprache und Religion, an dessen Ende schon der Sprung in
die von der Bibel bezeugte Offenbarungswelt getan wird:
„Hier redet der, der das Ich und das Du ist" (S. 139).

Mit dem vierten Teil wird die eigentliche theologische
Grundlegung für die Homiletik gegeben (Die Sprache und das
Wort Gottes). „Das Wort, das die Gemeinde ausruft, um damit
den Herrn als die Zukunft zu verkündigen, kann nicht von dem
einmaligen Geschehen, von Jesus Christus und seiner Geschichte
gelöst werden . .. seine Gegenwart im Wort hat nur
darum Gewicht, weil er geschichtlich für uns die Last des
menschlichen Lebens getragen und den Tod überwunden hat"
(S. 210). „Nicht der Zeuge ist das Subjekt, das den Herrn interpretiert
, sondern Christus selbst will in den Vorstellungen der
Zeugen sich durchsetzen, sich darstellen und so in alle Welt
dringen" (S. 213).

Wer seine Leser auf dies massive theologische Fundament
führt, wird der Anerkennung des Rezensenten darum besonders
wert sein, daß er zuvor mit so viel Verständnis nicht nur in
die jüdische Sprachlehre Bubcrs, sondern ebenso in die atheistischen
Sprachphilosophien einführt. Die Fülle der dabei verarbeiteten
Literatur läßt sich hier nicht einmal andeuten.
Hervorheben will ich nur, daß die Dichtung unserer Zeit nicht

unbeachtet geblieben ist, dort wo die Dichter selbst an das
Geheimnis der Sprache rühren (Rainer Maria Rilke, Hugo von
Hofmannsthal, Gottfried Benn u. a.). Wo deT Verfasser nachdrücklich
an die Aufgabe einer „Geschichte der religiösen
Sprache im Abendland" erinnert (S. 137), hätte er aber doch
nicht die einzelnen Bausteine von hohem Wert so völlig übersehen
dürfen, die dafür schon vorliegen. Dabei denke ich nicht
nur an die vielen Arbeiten zur Sprache der deutschen Mystiker,
sondern auch an eine leider zu wenig gewürdigte Arbeit von
Isabella Papmehl-Rüttenauer: Das Wort Heilig in der deutschen
Dichtersprache von Pyra bis zum jungen Herder (Weimar
1937).

Einige kleine Fehler sind anzumerken: S. 47: „fwov" statt ,,£üiov";
S. 146, Z. 9 v.u. muß es „Evangelium" statt „Wort der Schrift" heißen
; S. 137, Z. 6 v.o. „Athen" statt „Korinth"; Z. 6 v.u. „ewig"
statt „wenig'; S. 210, Z. 3 v.u. „Origenes" statt „Origines"; S. 260,
Z. 4 v. o. „Gunther Ipsen" statt „Günter Ipsen".

Halle/Saale Hans Urner

Kern, Walter S c h i e r s e, Franz Joseph, u. Stachel, Günter
[Hrsg.]: Warum glauben? Begründung und Verteidigung des Glaubens
in neununddreißig Thesen. Würzburg: Echter-Verlag [ 19611-
388 S. gr. 8°. Lw. DM 16.80.

Gründliches Nachdenken über die Lehre der Kirche darf
nicht nur Sache der Fachleute sein. Das anzuzeigende Werk ist
eine Laiendogmatik von hohem Niveau. Philosophische und
theologische Fachkenntnisse sind nicht vorausgesetzt, wohl
aber ein nicht geringes Maß von Fähigkeit und Willigkeit zum
Mitdenken. Ziel des Buches ist nicht nur Unterweisung des
ernsthaft fragenden Katholiken im Glauben seiner Kirche, sondern
Gewinnung des Nichtkatholiken. Stoffauswahl, Aufbau und
Weise des Argumentierens sind stark vom apologetisch-
missionarischen Interesse her bestimmt.

21 Mitarbeiter — und doch ein Werk von erstaunlicher
Einheitlichkeit. Eine Meisterleistung herausgeberischer Kybernese.
In 39 Thesen wird der Gesamtstoff dargelegt. Jede These ist
eingehend besprochen. Im Aufbau sind die einzelnen Beiträge
zumeist einheitlich gestaltet: Zuerst wird das Problem gestellt,
sodann der Widerstreit der Meinungen dargelegt (die FC
würde vom „Status controversiae" reden), des weiteren „Begriffe
" geklärt und endlich der „Beweis" bzw. „Aufweis" geführt
. Über diesen wohlverabredetcn Aufriß hinaus zeigen aber
die Beiträge auch eine bemerkenswerte (nicht nur sachliche, sondern
auch) stilistische Einheitlichkeit, so daß, stünden nicht die
Verfassernamen dabei, der Versuch einer Quellcnscheidung
kaum gelingen dürfte. Das ist natürlich kein Zufall: hier wirken
sich Schul- und Denktraditionen aus, wie wir sie in evangelischer
Theologie nicht haben. Von den Herausgebern i«*
jedem Beitrag noch eine Zusammenfassung von 10 bis 15 Zeilen
beigefügt; dadurch gewinnt das Werk eine vorbildliche
Übersichtlichkeit.

Mit der Aufgabe einer „Verteidigung" des Glaubens kann
sich katholische Theologie natürlich viel unbefangener befassen
, als es reformatorische Theologie könnte, weil ja schon die
„Begründung" des Glaubens einen breiten philosophischen Unterbau
hat: Man darf der natürlichen Vernunft nicht zuviel zutrauen
, aber man darf ihr auch nicht zu wenig geben. Der
Mensch muß, seinem Wesen nach, nach dem Sein fragen, vaa
eben damit fragt er nach Gott. Die Gottesbeweise (der onto-
logische dabei in einer interessanten anthropologischen Abwandlung
) tun nicht nur die Denkmöglichkeit, sondern die Denknotwendigkeit
Gottes dar. Glaube und Wissen können einander
nicht entbehren, weil sie kraft der Analogie des Seins aufeinander
angelegt sind. Man bedenke: die philosophische Begründung
des Glaubens umfaßt die Hälfte des Buches! Ohne
Zweifel ist hier ein eindrucksvolles Denkgebäude errichtet. Wir
meinen nur, dem Glauben an den Gott, der sich in Christus
offenbart hat, ist damit ein zweifelhafter Dienst getan. Die
rationalen AbStützungen und Versteifungen, die ihn befestigen
sollen, machen ihn gegenüber dem Nein des Andersgläubige"
nur desto anfälliger. Es ließe sich z. B. zeigen, daß ein Vertreter
des dialektischen Materialismus sich an bestimmten Punkten der
Darlegungen in «einer Meinung nur bestärkt und bestätig
sähe.