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Ausgabe:

1963

Spalte:

47-51

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Stockmeier, Peter

Titel/Untertitel:

Leo des Ersten des Grossen Beurteilung der kaiserlichen Religionspolitik 1963

Rezensent:

Andresen, Carl

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 1

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Nur für die Leier und den Anker muß eine vorgegebene christliche
Symbolbedeutung fraglich bleiben. Ein unwahrscheinlich
reiches, gelehrtes Material hat der erste Kenner dieses Bereichs,
Hans H e r t e r, zur „Soziologie der antiken Prostitution im
Lichte des heidnischen und christlichen Schrifttums" zusammengebracht
. Es bedeutet eine gewichtige Ergänzung zu seinem und
Hermanns Artikel über die „Dirne" im 3. Band des RAC
(Sp. 1149 ff.), besonders hinsichtlich der äußeren Zustände und
Gegebenheiten. Die christlichen Nachrichten 6timmen trotz der
so viel schärferen Beurteilung sachlich mit den heidnischantiken
so gut wie völlig überein. Th. Klauser selbst
bringt in einer bedeutsamen dritten Studie „zur Entstehungsgeschichte
der christlichen Kunst" seine Untersuchungen über
den heidnischen Ursprung des Motivs der Orans und des
„guten Hirten" zum Abschluß. Sie verkörpern Pietas und
Philanthropia und wollen in der häufigen Kombination mit der
„Leseszene" diese „Zweitugendethik" als Grundlage des Lebens
der im Sarkophag beigesetzten Toten bezeichnen. Im christlichen
Zusammenhang konnte der „Lehrer" dann wohl als kirchlicher
Katechet verstanden werden. Schwierigkeiten macht nur
nach wie vor die gelegentliche Verbindung mit Porträtzügen,
besonders bei der Orans, die der Verfasser mit einer gewissen
Unklarheit im Verständnis der alten Konzeption erklären
möchte, wie sie im Bereich einer traditionellen Friedhofskunst
in der Tat denkbar ist. Er versucht auch Stufen der Entwicklung
oder Verwilderung des Bildmotivs zu rekonstruieren, die man
gerne durch 6tilkritische Analysen ergänzt sähe. Doch ist die
Datierung des einzelnen Sarkophags natürlich nicht notwendig
in Übereinstimmung mit dem Alter seines ikonographischen
Vorwurfs. Die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung erscheinen
mir unumstößlich. Außerdem führt Klauser in einem
kleinen Beitrag die spätjüdische Vorstellung eines „Vorhangs
vor dem Thron Gottes" gegenüber einer zu engen Ableitung
Bietenhards (Ps. 18, 11 f.; Tempelvorhang) auf die Einrichtung
der orientalischen Paläste zurück, in denen der König
nach persischem Vorbild von seinen Untertanen durch einen
Vorhang getrennt blieb. Wie ein wissenschaftliches Vermächtnis
liest man nicht ohne Bewegung die Darlegungen „zur Passio
der Hl. Drillingsbrüder" von Jacques M o r e a u, der uns im
vergangenen Jahre so jäh durch ein Flugzeugunglück entrissen
wurde. Sie möchte das grundsätzliche Problem einer religionsgeschichtlichen
Ableitung der Heiligenviten von einem konkreten
Beispiel aus beleuchten. Die vermeintliche Dioskuren-Legende
stellt in ihrer ältesten Fassung bei näherem Zusehen so
exakte, besonders lokalgeschichtliche Nachrichten zur Verfügung,
daß „die Tatsache eines Martyriums von Drillingen in der Gegend
von Andaval [in Kappadokien] in der Zeit zwischen Vale-
rian und Konstantin" schwer bestreitbar erscheint. Das abschließende
Bekenntnis zur „Unteilbarkeit" der Altertumswissenschaft
", die „eine enge Zusammenarbeit zwischen Althistorikern
und Altphilologen einerseits und den Forschern auf
dem Gebiet der Hagiographie andererseits" zur Folge haben
muß, steht in diesem Jahrbuch am richtigen Platz.

Zum Sdiluß erhalten wir nach einer Reihe von z. T. wichtigen
Rezensionen (z. B. über Hagendahls und Löfstedts Untersuchungen
zur spätantiken Literatur- und Sprachgeschichte) wieder eine
Reihe von willkommenen „Nachträgen" zum RAC: „Aphraat" von
Vööbus (seine Beziehungen zum Judentum und die von ihm aus
möglichen Rückschlüsse auf das ältere, ostsyrische Christentum),
„Apophoreton" von Stuiber (wichtig besonders für die Versendung
von eudiaristischen Elementen und „Eulogien"), „Abecedarius" von
K. Thraede.

Heidelberg Hans ron Campenhausen

Stockmeier, Peter: Leo I. des Großen Beurteilung der kaiserlichen
Religionspolitik. München: Hueber i. Komm. 1959. XIX,
226 S., 1 Taf. gr. 8° = Münchener Theologische Studien, i. Auftr.
d. Theol. Fakultät München hrsg. v. J. Pascher, K. Mörsdorf,
H. Tüchle, I: Hist. Abt.. 14. Bd. DM 16.-.

Die von der Münchener Universität mit einem akademischen
Preis bedachte Dissertation verdient nach Form und Inhalt
in der wissenschaftlichen Diskussion volle Beachtung. Sie konzentriert
sich in ihrem Bemühen, des Papstes Konzeption eines

christlichen Kaisertums zu eruieren, und führt ihr Thema in
straffer Gliederung durch. Da nur die Briefkorrespondenz zwischen
Leo und dem östlichen Kaiserhof zur Verfügung steht,
während die Sermones höchstens leichte Ergänzungen bieten
können, die Quellenbasis also zumindesten einseitig, wenn
auch nicht schmal, ist, greift der Verf. auf die sog. Onomaso-
logie (S. 17—23) zurück, um durch detaillierte Begriffsuntersuchungen
den prinzipiellen Bedeutungshintergrund zentraler
Vorstellungen herauszuschälen. Er hofft, damit der Terminologie
der Papstbriefe eine grundsätzliche Bedeutsamkeit verleihen
zu können, so daß sie das Material zu einer christlichen Reichstheologie
des großen Papstes liefert. Da er sich gerade in den
begriffsgeschichtlichen Partien wohl ausgerüstet erweist und
gründlich zu Werke geht, wird man gerade in diesem Punkte die
mit einem Begriffsindex (leider keinem Quellennachweis!) ausgestattete
Untersuchung jederzeit gerne zu Rate ziehen wollen.

Es verlohnt sich auch, sich mit dem Hauptaspekt auseinanderzusetzen
! Daß dieser entsprechend der akademischen Herkunft
des Verf.s von der Kritik der sog. Münchener Schule
(F. Dölger, A. W. Ziegler) an dem schlagwortartigen Begriff des
„Caesaropapismus" (vgl. hierzu such R. Stupperich, Die Orth.
Kirche in ihrem Verhältnis zum Staat, in: Kirche im Osten II.
Stuttgart 1959, 9 ff., spez. S. 14 mit Anm. 9) bestimmt wird,
kann man verstehen. Die noch unter diesem Schlagwort stehende
Arbeit von H.Berkhof, Kirche und Kaiser, Zürich 1947 bedarf
in der Tat einer gewissen Korrektur, wofür Verf. sich auf K.
Aland, Kaiser und Kirche von Konstantin bis Byzanz, in: Aus
byzantinistischen Arbeit I, Berlin 1957, 188—212 berufen kann.
Ob das aber sein Bemühen rechtfertigt, Leo d. Gr. in die Nähe
cusebianischer Reichstheologie zu rücken? Diese kritische Randbemerkung
sei durch Eingehen auf zwei Punkte seiner Untersuchung
erhärtet:

1) Im Rahmen des Abschnittes „Kaiser und Konzil"
(S. 156—167) setzt sich St. mit der These des Kölner Mcdie-
visten H. M. Klinkenberg (Papsttum und Reichskirche bei Leo
d. Gr., in: ZRG kan. Abt. 38, 1952, 37-112; Grundprobleme
kirchlicher Ordnung in den ersten 5 Jhdt., in: Gesch. in Wiss.
u. Unterr. 1, 1950, 332—346) auseinander, Leo d. Gr. habe versucht
, entsprechend der Petrusdoktrin das Konzilsinstitut aus
der reichskirchlichen Vcrklammerung herauszulösen. St.s Gegenargumentation
enthüllt jedoch die Problematik sowohl seiner
Quellenbasis, wie auch der Interpretation, die er ihr angedeihen
läßt. Wenn er sich darauf zurückzieht, daß die Zeitverhältnisse
für eine Subordinierung der Reichskonzile unter die Petrusdoktrin
noch nicht reif gewesen sei (S. 167), dann überzeugt
dies Argument bei seiner Konzentration auf die subjektive
„Beurteilung der kaiserlichen Religionspolitik durch Leo" nicht,
es sei denn, St. nähme in Kauf, daß eine Darstellung der päpstlichen
Reichstheologie eben doch nicht sich auf die rein abstrakte
Begrifflichkeit stützen kann, sondern die faktischen Verhältnisse
berücksichtigen muß. Was das Gegenargument, die
Quellenbasis für die These von Klinkenberg — ep. 120 — habe
6ich als unecht erwiesen (S. 165), betrifft, so lassen sich auch
außerhalb dieses Papstbriefes andere Belege anführen. Erwähnt
eei nur das Schreiben an Patr. Anatolius vom 22. Mai 452
(ep. 106), wo Leo bedauert, „in hoc dilectionem tuam esse pro-
lapsam, ut sacratissimas Nicaenorum canonum constitutiones
conaris infringere tumquam . . . illa Nicaenorum canonum per
Spiritum vere sanetum ordinata conditio in aliqua cuiquam sit
parte solubilis. Nulla sibimet de multiplicatione congregationes
synodalia concilia blandiantur, neque trecentis illis decem
atque octo episcopis quantumlibet copiosor numerus sacerdo-
tum vel comparare se audeat vel praeferre" (PL 54, 1003 B/C).
Wie schon Caspar hierzu festgestellt hat, bedeutete das die
Torpedierung des Reichskonzils von Chalkedon, und zwar durch
die leoninische Petrusdoktrin, die in dem Schreiben durch die
Theorie von den „petrinischen Episkopaten" des Ostens, wonach
die Ehrenstellung von Alexandrien darauf beruht, daß
Markus, der „Schüler des seligen Petrus" es gründete, in Antiochien
aber „durch die Predigt des hl. Apostel Petrus der
Christenname entstanden sei", eindeutig proklamiert wird (PL
54, 1007 B). Und mag Leo in dem Parallelschreiben gleichen
Datums an Kaiser Markian (ep. 104) auch nicht diesen Hinweis