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Ausgabe:

1963

Spalte:

691-693

Kategorie:

Naturwissenschaft und Theologie

Titel/Untertitel:

Das Problem der Hominisation 1963

Rezensent:

Ludolphy, Ingetraut

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 9

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Stenz Gottes äußert, der zufolge sie geradezu notwendig zur
Philosophie des Todes wird (448). Beachtenswert in diesem
Zusammenhang die Erörterungen über den Atheismus als „das
einzig eindeutige Kennzeichen des bürgerlichen Zeitalters" und
über die Religion als „allerintimste Privatsache" (448 ff.).

Im letzten Abschnitt (458 ff.) dann wird deutlich, daß H.
die Existentialphilosophie nicht wie die Lebensphilosophie
rundweg ablehnt, sondern daß er sie (er nennt Pascal und
Kierkegaard) mit der philosophia perennis in einen Zusammenhang
bringen möchte, nicht zu einer Synthese, aber zu einer
Zu- und Einordnung. Doch bleibt eine solche christliche
Existentialphilosophie nur als geforderte Möglichkeit angedeutet.
H. selbst bietet sie nicht. Seine Schrift ist nicht mehr als eine
moderne und lesenswerte Interpretation thomistischer Gedanken.
Und an diesem Gedankengut auch in der gefälligen Form, in
der es Haecker bietet, wird sich protestantische Kritik entzünden
. So z. B. an dem quantitierenden Verständnis der Erbsünde,
wie es sich notwendig aus der These vom Primat des Intellekts
ergibt, nämlich daß sie „eine peinliche Verengerung der Grenzen
des Intellekts und zugleich eine phantastisch maßlose Erweiterung
derer des Willens" im Gefolge habe (407). Aber in
der Sünde revoltiert ja nicht der Wille als niedere menschliche
Schicht gegen eine höhere, den Geist, sondern der Mensch a 1 s
Wille gegen Gott.

In den angehängten Aphorismen (461 ff. Der Herausgeber
läßt uns im Ungewissen, ob sie schon ursprünglich als Anhang
veröffentlicht waren oder ob das erst jetzt in dieser Neuausgabe
geschieht) werden sachlich zugehörige, aber nicht wesentlich neue
Gedanken vorgetragen. Ein Aphorismus (478 f.) ist doppelt abgedruckt
.

Jena Martin Henschel

Brandenstein, Bela von: Realismus, Idealismus, Idealrealismus.

Wissenschaft und Weisheit 26, 1963 S. 1—14.
Ho er es, Walter: Der Unterschied von Wesenheit und Individuation

bei Olivi.

Scholastik XXXVIII, 1963 S. 54-61.
Ja s t re b o w, M.: Die Idee des Gottmenschen in der Weltanschauung
Wladimir Solowjews.

Stimme der Orthodoxie Heft 4, 1963 S. 51—54.
Kern, Walter: Neue Hegel-Bücher. Ein Literaturbericht für die Jahre
1958 — 1960.

Scholastik XXXVIII. 1963 S. 62-90.

Krem er, Klaus: Der Apriorismus in der Erkenntnismetaphysik des
Thomas von Aquin.

Trierer Theologische Zeitschrift 72, 1963 S. 105—116.
Lonergan, Bernard: Metaphysics as Horizon.

Gregorianum XLIV, 1963 S. 307—318.
Nolan, M.: The Positive Doctrine of Pope Pius XII on the Prin-

eiple of Totality. I. A Philosophical Introduction.

Augustinianum III, 1963 S. 28—44.
Schulze, Wilhelm August: Die Pädagogik Rudolf Steiners.

Theologische Zeitschrift 19, 1963 S. 126—141.
Springer, J. L.: Hegels Phänomenologie en Heidegger's Ontologie.

Nederlands Theol. Tijdschrift 17, 1963 S. 241-273.

NATURWISSENSCHAFT VNü GLAUBE

O v e r h a g e, Paul, u. Karl Rahner: Das Problem der Homini-
sation. Über den biologischen Ursprung des Menschen. Freiburg,
Basel, Wien: Herder [1961]. 399 S. m. 22 Abb. 8° = Quaestiones
Disputatae, 12/13. DM 19.80.

Seit den Zeiten Ernst Haeckels werden Christen immer
wieder angefochten von der Frage nach der Abstammung des
Menschen. Wenn die alte These, daß der Mensch vom Affen
abstamme, heute auch kaum noch von einem einigermaßen Gebildeten
nachgesprochen wird, so sind doch mit der stark gesicherten
Entwicklungshypothesc Probleme aufgegeben, die bewältigt
werden wollen. Der Doppelband, der das 12. und das
13. Heft der Quaestiones disputatae, herausgegeben von Karl
Rahner und Heinrich Schlier, umfaßt und nach dem biologischen
Ursprung des Menschen fragt, will den Theologen dabei helfen.

Er behandelt nicht als erster in dieser Reihe, die modernen
Problemen gewidmet ist, ein entwicklungsgeschichtliches Thema,
und es 6ind weitere vorgesehen.

Für den Theologen ist es vor allem wichtig, eine Übersicht
über den gegenwärtigen Stand der naturwissenschaftlichen Forschung
zu erhalten. Diesen gibt der Naturwissenschaftler Paul
Overhage (SJ) in dem zweiten Beitrage (S. 91—374) in aller
Kürze, doch mit der nötigen Ausführlichkeit und in einer
Weise, die auch den Nichtfachmann folgen läßt, ja, ihn bis zum
Schluß in Spannung hält. Dabei werden älteste Thesen berührt,
es wird aber auch auf neue Einzelforschungen eingegangen,
wobei die verschiedensten Auffassungen zu Wort kommen.
Dieser gründliche Forschungsbericht erfaßt selbst Ergebnisse
des Jahres 1961. Er zeigt, wie intensiv die Naturwissenschaftler
an der Lösung des Problems der Hominisation arbeiten. Paläontologie
, vergleichende Morphologie, Anatomie, Physiologie,
Genetik, Zoologie, Embryologie, Sprach- und Verhaltensforschung
haben daran Anteil. Eine Fülle von Hypothesen sucht
die Menschwerdung zu erklären. Deutlich kommt bei der Untersuchung
Overhages heraus, wie die Selbstgewißheit der Entdeckerfreude
und der erstaunliche Optimismus der ersten Begeisterung
über den Evolutionsgedanken einer zunehmenden
Selbstkritik, Bescheidung und sachlichen Diskussion Platz gemacht
haben. Das ist sicher auch dadurch bedingt, daß die
Sicherheit naturwissenschaftlicher Aussagen über die Hominisation
ganz und gar nicht proportional der Zunahme der Funde
und der Kenntnis der Befunde gewachsen ist. Zu vielen
Lösungsversuchen nimmt Overhage selbst kritisch Stellung. Als
wesentliche Ergebnisse der Forschung stellt er heraus, daß sowohl
die gestaltlichen Grenzen zwischen Mensch und höchsten
Primaten zu verschwimmen beginnen als auch die vergleichende
Verhaltensforschung Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen der
menschlichen Daseinsform mit allem Lebendigen aufgezeigt hat.
Das weist tatsächlich auf eine Evolution des Menschenleibes aus
der Gruppe vorzeitlicher Primaten hin. Overhage zieht nun
— mit manchen anderen Forschern — daraus den Schluß, daß
diese Hineinstellung des Menschen in die Natur seine Sonderstellung
erst richtig deutlich werden lasse. Dabei zeige sich
diese Besonderheit nicht im Gestaltlichen, sondern allein im
Bereich des Verhaltens. Hierher gehören die Fähigkeiten des
Sprechens, des begrifflich-abstrakten Denkens, des bewußten
Begreifens, des Urteilens und des Vollbringens kultureller Lei'
stungen. Trotz aller Ähnlichkeit mit dem Tiere gibt es al60
eine „feine aber scharfe Trennungslinie", die die Naturwissenschaft
nicht durch den Nachweis eines kontinuierlichen Übergangs
zu beseitigen vermochte. Fragen, die der Naturwissenschaft
nach Overhage noch aufgegeben bleiben, sind die nach
Weg und Ursachen der Evolution des Menschen. Das bisher
aufgefundene fossile Material ist zu dürftig für eine gesicherte
stammesgeschichtliche Formenreihe. Deren Ausganspunkt liegt
völlig im Dunkeln. Wir wissen nichts über die Art und Weise
der Veränderungen innerhalb dieser Reihe, und wir kennen die
Geschwindigkeit der Entwicklung nicht. Wenn wir schon mor-
phologisch manches — allerdings noch viel zu ungenügend "
feststellen können, die psychische Entwicklung der Vorfahren
des Menschen ist ganz unbekannt.

Bei aller Gründlichkeit und Sachkenntnis bringt Overhages
Beitrag im Ergebnis keine Überraschung. Grundsätzlich langt er
bei dem an, was die katholische Kirche heute zum Evolutionsgedanken
zu sagen hat. In der Enzyklika Humani generis wird
ausgesprochen, daß eine Entwicklung des menschlichen Leibes i"1
Bereich der Möglichkeit liegen kann, daß die Seele aber unmittel'
bar von Gott erschaffen worden ist, die Entwicklung sich als"
nicht auf den seelischen Bereich erstreckt.

Dieser katholische Versuch der Lösung der Frage nach der
Entwicklung des Menschen wird den nicht befriedigen, der Leib
und Seele nicht in dieser Form trennen kann, daß der Leib
irdisch und vergänglich sei, die Seele dagegen unsterblich uj1
in unmittelbarer Verbindung mit Gott. Bewundernswert
aber die Fülle des Materials, das hier zusammengetragen un
die Art, in der es konsequent in den Dienst dieser Form de
Lösung des Problems gestellt wurde. Zu achten ist auch <"