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Ausgabe:

1963

Spalte:

664-666

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Horst, Friedrich

Titel/Untertitel:

Gottes Recht 1963

Rezensent:

Westermann, Claus

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Seite 1, Seite 2

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663

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 9

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wird von Amasja als Kultprophet angeredet; er erkennt diese
Bezeichnung an" (S. 20). 7, 14 ist natürlich präterital zu übersetzen
. Arnos identifiziert sich geradezu mit den Propheten von
2, 11 f., sein Amt ist dasselbe wie ihr Amt, ein Amt wie das
Königtum, „in dem man auch in einer ordentlichen Amtsnachfolge
stehen konnte" (S. 21). Von ihm handelt schließlich der
einheitliche und zur Gänze echte Abschnitt 3, 3-8 (S. 24 ff.).

Aus dem Amt des Arnos erklären sich auch Dinge wie
„die unerhörte Sicherheit im Auftreten des Propheten" und die
Schärfe der Auseinandersetzung mit Amasja: „hier handelt es
sich eben um die Auseinandersetzung zwischen zwei Institutionen
: dem Amt des von Jahwe eingesetzten Propheten und dem
durch Usurpation der Rechte Jahwes vom nordisraelitischen
König eingesetzten Amt des Oberpriesters am Staatsheiligtum"
(S. 22 f.). Mehr als derartiges könnte der längst geäußerte
Hinweis auf die fürbittende Funktion des Arnos (7, 2. 5) verfangen
; Fürbitte ist uns ja als prophetische Tätigkeit auch sonst
bekannt. Freilich darf man das Moment auch nicht überschätzen
, und schon gar für das Amt im Sinne des Verfs. ist es nicht
stichhaltig. Der Verf. zitiert zu der Frage mit Beifall Herntrichs
Polemik gegen Weiser (S. 34), unterläßt es aber, den Leser auf
Weisers begründete Entgegnung (ATD 24, 31959, S. 183, mit
Anm. 1) hinzuweisen.

Aus der These vom Amt des Arnos folgt: „Arnos ist kein
Neuerer; seine Wirksamkeit bedeutet keinen Aufbruch in bisher
ungeahnte Bereiche einer neuen religiösen Erfahrungswirklichkeit
, sondern ein Fortschreiten auf den wohlbekannten
Bahnen einer Institution, in der er in der Nachfolge vieler
Vorgänger steht, von denen einige uns dem Namen nach bekannt
, die meisten vermutlich unbekannt sind. Der einzige bisher
ersichtliche Unterschied zwischen ihm und etwa einem Elia
oder Elisa besteht darin, daß von ihm als erstem die schriftliche
Aufzeichnung seiner Verkündigung existiert" (S. 22).
Irgendetwas von „schöpferische Originalität" (S. 72) ist bei ihm
nicht da.

Man kann das Buch fast auf jeder Seite kritisieren. Ich
beschränke mich ohne den Anspruch auf Vollständigkeit auf
ein paar zusammenfassende Einwände.

Zunächst ist der Schluß von geprägter literarischer Form
als solcher auf eine Institution oder Begehung oder ein Amt
keineswegs zwingend. Die formgeschichtliche Arbeit käme, wenn
diese Grenzüberschreitung allgemeine Regel werden sollte, in
die Gefahr, sich selber zu diskreditieren.

Der Verf. erklärt, „die verschiedenartigsten Bereiche der
Verkündigung des Arnos" betrachtet zu haben (S. 111) und
spricht von einem aus ihnen gewonnenen „Gesamtbild"
CS. 112 f.)- Das ist "i^11 2anz korrekt. In der Polemik gegen
K. Cramer, der gesagt hat: „Ob Arnos nur Unheil oder Heil
geschaut hat, kann nicht aus seinen Ausdrücken, das kann nur
aus seinem Glauben geschlossen werden", fragt der Verf. mit
Recht: „Wie sollen wir aber etwas von seinem Glauben wissen,
wenn wir es nicht aus seinen Ausdrücken entnehmen?" (S. 93).
Mutatis mutandis: dürfen wir die Stellung des Arnos zu Kultus
und Tradition untersuchen, ohne seine ausdrücklichen Äußerungen
über diese Gegenstände heranzuziehen, ja, ihnen sogar
den Vorrang vor allen indirekten Schlüssen zu geben? Bekanntlich
gibt es solche Äußerungen; sie sind der These vom Bundes-
kultbeamten, gelinde gesagt, nicht günstig. Der Verf. geht
nicht auf sie ein und bemerkt stattdessen: „Alle bisherigen
Lösungsversuche dieses Problems, die sich nicht mit der liberalen
Auffassung von der absoluten Kultfeindschaft der Propheten
zufriedengeben wollen, kranken daran, daß sie von exegetischen
und sprachlichen Einzelnachweisen aus diese grundsätzlich
gemeinte Anschauung widerlegen wollen. So richtig dabei
manche Einzelheit gesehen sein mag, ist damit ein grundsätzlicher
Auffassungswandel doch niemals zu erreichen, weil jede
exegetische und erst recht grammatische Beobachtung durchweg
mehrdeutig ist und ihre Auswertung von der zugrunde liegenden
Gesamtanschauung abhängt" (S. 114). Das ist ein ziemlich
riskanter Satz.

Auf der anderen Seite werden reichlich Texte herangezogen
, deren Herkunft von Arnos fraglich ist. Die Uncchtheit von

9, 13—15 wird durch den Nachweis des Zusammenhangs mit
allerlei späteren Texten (S. 98 ff.) eher wahrscheinlicher als unwahrscheinlicher
. 3, 7 ist schwerlich echt; das S. 26 Gesagte ist
keine ernsthafte Auseinandersetzung mit den dafür beigebrachten
Gründen. Man sollte auch auf 2, 11 f. nicht zu viel bauen.

Dazu kommt, daß der Bundeskultus eine festere Größe
sein müßte, um so sicher, wie es in diesem Buche und vielfach
sonst geschieht, in die verschiedensten Rechnungen eingesetzt
werden zu können. Wir wissen von ihm viel weniger, als heute
oft angenommen wird. Wenn man mit ihm operiert, kann man
es nur ganz hypothetisch turu. Mit ihm die ganze Prophetenforschung
neu aufzurollen (S.U. 115 f.), ist darum ein wenig
erfolgversprechendes Programm.

Der Verf. sagt gegen Weiser, dessen Amosbuch von 1929
ein Hauptziel seiner Polemik ist: „Wir werden uns hüten müssen
, hinter das Geheimnis des prophetischen Wirkens . . . mit
psychologischen Nachforschungen dringen zu wollen" (S. 29).
Aber ist die Nachforschung nach dem Amt, wie sie hier betrieben
wird, etwas wesentlich Anderes und Besseres? Der Verf.
leugnet im gleichen Zusammenhang für 3, 8 (7, 15) Ekstase und
übernatürliche Erlebnisse und nimmt stattdessen allen Ernstes
„vielleicht eine mit ganz äußerlichem Zeremoniell vollzogene
Amtsübernahme" an (S. 30). Mag man damit aus dem „Irrgarten
psychologischer Ausdeutung und des Subjektivismus"
(S. 71) herausgeführt 6ein, „der von Weiser seinerseits unter
Zuhilfenahme der Psychologie systematisierte Prophet" (S. 93)
scheint mir dem wirklichen Arnos immer noch sehr viel ähnlicher
zu sein als der blasse Beamte, der das sagt, was die anderen
auch sagen, und der sicher nicht weniger das Ergebnis
einer Systematisierung ist. Vor die Wahl gestellt, möchte man
Arnos nach wie vor weit eher einseitig (Weiser) als „spiegelbildlich
" (Graf Reventlow) nennen.

Es sei noch hinzugefügt, daß man trotz der m. E. unrichtigen
Hauptthese dem Buch einiges Lehrreiche entnehmen kann,
das nicht unmittelbar mit der Hauptthese in Beziehung steht,
so etwa hinsichtlich der Visionen. Auch dort freilich sind einleuchtende
Einzelbemerkungen oft sehr übersteigert.

Bonn Rudolf S mcn d

Horst, Friedrich: Gottes Recht. Gesammelte Studien zum Recht im
Alten Testament. Aus Anlaß der Vollendung seines 65. Lebensjahres
hrsg. v. H. W. Wolf f. München: Kaiser 1961. 344 S. 8°
= Theologisdie Bücherei, Neudrucke u. Berichte a. d. 20. Jahrhundert
, Bd. 12, Altes Testament. Kart. DM 14.80.

Friedrich Horst, zu dessen 65. Geburtstag der Sammelband
seiner wichtigsten Aufsätze von H. W. Wolff herausgebracht
worden war, ist am 12. 6. 1962 einem schweren Leiden erlegen,
das er lange mit großer Geduld getragen hat. — Der Sammelband
enthält vier Aufsätze bis 1935 und sechs von 1947 ab;
die beiden Gruppen unterscheiden sich bis in die Sprache hinein
, die in den letzten Aufsätzen eine auffällig schöne, klare
Prägung erhält, wie sie sich ebenso an der Hiob-Übersetzung
in seinem Kommentar in der Neukirchener Reihe zeigt, den er
in der Mitte abbrechen mußte.

Der Lebensarbeit Horsts eigentümlich ist die Konzentration
auf Fragen des Rechts, die im Lauf seiner Arbeit in steigendem
Maß theologisch durchdrungen wurden. „Unter den . . •
Alttestamentlern ist kein zweiter so gesammelt und gerüstet
wie F. Horst den rechtsgeschichtlichen Problemen im Alten
Testament nachgegangen" (H. W. Wolff im VorwoTt). „Das
Privilegrecht Jahwes" (1930) ist eine der ersten Arbeiten, in
denen die formgeschichtliche Fragestellung an die Stelle der
literarkritischen tritt bzw. über diese hinausführt. Es geht H-
darin um die „Gewinnung älteren Rechtsmaterials" aus Dtn
12 — 18. Als ältesten Bestand findet er eine Reihe mündlich
tradierter Rechtssätze (12, 26 f.; 14,3; 14,2lbf.; 15,1; 15,19;
16, la. 3a. 4b; 16,16; 17,1a), das .Privilegrecht Jahwes', ein
Begriff, der etwas Ähnliches meint wie A. Alts Begriff .apodiktisches
Recht'; wie überhaupt diese Arbeit Horsts in mancher
Beziehung der betr. Untersuchung Alts ähnlich ist. In überaus
sorgfältiger und vielseitiger Einzclcxegese arbeitet Horst in den
Einzelabschnitten von Kap. 12 — 18 jeweils vier Schichten heraus
, in denen sich ein wichtiger Abschnitt der Rechtsgeschichte