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1963

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Neues Testament

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Neuerscheinungen

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41 Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 1 42

Theologie grundlegende Einstellung zur Welt" (S. 15). Er ist Verf. nur von 6einem Verständnis der Eschatologie her versieh
darüber im klaren, daß die Evangelien keine systematische treten kann. Die paulinischen Briefe werden in drei Gruppen
Lehre von der Welt und dem Verhalten zu ihr bieten, und ver- befragt: zuerst die Hauptbriefe, dann die Gefangenschaftssucht
darum, behutsam die einzelnen Fragenkreise abzuschreiten, briefe und schließlich die Pastoralbriefe. Mit dieser Unter-
ohne vorschnell von dogmatischen Voraussetzungen her die teilung will der Verf. kein Urteil über die Echtheitsfragen vetr-
exegetischen Aussagen zu verkürzen. So wird z.B. auf den Sei- binden, sondern wieder kommt es ihm darauf an, die jeweils
ten 35—50 herausgearbeitet, daß Jesus den Begriff der Askese gesetzten Akzente hervorzuheben und das allen Gemeinsame zu
nicht kennt, weil er keine Abwertung des Irdischen gegenüber betonen: Paulus habe „die Grundlinien der Lehre Jesu theolo-
dem Geistlichen vertritt und jeder gesetzlichen Berechnung gisch verarbeitet. Dadurch verschieben sich gegenüber der Lehre
widersteht, nach der etwa jemand auf Grund asketischer Lei- Jesu gelegentlich auch die Akzente, doch kann von einer grund-
stungen einen größeren Anspruch auf den Himmel erwerben legenden Abweichung Pauli von der Lehre Jesu keine Rede
wollte (S. 43). Oder es wird auf S. 127 darauf hingewiesen, sein" (S. 298). In den Gefangenschaftsbriefen spricht der „alte
daß die Kirche nicht das Reich Gottes sei, „weil sie noch zu Mann" Paulus (S. 322), und von den Pastoralbriefen heißt es,
.weltlich' ist". Jesu Stellung zur Welt ist von seinem Ruf zur die Weltverneinung im Sinne der Absage an die „innere Welt-
Umkehr her zu verstehen, der Abkehr vom Geist dieser Welt Iichkeit" sei die gleiche geblieben und behielte wie in der Lehre
und Hinwendung zur Gottesherrschaft bedeutet. Daraus aber Jesu den Charakter der Selbstverleugnung (S. 341). Stärkere
folgt, daß Jesus „keine neue Sozialordnung" aufstellt (S. 61), Akzentverschiebungen werden bei der Besprechung des Hebräer-
keine „neue Ethik" bringt, wohl aber „ein neues Ethos" (S. 65), briefes vermerkt, der nicht unmittelbar auf Paulus zurück-
„keine Sozialethik" verkündet (S. 95), „keine Berufsmoral" geführt wird (S. 179; 359 f.). Von Johannes heißt es dann, er
entwickelt und „keine Standespredigt" hält (S. 103), kurz: daß Habe eine Theologie der Welt entwickelt, durch die die Aus-
Jesu Lehre einen „unweltlichen Akzent" trägt (S. 120). Trotz sagen der synoptischen Evangelien ergänzt würden, so daß von
dieser Einschränkungen, auf die der Verf. immer wieder auf- der Lehre Jesu in zwei Fassungen gesprochen wird (S. 437).
merksam macht, möchte er nun aber doch eine „Lehre Jesu" Betrachtet man diesen systematischen Aufriß der ungemein
herausarbeiten, die darauf abzielt, in der Welt befolgt und ver- fleißig und gewissenhaft gearbeiteten Abhandlung, so bleibt die
wirklicht zu werden. Den naheliegenden Einwand, wie 6ich Frage, ob sich die vom Verf. vertretene Konzeption wirklich
ßolche Lehre zur Proklamation der anbrechenden Gottesherr- durchhalten läßt. Die Fragen, die an die von ihm entwickelte
6chaft, zur Naherwartung Jesu verhielte, weist der Verf. zurück: Lehre Jesu zu stellen sind, verstärken sich gegenüber dem Ver-
„Das Gesamtethos Jesu ist doch so geartet, daß es sich in der such, diese Lehre Jesu als Norm für die gesamte neutestament-
Welt bewähren muß, weil es eben nicht nur eschatologisch im liehe Sicht der Welt zu beurteilen und lediglich mit Akzent-
Sinne der Enderwartung, sondern vor allem im Sinne der Erfül- Verschiebungen innerhalb der einzelnen Schriften zu Technen.
lung des ganzen Willens Gottes ist" (S. 149). Der Begriff der Wenn die betont konservative Stellungnahme zu den Einleitungs-
Eschatologic wird damit freilich unvermeidlich von der End- fragen gelockert würde, müßten auch die theologischen Aus-
erwartling auf die Ethik verschoben. Sein Verständnis der sagen der verschiedenen Schriften profilierter heraustreten und
„Lehre Jesu" aber kann der Verf. nur aufrecht erhalten, weil schärfer gegeneinander abgehoben werden. Dann wäre erneut
er diese Lehre Jesu so gut wie gar nicht von der der Evange- zu prüfen, ob eine nahezu einheitliche Lehre zum Problemkreis
listen unterscheidet. Zwar wird eingangs darauf hingewiesen, „Christ und Welt" in allen neutestamentlichen Schriften tat-
<laß die Erkenntnisse der formgeschiditlichcn LIntersuchungen der sächlich aufgewiesen werden kann; ob wirklich von der VerEvangelien
nicht unberücksichtigt bleiben sollten (S. 15). Im kündigung Jesu bis zu den Pastoralbriefen nur Akzentverschie-
Verlauf der Untersuchung werden diese jedoch kaum ausgewer- bungen eingetreten sind, oder ob es sich nicht doch um seliT
tet, denn dann hätte viel schärfer zwischen der Verkündigung viel stärkere Unterschiede handelt, die nicht miteinander har-
Jesu, der Tradition der Gemeinde und der Theologie der Evan- monisiert werden können. Ist Paulus von den Pastoralbriefen
gelisten unterschieden werden müssen. Der Verf. ist aber der her zu verstehen, oder müssen nicht vielmehr umgekehrt diese
Ansicht, daß die „Worte Jesu mit großer Pietät weitergegeben von jenem her kritisch beleuchtet werden? Gibt es eine Lehre
worden" seien (S. 15), und verzichtet deshalb auf eine kritische Jesu in zwei oder mehreren Fassungen? Liegen zwischen Paulus
Prüfung der Überlieferung. Selbst die Verse Matth. 5, 17—19 und Jakobus nur Akzentverschiebungen vor, oder muß man
sollen als echte Herrenworte gelten, obwohl deren Authentizi- nicht vielmehr einen unüberbrückbaren Gegensatz feststellen?
tät nur mit Hilfe eines Kunstgriffes aufrecht erhalten werden Darf man den einzelnen Aussagen ihre Schärfe nehmen und
kann, indem 6ie nicht im buchstäblichen Sinne, sondern als Aus- versuchen, alles auf einer mittleren Ebene zusammenzubringen?
druck dafür verstanden werden sollen, „daß Jesus das alttesta- Oder wird nicht der Exeget die verschiedenen Antworten, die
mcntliche Gesetz nur als unvollkommene Äußerung des Gottes- das Neue Testament zum Problem Christ und Welt enthält,
willens anerkennt und daher das ganze Alte Testament als aufzuzeigen haben, dadurch gerade die kritische Frage an jede
.Gesetz' (= Gesetz und Propheten) durch die Verkündigung Konzeption, die zu diesem Problem entworfen wird, wachhalten
des ganzen Willens Gottes .erfüllt' '* (S. 58 f.). Um die Eigen- und vor die Notwendigkeit der eigenen Stellungnahme und
art der „Lehre Jesu" herauszuheben, wird zu jedem Fragenkreis Entscheidung stellen?

kurz aufgezeigt, wie dieselben Probleme in der griechischen Kiel Eduard Loh sc

Welt, im Alten Testament und im Judentum gesehen wurden. -

Die Unterschiede werden scharf herausgearbeitet, bisweilen Aland, Kurt: Das Problem des neutestamentlichen Kanons.

vielleicht zu stark betont. Daß bei solchen Vergleichen gewisse Neue Zeitsdlrift für Systematische Theologie 4. 1962 S. 220-242.

schematisierende Verkürzungen eintreten, ist kaum zu vermeiden. Arai, Sasagu: Zur Lesung und Übersetzung des Evangelium Verita-

Aber es ist doch zu fragen, ob man so summarisch von „der tis. — Ein Beitrag zum Verständnis seiner Christologie.

antiken Sicht" der Askese (S. 41), „dem israelitischen Denken" Novum Testamentum 5, 1962 S. 214—218.

(S. 44), der „griechischen Ethik" (S. 48, 67 f.) u. ä. sprechen B a m m e 1, Ernst: Das Wort vom Apfel-Bäumchen.

kann, wie es der Verf. bei seinen Gegenüberstellungen stets Novum Testamentum 5, 1962 S. 219-228.

tut. Wie bei der Analyse der synoptischen Tradition genauer Bartsch, Hans-Werner: Historische Erwägungen zur Leidensdifferenziert
werden müßte, so auch in den relit-ionseeschicht- Beschichte.

liehen Vergleichen. relig.onsgescn Evangelische Theologie 22, 1962 S. 449-459.

ru. lnl~ar,A-~ 4L,i j tt . ,,i Blinzle r Josef- Reditsgesdiiditlidies zur Hinrichtung des Zebedä-

Dic folgenden Abschnitte der Untersuchung sollen dartun, jden jakobus
daß die Lehre Jesu in allen neutestamentlichen Schriften auf- Novum Testamentum ;, ]962 S. 191-206.

genommen worden sei, wenn auch hier und da im Blick auf Bohljg A . Zum Martyrjum des Jakobus,
bestimmte Situationen diese oder jene Akzentverschiebung vor- Novum Testamentum 5, 1962 S. 207-213.

genommen worden sei. So heißt es von der Apostelgeschichte, Boismard, M.-E.: Saint Luc et Ia redaction du quatrieme evan-

auch ihre Weltbejahung und Weltverneinung sei „in gewissem giie (j4>46_54)

Umfang eschatologisch motiviert" (S. 178), eine These, die der ReVue Biblique 69, 1962 S. 185—211.