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Ausgabe:

1963

Spalte:

40-42

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Völkl, Richard

Titel/Untertitel:

Christ und Welt nach dem Neuen Testament 1963

Rezensent:

Lohse, Eduard

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 1

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der Fremdherrschaft auf Grund der betonten Alleinherrschaft
Gottes [93—114] gegeben; H. meint, daß dabei auch „Der
Zusammenstoß des palästinischen Judentums mit dem Kaiserkult
" [103—111; u. o.] eine besondere Rolle spiele. Die vierte
Sekte des Judentums (Josephus) betont „Das Zusammenwirken
mit Gott bei der Erlösung Israels" [127— 132], nach Josephus im
Unterschied zum Pharisäismus, dessen linker Flügel — von den
Schammaiten bestimmt — aber nach H. den Zeloten nahesteht.
Daß „Der religiöse Charakter der . . . Bewegung" [146—150]
für ihre Rolle im 1. Jhdt. n. Chr. wichtig ist, wird in III ebenso
herausgestellt wie in Kap. IV, in dem „Der Eifer" [151—234],
zumal „Der Eifer für das Gesetz in Verbindung mit derPinehas-
tradition" [154—181] und „Der Eifer für Gesetz und Heiligtum
im palästinischen Judentum und bei den Zeloten" [188—229]
behandelt wird. Hier und z. T. anderswo macht H. wahrscheinlich
, daß Josephus in der Darstellung der Grundsätze der Zeloten
und ihres Handelns entweder die Akzente weithin falsch
setzt oder (er behaurret die „Gesetzlosigkeit" der Zeloten [ 188
—190]) die Dinge geradezu auf den Kopf stellt („polemische
Umkehrung" [190.215]). In Einzelheiten ist der Nachweis der
Gesetzestreue der Zeloten aus anderen Quellen für mich nicht
immer überzeugend. Doch werden gerade in Kap. IV überhaupt
häufiger auch rabbinische Quellen instruktiv, und wenn m. E.
für die eigentlich zelotischen Anschauungen manches offen bleiben
muß, so zeigt die Darstellung des „Eifers" (u. a. der „für
die Reinheit des Heiligtums" [211—229]) im Judentum auch des
1. Jhdts. n. Chr. insgesamt, in welcher religiösen Gedankenwelt
nicht nur die jüdische Freiheitsbewegung, sondern mit ihr die
Umgebung der palästinischen Urchristenheit lebte. Abschließend
interpretiert H. den Eifer der Bewegung „als eschatologische
Toraverschärfung" [229—234].

In einem letzten ihr Gedankengut erhebenden Kap. V
werden schlechthin „Die Zeloten als eschatologische Bewegung"
[235—318] verstanden; hier ist von der zelotischen Profetie
(die „als charismatische, eschatologische Schriftdeutung" [242
—249] aufgefaßt wird), den endzeitlichen Wehen (vermutlich
identifizierten die Zeloten die Römerherrschaft mit diesen
[253]), dem Rückzug in die Wüste, der Bereitschaft zum Martyrium
, dem Heiligen Krieg, „Zelotischen Messias-Prätendenten
" (nur Menahem und Simon bar Giora kommen dafür in
Frage), dem Endsieg und der Weltherrschaft Israels die Rede.
Hier ist es u.a. recht lehrreich, die politisch-religiöse Heilserwartung
des 1. Jhdts. n.Chr. überhaupt dargestellt zu sehen.
Die Erwartung der Zeloten wird insofern als transzendent bezeichnet
, als sie in Gottes Erwählung und Verheißung wurzelt
und als entscheidend Gottes wunderbaren Beistand einschließt
[317]; im übrigen wird deutlich, daß diese Erwartung durchaus
irdisch ist (sie 6ieht nach H. z. B. eine „Neuordnung der Besitzverhältnisse
" vor [318]). Daß „die eschatologische Erwartung
der Mehrzahl des Volkes überhaupt" von der sog. nationalen
Hoffnung beherrscht gewesen 6ein mag [316 f.], ist sehr wahrscheinlich
ein durchaus richtiger Satz H.s. — In Kap. VI [319
— 383] endlich bemüht sich H. um eine Skizze der historischen
Entwicklung der Bewegung (einschließlich ihrer Vorgeschichte
unter Herodes und ihres Auseinanderfallens gegen Ende des
jüdischen Krieges). Das kurze Schlußwort [384-386] (H. hat
schon vorher nützliche Zusammenfassungen gegeben) weist auch
auf die Beziehungen des Themas zum Neuen Testament hin;
diese sind aber bereits vorher fortlaufend fruchtbar behandelt-
das geschieht notabene in einer durchaus unsensationellen
Weise. Übrigens ist in dieser Darstellung des Zelotismus nur
ganz gelegentlich Anlaß gegeben, die sogenannten Rollen vom
Toten Meer heranzuziehen (trotz des aus der Qumranforschung
übernommenen Stichwortes Toraverschärfung, und obwohl z. B.
die Frage des Nebeneinander von Hohepriester und Messiaskönig
auch für den Zelotismus berührt wird, usw.); am ausführlichsten
geschieht das mit der Kriegsrolle [28 3—287]. — Angesichts
der umfassenden Verarbeitung der vielfältigen Quellen
bedauert man, versteht aber zugleich auch, daß Register nicht
angefügt wurden; ein Sachweiser wird einigermaßen durch das
übersichtliche Inhaltsverzeichnis ersetzt. Ein Literaturverzeichnis
ist beigegeben, weiteres in Fülle in Anmerkungen genannt.

Die Wissenschaft vom Spätjudentum und m. E. besonders

auch die vom Neuen Testament hat vollen Grund, dankbar dafür
zu sein, daß diese erste umfassende Monographie des Zelotismus
angeregt wurde und daß der Verf. die schon von den
Quellen her nicht leichte Arbeit so solide bis zum Ende durchführte
. Es ist m. E., wie bereits angedeutet wurde, nicht einmal
entscheidend, ob alle Vorstellungen, die er den Zeloten zuschreibt
, speziell in ihrer geistigen Welt die von H. bezeichnete
Bedeutung haben; daß ihre Anschauungen weithin glaubhaft
wiedergegeben werden, 6ei ausdrücklich gesagt. Der Zclotismus,
diese Auffassung wird durch H. über Schlatter hinaus gewichtig
begründet, ist eine entscheidend religiös bestimmte Bewegung
(daß das wenigstens von ihrer Endzeit nicht mehr durchaus gilt,
deutet H. selbst r.n; daß soziale Unzufriedenheit in ihrer Geschichte
überhaupt eine Rolle spielte, ebenso). Auf jeden Fall
ist aber ein wesentlicher Bereich der religiösen Anschauungen
des Judentums des 1. Jhdts. überhaupt in den Blick gerückt, der
sonst gegenüber dem pharisäischen, wie er uns in den rabbini-
6chen Quellen begegnet, oft wesentlich zurücktritt (auch die
eben angedeuteten Veränderungen im Judentum nach 70 p. Chr.
werden durch H. mehrfach aufgezeigt). Mit dem klar aufgebauten
und durchgeführten und, soviel ich sehe, aus den Quellen
sauber gearbeiteten Werk ist eine gute Grundlage für die weitere
Erforschung eines bedeutsamen Gebietes der religiösen
Geschichte des Judentums im 1. Jhdt. n. Chr. gegeben.

Halle'Saale Gerhard Del 1 i n g

Völkl, Richard: Christ und Welt nach dem Neuen Testament.

Habilitationsschrift. Würzburg: Echter-Verlag [1961]. 515 S. gr. 8°.

Die umfangreiche Studie, die 1959 von der kath. theol.
Fakultät München als moraltheologische Habilitationsschrift angenommen
worden ist, bildet den ersten Teil einer breit angelegten
Untersuchung. Ein zweiter Band, der das Verhältnis des
Christen zur Welt nach der altchristlichen Literatur bis zum
Jahre 150 behandeln soll, befindet sich in Vorbereitung. Der
Verf. ist bemüht, das Problem Christ und Welt so zu sehen,
„wie es in den Aussagen des Neuen Testaments gestellt und
gelöst ist, ohne unsere modernen Fragen in die Schrift hinein-
zulesen" (S. 11). Um die Antwort, die das Neue Testament auf
diese Frage gibt, möglichst deutlich hörbar zu machen, werden
die einzelnen Schriftenkreise nacheinander betrachtet: zunächst
die synoptische Überlieferung (S. 15—154), dann die Apostelgeschichte
(S. 155—178), Paulus (S. 179—341), der Hebräerbrief
(S. 343-360), die katholischen Briefe (S. 361-391), Johannes
(S. 393-439) und schließlich die Apokalypse (S. 442-463). In
einem kurzen Schlußwort werden die Ergebnisse knapp zusammengefaßt
(S. 465—468). Wie der Aufriß der Studie erkennen
läßt, ist der Verf. bemüht, den Erkenntnissen der modernen
Bibelwissenschaft Rechnung zu tragen; in erstaunlicher Breite
ist die katholische und evangelische Literatur zur Exegese des
Neuen Testamentes herangezogen worden. Man könnte nur
hier und da einen an entlegener Stelle erschienenen Zeitschriftenaufsatz
über die jeweils angegebene Literatur hinaus
nennen. Dem Verf. ist es nicht so 6ehr darum zu tun, eigene
exegetische Untersuchungen durchzuführen, als vielmehr die
vorhandenen Arbeiten auszuwerten und im systematischen
Querschnitt deren Ertrag für das Problem Christ und Welt
fruchtbar zu machen. Auf dem weiten Weg, den er den Leser
durch die Schriften des NT führt, verfolgt er eine klar erkennbare
Linie, die schließlich bei einem deutlich formulierten
Resultat endet: das neutestamentliche Weltethos enthält in sich
sowohl Weltverneinung wie auch Weltbejahung. Die Weltverneinung
umfaßt „die radikale Absage an jede Art von
Selbstsucht, an jede Form der .inneren Wcltlichkeit' *' (S. 465).
Die Weltbejahung aber bedeutet „primär die Nachahmung der
Weltliebe Gottes, den liebenden Angriff auf die Welt, der auf
ihre Bekehrung und endgültige Rettung zielt" (S. 466). Der in
Christus Lebende wird daher „gegenüber den .Dingen der Welt'
Distanz wahren, nicht nur, weil ,dic Gestalt dieser Welt vergeht
', sondern weil sich seine absolut erste Sorge auf die .Dinge
des Herrn' richtet" (S. 467).

Der Verf. bewertet die Lehre Jesu, wie sie in den Aussagen
der Synoptiker vorliegt, als „die für alle neutestamentliche