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1963

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Kirchengeschichte: Neuzeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 8

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Paris 1923-27) das Zeichen gab, daß die Darstellung Granderaths
nicht als die alleingültige zu gelten habe. Der englische
Dominikaner Cuthbert Butler fühlte sich durch die Briefe, in
denen der Bischof Ullathorne von Birmingham über seine Eindrücke
beim Vatikanischen Konzil unmittelbar aus dem Erleben
heraus berichtete, inspiriert, eine völlig neue Darstellung des
Vatikanischen Konzils in Angriff zu nehmen. Hugo Lang O.S.B,
ließ 193 3 eine deutsche Übersetzung erscheinen und fügte einige
sachlich nicht ins Gewicht fallende Zitate aus dem Tagebuch des
deutschen Abtes Utto Lang von Metten bei. Im Blick auf das
zweite Vatikanische Konzil wurde nun diese Übersetzung in
zweiter Auflage herausgegeben.

Der Darstellung liegt das Axiom zugrunde, daß auf dem
Vatikanischen Konzil 1869/70 gegenüber den sehr viel weitergehenden
Forderungen der „Zeloten" ein vernünftiger Ultramontanismus
den Sieg behalten habe (S. 127). Indem der Verfasser
mit seinem Gewährsmann, dem Bischof Ullathorne, sich
von den Auswüchsen der Extremen distanziert (nach seiner Schau
befanden sie sich besonders unter den nicht theologisch gebildeten
Journalisten und den Konvertiten), wird der Eindruck
einer kritischen Darstellung erweckt. Selbst vor Pio Nono wird
nicht Halt gemacht, — nur werden die Fehler, die er gemacht
hat, mehr auf seine Ratgeber als auf ihn selbst zurückgeführt.
Damit ist auch die Möglichkeit gegeben, die Opposition, die
sich auf dem Konzil so eindrucksvoll zu Wort meldete, zu verstehen
und zu entschuldigen: Sie war das notwendige Gegengewicht
gegen die alles Maß überschreitenden Eiferer. Die Beschlüsse
, die schließlich gefaßt wurden, waren das rechte Mittelmaß
, das schon in der Theologie Bellarmins angelegt war.

Im Vergleich mit Granderath besticht die Darstellung Butlers
durch ihre offensichtlich kritischere Grundhaltung: Sie scheut
sich nicht, auch heikle Situationen offen zuzugeben. Indem sie
aber die Opposition zu entschuldigen sucht, macht sie sie unmöglich
: Die Gegenstimmen, die auf dem Vatikanischen Konzil
laut wurden, werden nicht geschichtlich gesehen als nochmaliges
Aufflammen des Episkopalismus und Konziliarismus, die so
lange in der römischen Kirche lebendig waren und noch in
Trient eine bedeutsame Rolle spielten. Was sich auf dem Konzil
zutrug, wird vielmehr von seinem Ergebnis her interpretiert.
Weil dieses Ergebnis als sakrosankt gilt, wird auch der Einbruch
parlamentarischer Methoden in die Konzilspraxis hingenommen:
Noch auf dem Tridentinischen Konzil wurde bei Glaubensdekreten
die moralische Einstimmigkeit der Prälaten für notwendig
erachtet; eine Opposition von fünf oder sechs Stimmen genügte,
eine Vorlage zu Fall zu bringen. Das Vatikanische Konzil setzte
sich aber über 88 volle und 62 bedingte Neinstimmen hinweg
— von 601 Gesamtstimmen waren das 25 %; und 76 Bischöfe
waren nicht erschienen, um nicht mitstimmen zu müssen!

In einem Nachwort versucht der Übersetzer Lang Verbindungslinien
zu ziehen von dem ersten zum zweiten Vatikanischen
Konzil, indem er Vermutungen äußert, inwiefern dieses
das 1870 unterbrochene Konzil vervollständigen, ergänzen und
weiterführen könnte. Da diese Vermutungen überholt sein dürften
, sobald das Konzil stattgefunden hat, war der Anhang der
ersten Auflage mit der ausführlichen Wiedergabe der Konzilsbeschlüsse
in lateinisch und deutsch vorzuziehen.

Mannheim Karl Stürmer

Danbolt, Erling: Prcsten G. A. Lammers for og mot frimenighet-
stanken.

Norsk Teologisk Tidsskrift 64, 1963 S. 1-56.
Härder, Günther: Die Evangelische Kirche der Union und ihre
Rechtsvorgängerinnen.

Kirche in der Zeit 18, 1963 S. 147—156.
Kloppenburg, Heinz: Kirchliche Bruderschaft — Vermächtnis und
Auftrag der Bekennenden Kirche.
Junge Kirche 24, 1963 S. 117—122.

Kupisch, Karl: August Hermann Francke — Vater des preußischen
Pietismus.

Kirche in der Zeit 18, 1963 S. 90—93.
Nembach, Ulrich: Zur Problematik von Luthers Turmerlcbnis.
Theologische Zeitschrift 19, 1963 S. 106—112.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Schmaus, Michael, Prof.: Katholische Dogmatik. IV. Band, 1. Halbband
: Die Lehre von den Sakramenten. 5., umgearb. u. vermehrte
Aufl. XII, 804 S. Kart. DM 24.80; Lw. DM 27.80. 2. Halbband:
Von den Letzten Dingen. 5., 6tark vermehrte u. umgearb. Aufl.
XIX, 748 S. Kart. DM 26.— ; Lw. DM 29.80. München: Hueber
1957 u. 1959. gr. 8°.

Der vorliegende vierte Band der Dogmatik von Schmaus,
der die ursprüngliche Ausgabe aus dem Jahr 1941 dadurch weitgehend
umgestaltet, daß er die kirchlichen Lehräußerungen der
letzten Jahre intensiv verarbeitet hat, führt den Leser in das
Zentrum der katholischen Glaubenshaltung hinein: „Die Kirche
wird aufgebaut und stellt sich dar im Sakrament. Sie hat wesentlich
sakramentales Gepräge" (3). Nur im Sakrament wird
die Geschichtlichkeit Jesu Christi wirklich überwunden, wird
der geschichtliche Christus als gegenwärtig gesetzt. Das sakramentale
Moment iet daher eine die ganze Kirche umgreifende
Wirklichkeit.

Zwar bemerkt der Verf., daß sich dies sakramentale Moment
in zweifacher Weise gliedere: im Wort der Verkündigung
und im eigentlichen Sakrament. Aber das Wort der Verkündigung
nimmt teil an der die ganze Kirche durchherrschenden
sakramentalen Kraft, gewinnt seine Gültigkeit nur durch diese
Kraft. Die Situation ist hier also die umgekehrte wie im
Protestantismus: Das Sakrament gewinnt seine Mächtigkeit
nicht durch das Wort, sondern ist selbst diese Mächtigkeit, und
das Wort gewinnt seine Gültigkeit nur, indem es an dieser
Mächtigkeit partizipiert. Das Wort der Verkündigung hat also
Sakramentscharakter (25), und nur weil es diesen Charakter
hat, ist es das Wort. Weil aber die Kirche wesentlich sakramentales
Gepräge hat, entscheidet sie über den Sinn des Wortes
und des Sakramentes. Kirche und Sakrament stehen in einer
engen Wechselwirkung: Die Sakramente verfügen über eine
„kirchenschöpferische Kraft", und die Kirche ist als solche eine
sakramentale Wirklichkeit.

Ohne tiefere Auseinandersetzung und ohne auch nur im
geringsten auf einzelne konkrete Momente einzugehen, wird
vom Verf. einfach festgestellt, daß die Reformatoren (Luther,
Calvin, Zwingli), die liberale Theologie und die von ihr beeinflußten
Modernisten die sakramentalen Zeichen entleert haben
: „nicht die Sakramente rechtfertigen, sondern der Glaube
an die Sakramente!" (33). Ein Bollwerk gegen diesen Subjektivismus
, Individualismus, Spiritualismus, Relativismus (20) sind
die Sakramente nur dann, wenn sie die Gnade selbst enthalten
oder wenn sie das wirken, was sie bezeichnen oder wenn in
ihrem Bereich — gemäß der apriorischen Urdiktion des Katholizismus
— Erscheinung und Wesen zusammenfallen oder wenn
Christus das Sakrament ist.

Diese Feststellung ist fundiert in zwei Glaubenssätzen des
Tridentinums, auf denen der Verf. seine ganze Sakramentslehre
aufbaut: 1. „Wer sagt, die Sakramente des Neuen Bundes seien
nicht alle von Christus Jesus, unserm Herrn, eingesetzt, oder
es seien mehr oder weniger als sieben, nämlich: Taufe, Firmung,
Eucharistie, Buße, Letzte Ölung, Weihe und Ehe, oder eines von
diesen sieben sei nicht eigentlich und wirklich Sakrament, der
sei ausgeschlossen." 2. „Die Sakramente bringen ihre Wirkung
auf Grund ihres Vollzuges (ex opere operato) hervor." Hier
entsteht das Probem der Schriftgemäßheit. Der Verf. entzieht
sich den letzten Konsequenzen des Problems durch eine geschickte
Dialektik. Die Schrift kenne zwar nicht den Ausdruck
ex opere operato, wohl aber die mit ihm gemeinte Sache. Und
die Siebenzahl sei zwar in der Schrift nicht formell bezeugt,
aber alle einzelnen Sakramente seien von ihr bezeugt und noch
weitere Sakramente seien nicht bezeugt. „Daher ist die Lehre
von den sieben Sakramenten schriftgemäß" (81). Umstritten
sei nur die Frage, ob Christus die sakramentalen Zeichen im
einzelnen bestimmt habe oder nur ihre Grundlage festlegte.
Diese Frage wird dahingehend beantwortet, daß Christus nur
für die Taufe und Eucharistie die Zeichen festgelegt habe, daß
er für die übrigen Sakramente nur „gewissermaßen das Kernsymbol
bestimmte und die nähere Ausführung der Kirche über-