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Ausgabe:

1963

Spalte:

606-607

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Butler, Cuthbert

Titel/Untertitel:

Das I. Vatikanische Konzil 1963

Rezensent:

Stürmer, Karl

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 8

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lieh dem Urteil der Verf., Steffens habe „richtig erkannt, daß Arbeit wieder auf: Charles Hodge in Amerika in einer dreibän-
die veränderte Agende grundsätzlich von den Lutheranern hätte digen Systematischen Theologie, Eduard Böhl in einer Dogmaangenommen
werden können und daß die Union für den Fall, tik 1887, dje ausdrücklich eine „Darstellung der christlichen
daß sie wirklich so gemeint gewesen wäre, wie sie nach 1834 Glaubenslehre auf reformiert-kirchlicher Grundlage" sein will
erschien, keine Gefahr für das Bekenntnis in sich barg". Die - sie gehört der Kohlbrüggeschule an -, und eben Bavinck, der
Opposition Scheibeis dagegen sei lediglich dem Wissen um die sich nach seinem Studium als Pfarrer der kleinen christlich-
Gefahr entsprungen, „die in einer — auch zunächst nur äußer- reformierten Splitterkirche betätigte, um 18 82 bereits in Kam-
Iichen — Annäherung bestand" (147). Es daTf doch nicht über- Pen an dem Seminar dieser Kirche den Lehrstuhl für Systematik
sehen werden, daß es Scheibel in seinem ganzen Ringen um zu erhalten. 1902 folgte er Kuyper an der Freien Universität
das konfessionelle Prinzip ging und daß er die Agende deshalb zu Amsterdam.

ablehnte, weil sie sich gerade durch die indifferentistische Aus- Bavinck hat Schule gemacht, in den Niederlanden und in
tauschbarkeit zahlreicher Formulare nicht als Buch der Kirche, gleichgestimmten Kreisen in Nordamerika, wie die beiden einsondern
als Instrument der Union erwies. Dennoch kann man bändigen Dogmatiken von Louis Berkhof und dem unentweg-
Ingetraut Ludolphys Buch nur warm empfehlen. Es hellt ein bis- ten Barthgegner Cornelius van Til zeigen, die ganz nach dem
her noch ziemlich ungeklärtes Kapitel aus der Entstehung der Schema und mit dem Material Bavincks gearbeitet sind. Ein
Ev.-luth. (altluth.) Kirche auf und gibt überhaupt einen Iebendi- heutiger Leser Bavincks wird einen weithin fundamentalistisch
gen Einblick in ein bedeutsames Stück Kirchengeschichte des wirkenden Biblizismus konstatieren, ein recht umfassend vorvorigen
Jahrhunderts. Sehendes problemeeschichtliches Aufarbeiten und Einfügen
Obcriirscl/Tanniis Gerhard Rost tneologieeeschichtlichen Material« beobachten und mehr oder

weniger überrascht sein über die Entdeckung, daß der Neu-

^Bremmer, R. H.: Herman Bavinck als dogmaticus. Kampen: ™0m>smus des 19. Jahrhunderts und die reformierte Scholastik

J. H. Kok 1961. XII, 457 S., 1 Taf. gr. 8°. Lw. hfl. 18.75. . 17- Jahrhunderts einen so engen Bund eingegangen sind, um

Die ursprünglich als Dissertation verwendete Arbeit aus 1™?*''™?^™™" C1a,v,inisrn"si zu erzeugen. Daß das nicht nur

der Gereformeerden Vrijcn Universiteit in Amsterdam beschäf- sSt,vTVt~.^ z" beodcu^n braucht, sondern auch zur grund-

tigt sich mit dem Dogmatiker der aus der Spaltung am Ende 0le.n Knt* Anlaß gibt, läßt zwar Br. nicht erkennen, er

des 19. Jahrhunderts unter Kuypers Leitung entstandenen . ™* vielmehr, Bavincks Dogmatil zeige die Züge des Klassi-

niederländischcn calvinistischen Kirche, mit Herman Bavinck v 'nwieweit das ein Lob ist, wäre durch umfassendere

(1854-1921). Br. konfrontiert ihn in einem ersten Teil den 0ri'e!*e. ^mistellen, die sich besonders auf die reformierte

Zeitgenossen, Kuyper, zu dem das Verhältnis durchaus nicht Z^^Sl 20 Recken hätten. Dazu kämen Erwägungen, die

ganz spannungsfrei war, den Ethischen und den Modernen: die TJZf^?™ .P,,ol<omcna ^apologetischen Materi-

Gruppcnbczcichnungen entstammen niederländischen Entwick- yT " f SÄ"? L uT/ r, c

lungen auf dem theologischen Feld. Im zweiten Teil (151-309) m* ^ M.an ™th'h« ?n E-ngehen auf die da-

analysicrt Br. die Dogmatil Bavincks, die 1895-1901 zum er- ™ **%}]tm Proj>leme' d,e Methode des Referats ist zu seiter.

sten Male erschien, dann 1906- 1911 in zweiter veränderter d"e e"erj;,s* *enu* verlassen. Ware das geschehen, wäre

Ausgabe endgültig fixiert wurde, um 1918 und 1928-1930 noch J Je?ncTÄ t T™* n '? U"Sere n/'

zweimal nachgedruckt zu werden. Br. bildet vier Kapitel aus ^Tf"™J' auf Fragestellungen unserer Zeit bezogen. Die

den dogmatischen Hauptthemen, die die ganze Dogmatik durch- Kuvn ™ / v i Theologie hat ja se.t dem Tode

iv», Inn . i •• 11. „ „:„,UHr,rl;rro rWmaHV hier '^"ypers und Bavincks gerade auf dem Felde einer Lehre von

messen, so daß Bavincks mächtige vicrbandigc DogmatiK nier « R »

;„ . al n t __Arn-„n t»;l Ca11 397t , oibe ais jem Worte Gottes (Assen!) in ihrer Mitte einiges

in einem Abriß erscheint. In einem dritten 1 eil (iw—iv-i) j^-a , . ... ... a £-l t.

p- .1,. i i * j___« i__... ,. j,t n_ • „retpn uurcr|gemacht, das noch starker, als in den Ausführungen Br.s

„Kuckblick und Ausschau betitelt, versucht br., in einem ersten .. . , , , , , _

K._,. i ,. , t- .,___« . „„„„ p„cirir,ncli<»<:tim- ur 317 ft. zu spuren ist, ganze Lehrkomplexe in Bewe-

apitcl „Kultur und Evangelium „eine neue Kositionsbestim 0.p . f., , , ,, | , . ,

_,,,„ . tl i j ty__;„ j»r Vnlmr- »ulli< gebracht hat, von dem, was sich außerhalb der anscheinend

nuing der reformierten Theologie und Dogmatik in der Kultur- , ^

/ d , j_ wy.j, ..„_ .„_„ i„:J-r „iHit , recht dichten Kirchengrenzen der Gereformeerden Kerken

weit seiner (sc. Bavincks) Zeit (313). Man kann leider nient £ Jj____-jj. . V? . ■ . , .

j n j. t i . ' j • o: j „ M„ß„ »rrpirht - cnesem Gebiet bemerkbar gemacht hat, ganz zu schweigen,

sagen, daß die6 Ziel in irgendeinem zutreffenden Maße erreicht Cf> , »* r j

5c* c j • i l j Ti,„ni^.n -mmpUt J; en 2U weit Draußenstehenden b eibt in dieser Form der

ist. Es werden vie mehr Stimmen anderer Iheologen, zumeisr Dar<;ri>ll„„„ d j j. n ■__, ._ . - j. c j

„. . , „ . , , 7 v i D j. *u^l^icrripn -^Stellung Bavinck noch allzu stark ein dogmatischer Sonder-

glcichcr Herkunft, aber auch etwa Karl Barth, zu theologischen s

tu i • n . i . . t~ • i, vi J.U v,.rT 8' was er eigentlich nicht ist.

Ihemen bei Bavinck zitiert. Ein zweites Kapitel schildert kurz Erlangen Jan Woorda
zusammenfassend Bavinck als Dogmatiker und gibt interessante

Aufschlüsse über die Würdigung, die Bavinck gefunden hat, auch Butler, Cuthbert: Das I. Vatikanische Konzil. 2. Aufl. Übers.,
Uber seine eigene, nicht gerade durchsichtig zu machende bin- eingeleit. u. mit einem Nachwort versehen von Hugo Lang. Mün-
stcllung zu seiner Dogmatik in den späteren Jahren. Diese dien: Kösel-Verlag [1961]. 540 S. 8°. Lw. DM 22.50.
Seiten ergänzen in wünschenswerter Weise manche Angaben im Die Dokumentation und Geschiditsschreibung des Vatika-
ersten Teil. Der Anhang bringt einen Briefwechsel aus dem nischen Konzils wurde zunächst von der Opposition in die Hand
Jahre 1895 mit dem Pfarrer ten Hoor über Kuypers Enzyklo- genommen. Enttäuscht über den Ausgang des Konzils suchte
Pädie, eine eingehende Bibliographie, Literaturangaben und ein Johannes Friedrich in seiner dreibändigen „Geschichte des Vati-
Namensregister, kanischen Konzils" (1877—1887) in die Machenschaften hinein-
Das Geschichtsbild, in das Bavinck hineingehört, hat Br. zuleuchten, die nach seiner Ansicht die freie Beratung auf dem
n'cht nachgezeichnet. Die systematische Theologie, die Themen Konzil unmöglich machten, — ähnlich wie Paolo Sarpi es in seiend
Denkformen der alten reformierten Dogmatik aufnahm, ner Geschichte des Tridentiner Konzils getan hatte. Und wie
"War gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit Mursinna, Endemann einige Jahrzehnte später der Jesuit Sforza Pallavicino Sarpis
u- a. ans Ende gekommen und setzte sich nicht ungebrochen in Aufstellungen richtigstellen sollte, so folgte auf Friedrich die
das 19. Jahrhundert fort. Bezeichnend sind die historischen Dar- Geschichte des Vatikanischen Konzils von dem Jesuiten Theodor
Stellungen, die AI. Schweizer (Die Glaubenslehre der ev.-ref. Granderath (1903-1906). Carl Mirbt kam bei seiner UnterKirche
1844/47) und H. Heppe (Die Dogmatik der ev.-ref. Kirche suchung der doppelten Geschichtsschreibung des Vatikanischen
1861) lieferten; beide suchen aus den alten, unter sich einiger- Konzils (Historische Zeitschrift 1908, S. 529ff.) zu einem ähnmaßen
zusammenstimmenden Quellen die dogmatischen Aussa- "dien Ergebnis wie Ranke über Sarpi und Pallavicino: Obwohl
gen zusammen - die reformierte Dogmatik ist eine vergangene die Jesuiten umfassendere Aktenkenntnis hatten als die Oppo-
Größe geworden. Da tauchen gegen Ende des Jahrhunderts zu- nenten, war die Zuverlässigkeit ihrer Darstellung durch das
bindest drei Dogmatiken auf, die sich nicht damit begnügen, apologetisch-tendenziöse Interesse getrübt,
••nur" historische Berichterstattung zu leisten. Sie nehmen am Es bedurfte weiterer dreißig Jahre, bevor die Veröffentli-
Taden der Systematik reformierter Theologie die dogmatische aiung der Akten des Vatikanischen Konzils (Mansi 49 bis 53,