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Ausgabe:

1963

Spalte:

601-602

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Gauly, Heribert

Titel/Untertitel:

Das einfache Auge 1963

Rezensent:

Dilschneider, Otto A.

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Seite 1

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601

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 8

602

Offenbarung (114). Die Vernunft wird die natürliche Bedingung
der Möglichkeit der Theologie als Wissenschaft (ohne
freilich Maßstab für den Inhalt der Offenbarung zu werden,
132). Wichtig ist die durch Calixts Grundunterscheidung ermöglichte
Bestimmung der Aufgabe der theologischen Wissenschaft
: Sie ist nur für diejenigen nötig, die an der Leitung der
Kirche teilhaben. Damit „nimmt Calixt den Grundgedanken
des Schleiermacherschen Theologiebegriffs vorweg" (95). Von
den Pflichten des kirchlichen Amtes her ergibt sich im einzelnen
die Aufgabenteilung in Heilslehre, Sittenlehre und Lehre von
der Kirchenleitung, schließlich auch Lehre von der Herstellung
und Bewahrung der Einheit der universalen Kirche (150 ff.).

Aus den Trümmern des Theologiebegriffs Calixts sieht
Verf. „die Bausteine genommen, mit denen anderthalb Jahrhunderte
später Joh. Sal. Semler und dann noch einmal ganz
neu Schleiermacher die Fundamente ihres Theologiebegriffs gelegt
haben" (161). Man möchte wünschen, daß die eindringende,
auch an Einzelbeobachtungen reiche Studie einmal eine Fortsetzung
im Sinne der in den Vorbemerkungen (1) umrissenen
Aufgabe fände, die Geschichte des lutherischen Theologiebegriffs
über Spener und Semler bis zu Schleiermacher zu verfolgen
. Im Lichte der weiteren Entwicklung dürfte die ganze
Tragweite der vom Verf. aufgezeigten Scheidung im Theologiebegriff
der Orthodoxie deutlich werden.

Mainz Hermann Schüssler

''Gauly, Heribert: Das einfache Auge. Die Lehre des P. Jeremias
Drexel S. J. über die „recta Intentio". Mainz: Matthias-Grünewald-
Verlag [1962]. 140 S. 8°. Kart. DM 14.80.

Der katholische Theologe H. Gauly legt uns eine Studie
vor, die unter Anleitung und Betreuung von Prof. Dr. Joh.
Kraus, Mainz, entstanden ist. Jeremias Drexel 1581—1638, Hofprediger
beim Kurfürsten Maximilian I. in München, war einer
der erfolgreichsten und angesehensten aszetischen Schriftsteller
seiner Zeit. Weil Drexels Gedanken immer wieder auf das
Herrenwort Mt. 6, 22 „Ist dein Auge einfach, dann wird dein
ganzer Leib licht sein" zurückkommen, hat Gauly die Studie
unter das Thema „Das einfache Auge" gestellt. Drexel formuliert
selber: „Was wird durch das Auge . .. anders ausgedrückt
als die seinem Werk vorausgehende Hinwendung (Intentio) des
Herzens ?" Um was geht es bei der recta intentio: „Recht ist
diejenige Intentio, welche bei ihrem Tun Gott als Ziel gesetzt
hat, oder: welche alles auf den Ruhm und die Ehre Gottes
bezieht" (21). Also nicht darum geht es, an sich zu denken
oder Gott zu gefallen, sondern allein um das Servire Deo
solum propter Deum (21, 31, 35). Daher muß alles, was der
Ich-Liebe dient, die rechte Intentio ausschließen (37,49).
Solche richtige Intentio führt zu einer personalen oder existentiellen
Ethik: „Der Opfernde . . . muß also sich selbst dazugeben
. . ." (54). Opfer ist dann immer Selbstopfer des Opfernden
(54). Die recta intentio darf nicht nur auf den Bereich der
Gesinnung abgegrenzt werden und dann als ein Bestandteil
einer Gesinnungsethik angesehen werden. Der richtigen Intentio
muß auch die Tat folgen. Zwei Dinge gehören also immer zusammen
: „Das opus bonum und die. bona et recta intentio"
(S. 75, 81). Auf Seite 82 gibt dann Gauly eine Zusammenfassung
in Thesen, um dann einen Vergleich zwischen Drexel und
dem Abt der Benediktinerabtei Liessies, Ludovicus Blosius
(Ludwig Graf von Blois), 1506—1566, durchzuführen.

Der Unterschied zwischen Blosius und Drexel beruht im
wesentlichen darin, daß Blosius Mystiker ist. Ihm geht es um
die Vereinigung des Menschen im Seelengrund, einen Vorgang,
den der Mensch erleidet, und der den Menschen in eine passive
Haltung versetzt. Hingegen ist Drexel wesentlich aktiver eingestellt
und verbindet seine Intentio stark mit voluntaristi-
schen Zielen und Kräften des Menschen (S. 97). So verkörpern
diese beiden im Grunde zwei Polaritäten geistlicher Existenz:
die Mystik und die Aszese (S. 107).

In einem letzten Teil legt Gauly dar, wie stark Drexels
Denken von der Gesellschaft Jesu und ihrem Gründer Ignatius
von Loyola beeinflußt gewesen ist, was ohne weiteres auch verständlich
ist (S. 109 f.).

Das Solus dei gloria im Verständnis der recta intentio
und das existentielle Moment der Selbsthingabe als Selbstopfer
zeigen, wie nahe sich hier evangelisches und katholisches Denken
kommen können. —

Berlin Otto A.D il s ch n e i d e r

Fabian, Ekkehart, Dr. phil.: Urkunden und Akten der Reformationsprozesse
am Reichskammergericht, am kaiserlichen Hofgericht
zu Rottweil und an anderen Gerichten. I. Teil: Allgemeines 1530
— 1534. Quellenbuch zur Geschichte des „rechtlichen Krieges" gegen
protestierende Fürsten und Städte vom Augsburger Reichstage bis
zur Rekusation des Kammerrichters und der Mehrheit der Beisitzer
des Kaiserlichen Kammergerichtes zu Speyer in Religionssachen
bearb. u. hrsg. Mit einem Geleitwort von R. Smend. Tübingen 1961
(zu beziehen durch: Osiandersche Buchhandlung, Tübingen, Wil-
helmstr. 12). 315 S. 8° = Schriften z. Kirchen- u. Rechtsgeschichte.
Darstellungen und Quellen, hrsg. v. E. Fabian, H. 16/17. Kart.
DM 25.40.

Die verdienstvolle Sammlung kann hier nur kurz angezeigt
werden, da sie, wie der Herausgeber in der Einleitung (S. 15)
ankündigt, noch durch einen Darstellungsband (Heft 27 der
oben genannten Schriftenreihe) ergänzt werden soll. Aus diesem
Grunde sind die einzelnen Aktenstücke nicht mit Regesten versehen
, was zunächst bis zum Erscheinen des Darstellungsbandes
die Benutzung erschwert. Die fehlenden Regesten können
auch nicht durch das sorgfältige Personen- und Ortsregister
ersetzt werden. So muß auf Einzelheiten in dieser Anzeige verzichtet
werden.

Im allgemeinen läßt sich sagen, daß die Aktenstücke einen
bedeutsamen Abschnitt der Reformationsgeschichte widerspiegeln
. Er ist, wie im Vorwort von Rudolf Smend hervorgehoben
ist, auch von besonderem rechtsgeschichtlichem Interesse
. Der kalte Krieg zwischen den Religionsparteien wurde
viele Jahre hindurch als ein „rechtlicher Krieg" geführt, bis er
schließlich im heißen Schmalkaldischen Krieg ausmündete.
Smend weist mit Recht darauf hin, daß durch die Menge der
gerichtlichen Verfahren eine „Judizialisierung" der von der
Reformation hervorgerufenen politischen und religiösen Spannungen
eintreten mußte. Sie hat bewirkt, daß das Verhältnis von
Staat und Kirche in Deutschland von jeher als ein verfassungsrechtliches
Problem empfunden wurde, das in erster Linie die
Jurisprudenz und erst in zweiter Linie die Theologie berührt,
während in anderen Ländern, z. B. in den Niederlanden, die
theologische Problematik im Vordergrund steht.

Das vorliegende Heft 16/17 bringt zunächst einen Teil der
Urkunden und Akten des rechtlichen Krieges, da es nur die
Jahre 15 30 bis 1534 umfaßt. Eine Fortführung durch weitere
Bände ist geplant. Wenn das gesamte Material in dieser Weise
geordnet vorliegt, wird der Kirchen-, Rechts- und Verfassungsgeschichte
eine wertvolle Sammlung an die Hand gegeben sein,
die Hilfe und Anregung für weitere Forschungen geben kann.

Erlangen HansLiermann

Krenz, Otton: Polnische Demokraten des Reformationszeitalters.

Polnische Oekumenische Rundschau 1, 1962 S. 5—7.
Staedtke, Joachim: Gibt es einen offiziellen Text der Confessio

Helvetica Posterior?

Theologische Zeitschrift 19, 1963 S. 29—41.

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

L u d o I p h y, Ingetraut: Henrich Steffens. Sein Verhältnis zu den
Lutheranern und 6ein Anteil an Entstehung und Schicksal der altlutherischen
Gemeinde in Breslau. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
[1962]. 188 S. 8° = Theologische Arbeiten, hrsg. v. H. Urner,
Bd. XVII. Hlw. DM 11.80.

Drei Breslauer Universitätsprofessoren waren mit der
schlesischen lutherischen Opposition gegen die Union aufs
engste verbunden: der Theologe Johann Gottfried Scheibel, der
Jurist Georg Philipp Eduard Huschke und der Naturwissenschaftler
und Narurphilosoph Henrich Steffens. Scheibel, in dem
eigentümlichen und lebendigen schlesischen Luthertum wurzelnd
, muß als der eigentliche geistliche Vater und Begründer
der unionsfreien lutherischen Bewegung gelten. Huschke, von