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Ausgabe:

1963

Spalte:

598-599

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Sources 1963

Rezensent:

Trautz, Fritz

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 8

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seit 1450 hatte man ihn gedrängt, was er gelesen und gelernt
hatte, auch in eigenen Schriften zu verwerten, und das tat er
seitdem fast im Übermaß. Mehrmals hat er, zuletzt 1474, mit
kurzen autobiographischen Angaben aufgezählt, was er alles
geschrieben hatte, wo und für wen; und im Bücherkatalog der
Erfurter Kartause, der bald nach seinem Tod angelegt, um 1480
abgeschlossen wurde, sind 8 5 von ihm dort hinterlassene Handschriften
verzeichnet, größtenteils von ihm selbst geschrieben
(leider z. T. schwer leserlich und papiersparend), das meiste von
ihm verfaßt, exzerpiert oder kompiliert, oft zu dicken Sammelbänden
zusammengefaßt. Die ausführlichen Inhaltsangaben jenes
Katalogs hat nun J. Klapper im 2. Teil der vorliegenden Studien
abgedruckt (S. 1—3 8), dazu eine im Erfurter Domarchiv
erhaltene Handschrift mit besonders vielfältigem Inhalt sehr
eingehend beschrieben und ausführliche Auszüge daraus mitgeteilt
(S. 43—153). Die sonstige handschriftliche Verbreitung
hat er nicht festgestellt, nur 22 Handschriften exegetischen Inhalts
aus F. Stegmüllers .Repertorium biblicum medii aevi' notiert
und die wenigen älteren Drucke vermerkt (S. 3 8—41). Im
1. Teil entwirft er ein Bild vom Leben, Denken und Scharfen
des Kartäusers. „Eine systematische Aufgliederung des Stoffes
war nicht durchzuführen" (Vorwort); daher wiederholt sich vieles
wie bei dem Autor selbst, der das schon in seiner ,Retrac-
tatio' entschuldigte (2, 139f.); anderes muß man sich zusammensuchen
mit Hilfe des reichhaltigen Namen- und Sachregisters
(2, 154—189). Das umfangreichste Werk des Kartäusers, an dem
er unablässig arbeitete, ein Kommentar zu allen biblischen Büchern
nach dem vierfachen Schriftsinn, nach seiner eigenen Angabe
über 80 Quartbände, die nur teilweise erhalten sind, wird
ziemlich summarisch behandelt (1, 80—82); schon Zeitgenossen
fanden es „nicht selbständig durchdacht", sondern kompiliert
aus älteren Kommentaren und Glossen, die hier nur allgemeinverständlich
zusammengefaßt und durch einige Zusätze ergänzt
wurden. Ebenso bringt eine Weltchronik in drei Fassungen,
deren längste bis 1471 reicht, wohl nur Exzerpte und Übersichten
(1,125 f.). Weit aufschlußreicher sind viele Gelegenheitsschriften
, Gutachten und Ratschläge über Rechtsfragen,
über kirchliche Lehren und Bräuche oder Mißbräuche, über das
Fasten, den Ablaß, die Wallfahrten (auch nach Wilsnak), über
Zauberei und Wahrsagerei, vor allem aber über das rechte
Verhalten der Kleriker, Mönche und Laien, auch über das Verhältnis
zwischen Konzil und Papst u. dgl. Im Spiegel dieser
Schriften kann der Veif. vieles aus der Zeit- und Kulturgeschichte
beobachten, auch über Hagens Lektüre, Lehrer und
Ordensgenossen, über seine Einstellung zum Basler Konzil, zu
den Landesfürsten, zum Deutschordensland in 6einem Ständekrieg
bis 1466 und zur Bursfelder Reform, bei der er seinen
Bruder beriet. Zu alledem äußert er sich oft mit selbständiger
Entschiedenheit. Manchmal kommt er dadurch sogar mit seinem
eigenen Orden in Konflikt und zieht sich Verwarnungen
(schon 1452) und Klosterstrafen zu (1460 eine halbjährige, nach
1467 eine ganzjährige Klosterhaft), weil er seine rechtlichen
und moralischen Überzeugungen auch gegen die Interessen des
eigenen Klosters aufrecht verficht. Insofern mag man ihn einen
Reformtheologen nennen, obgleich er seltener als manche andere
Zeitgenossen von .reformatio' spricht, es sei denn die
verordnete Klosterreform, und sich in seiner ,Retractatio' damit
bescheidet, er habe ein Lehrer und Mahner zum Meiden der
Sünden, zum Befolgen der Tugenden 6ein wollen (2,139). Er
wußte selbst, daß er kein Gelehrter war, nur ein Lehrer, und
er wollte ganz gewiß kein Neuerer sein, sondern ein Bewahrer
und Hüter des Überlieferten gegen Entartung und Mißbrauch.
Der Verf. meint zwar im Vorwort: „Wir werden Zeugen von
Reformbestrebungen ernster und weitgreifender Art, die nicht
mehr in geordneten Bahnen religiöser Erneuerung zu dauernder
Wirkung kommen können" (obgleich doch Luther erst acht
Jahre nach Hagens Tod geboren wurde!). Aber auch wer 6ich
unter „kämpferischem Reformwillen" (1, 9) etwas anderes vorstellt
, wird doch den redlich-frommen Eifer des schreibfreudigen
Kartäusers anerkennen müssen und dem hochbetagten,
verdienten Verf. dankbar sein für eine so materialreiche Übersicht
über dessen Schriften.

München Herbert G r u n d m a n n

)fRoth, Francis, Rev., O.S.A.: The English Austin Friars 1249—1538.

II. Sources. New York: Augustinian Historical Institute 1961.

III, 572* S. gr. 8° = Cassiciacum, Studies in St. Augustine and the
Augustinian Order, Vol. VII (American Series). $ 6.50; geb.
$ 7.50.

Die vorliegende Quellensammlung, die zuerst in Teilen in
der Zeitschrift „Augustiniana" 195 8—61 erschienen ist, enthält
in 1177 Nummern Texte und Regesten, welche in chronologischer
Abfolge die Zeit von der Ankunft der Augustinereremiten
in England bis zur Aufhebung der englischen Niederlassungen
umfassen. Diesem zweiten und Quellenband soll aus
derselben Feder der erste und Darstellungsband in Kürze folgen
; er wird auch eine Beschreibung der benutzten Quellengruppen
bringen. Den Quellenband beschließt ein über 50 Seiten
starkes Namenregister. Eine vorläufige Übersicht über die
gedruckten und ungedruckten Hauptgrundlagen der Sammlung
bietet die dem Buch vorangestellte Abkürzungsliste. Aus den
durch Regesten erschlossenen Archivalien der englischen Kanzlei
sind hier unter anderem die Calendars of Close (nicht „Closed")
Rolls und die Calendars of Patent Rolls erwähnt, wovon sich
die letzteren als weitaus ergiebiger erweisen. Als einen kleinen
technischen Mangel empfindet man es, daß der Bearbeiter im
allgemeinen nicht, wie üblich, CPR oder Cal. Pat. Rolls mit den
Grenzjahren des jeweiligen Bandes (z. B. 1381—85) zitiert, sondern
lediglich „Pt." mit Seitenangabe vermerkt. Denn das Datum
der Dokumente bezeichnet nicht ohne weiteres den Band,
da die Rollen und mit ihnen die Regestenbände (Calendars)
nach Regierungsjahren rechnen und daher innerhalb eines
Kalenderjahres beginnen bzw. abbrechen. Doch sei gleich hervorgehoben
, daß Rev. F. Roth sehr oft von den Regesten auf die
Vorlagen selbst zurückgreift und zum erstenmal den vollen
Text veröffentlicht. Von den kirchlichen englischen Quellen
haben die schon gedruckten und die noch nicht herausgegebenen
Diözesanregister sehr viel hergegeben. Die päpstlichen Genehmigungen
für Neugründungen hat der Bearbeiter, soweit sie in
den Papstregistern überliefert sind, im Wortlaut aufgenommen.
Von der Mitte des 14. Jahrhunderts an kommen als weitere
Hauptquellen die Register der Ordensgeneräle aus dem Augustinerarchiv
in Rom hinzu, aus denen aufgrund der Abschriften
von Rev. Alberico de Meijer hier viele Auszüge vorgelegt werden
. Von den Zeugnissen einzelner Niederlassungen ist das
Kopialbuch des ältesten englischen Augustinerkonvents, das
von Cläre in Suffolk, an erster Stelle zu nennen.

Rev. F. Roth hat sein Netz sehr weit ausgeworfen und in
unermüdlicher Arbeit ein überaus mannigfaltiges Material eingebracht
. Die Sekundärliteratur — von den einschlägigen Bänden
der „Victoria County History of England" bis zu Miszellen
an abgelegenster Stelle — ist für die Regesten und Anmerkungen
gründlich verwertet worden. Die knappen Angaben bei
Knowles und Hadcock (Medieval Religious Houses: England and
Wales, 1953) konnten in etlichen Punkten berichtigt werden.
Die angekündigte Darstellung wird den Rahmen viel weiter
spannen, als es in dem bisher wichtigsten Buch zum Thema, in
A. Gwynn's "The English Austin Friars in the Time of Wyclif"
(1940) beabsichtigt und möglich war. Man findet in dieser
Quellensammlung wiederholt bestätigt, was D. Knowles von
den Augustinereremiten festgestellt hat: "Though they retained
the name of Hermits they became in effect academic and
urban" (The Religious Orders in England, I, 1950, 201). Denn
zur Universitätsgeschichte läßt sich ihr so manches entnehmen;
auch für die Frühzeit der deutschen hohen Schulen ist hier
einiges von Belang. So finden wir Bruder Gyso von Köln, der
später an der Gründung der Universität seiner Heimatstadt
Anteil hatte, aufgrund einer Nominierung des Generalkapitels
seines Ordens 1368 als Studenten in Oxford — wozu man im
übrigen jetzt auch Emden's "Biographical Register" vergleichen
kann. Dasselbe gilt von Johann Zachariae aus der Sächsischen
Ordensprovinz, der 1384 in Oxford studierte und 1410 Professor
in Erfurt wurde. 1388 erhielt Bruder Berthold Puchhauser
aus Regensburg — später Professor in Wien — einen Studienplatz
in Oxford. 1 3 89 wurden Johann von Herford und Johann
von Stargard Studienplätze in Cambridge zugewiesen. Die Reihe
ließe sich beträchtlich verlängern. Die Unterlagen für sie sind