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Ausgabe:

1963

Spalte:

596-597

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Klapper, Joseph

Titel/Untertitel:

Der Erfurter Kartäuser Johannes Hagen 1963

Rezensent:

Grundmann, Herbert

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595

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 8

596

Beare, Francis Wright, Prof., Ph. D.: The Earliest Records of Jesus.

A Companion to the Synopsis of the first Three Gospels by
A. Huck. Oxford: Blackwell 1962. 254 S. 4°. Lw. 35 s.

Der am Trinity College in Toronto, Ontario (Kanada)
lehrende Neutestamentier Frank Beare ist der weiteren Öffentlichkeit
bisher aus in Zeitschriften veröffentlichten Aufsätzen
und aus einigen Publikationen in Buchform über die Briefliteratur
des Neuen Testaments bekannt worden. In seinem
hier angezeigten neuen Werk "The Earliest Records of Jesus"
hat Professor Beare die synoptischen Evangelien und die ihnen
zugrundeliegende Überlieferung der Urgemeinde zum Gegenstand
einer sowohl umfangreichen wie genauen und eindringlichen
Untersuchung genommen. Die Anlage des Buches ist von
verblüffender Einfachheit: Beare folgt der Anordnung des „Stoffes
" in der Sequenz der in Albert Hucks Synopse der drei
ersten Evangelien gebotenen Einteilung in Abschnitte und
Einzelparagraphen. Die synoptischen Perikopen oder sonstigen
Erzählungseinheiten werden gemäß ihrer Gliederung und Zusammenstellung
in Hucks Synopse fortlaufend erörtert und jeweils
nach dem Verwandtschafts-, bzw. Verschiedenheits- Verhältnis
der Parallelen in den einzelnen Evangelien untersucht.
Dabei ist das Bemühen Beares darauf gerichtet, zur frühesten
Stufe der Überlieferung von Jesu Worten und Taten vorzudringen
. Er unterscheidet zwischen der redaktionellen Ausgestaltung
des Überlieferungsstoffes durch einzelne Evangelisten
und traditionellen Erzählungseinheiten. Darüber hinaus erwägt
er, welcherlei Einflüsse sich im Stadium der vorliterarischen
Transmission auf die Weitergabe des Traditionsstoffes ausgewirkt
haben mögen, und versucht unter Abrechnung dieser
Einflüsse soweit wie möglich die Urform der Berichte über Jesu
Wirken zu erschließen. Des Verfassers Ziel ist, wenn nicht zur
,,Quelle" selbst, so doch zu dem ältesten, vorsynoptischen
Überlieferungsgefälle vorzustoßen. Zum Vergleich mit der uns
aus den synoptischen Evangelien erkennbaren Prägung der
Tradition zieht Beare auch die Formen der im koptischen
Thomasevangelium enthaltenen Sprüche Jesu heran, um zu demonstrieren
, welcherlei Wege die urgemeindliche Überlieferung
in verschiedenen Milieus durchlief, bevor sie unter dem Druck
kommunaler Bedürfnisse und individuell-schriftstellerischer Zielsetzungen
verschiedentlichen literarischen Ausdruck fand.

Die Simplizität der Anlage des Beareschen Buches mag auf
den ersten Blick den Eindruck hervorrufen, daß es sich um ein
Werk handle, das „nur" für Studenten oder Seminaristen geschrieben
sei, um sie mit den Prinzipien kritischer neutesta-
mentlicher Exegese vertraut zu machen und Beziehungen aufzuklären
, welche zwischen Parallelberichten der synoptischen
Evangelien bestehen. Dieser Eindruck verflüchtigt sich, rasch,
wenn man das Buch aufschlägt und darin herumblättert. Trotz
des bescheidenen Untertitels „a companion to Huck's Synopsis"
ist Beares Buch ein Werk, dem unbestreitbar ein Eigenwert zukommt
. Das Ziel, das der Verfasser sich gesetzt hat, ist viel
weiter gesteckt als ein Buch zu schreiben, das als Begleitmittel
beim Lesen der Huckschen Synopse benutzt werden mag. Faktisch
verdankt Beare dieser Synopse nicht mehr als den allgemeinen
Aufriß seines Buches und die fortlaufende Folge seiner
eigenen Darlegungen. Im Rahmen der Huckschen Paragraphen-
anreihung unternimmt Beare eine scharfsinnige und gründliche
Untersuchung der Wechselbeziehungen zwischen den uns in den
synoptischen Evangelien überlieferten Formulierungen des Traditionsstoffes
, indem er die Abweichungen der matthäischen
oder lukanischen Prägung vom Markustext prüft und die
Gründe erörtert, durch welche die späteren Evangelisten sich
veranlaßt gesehen haben mögen, sich von ihrer Vorlage zu entfernen
. Dieselbe Methode wird in bezug auf die „Spruchquelle"
befolgt, die den Parallelperikopen des Matthäus- und des
Lukas-Evangeliums zugrundeliegt. Damit sieht jedoch der Verfasser
seine Aufgabe nicht als beendet an. Er unternimmt es
darüber hinaus, den Entwicklungsgang aufzuzeigen, der von den
ersten Anfängen der Erinnerung an Jesus und der Überlieferung
über Jesu Wirken zur Fixierung der Tradition führte. Sein Buch
enthält sachliche und aufschlußreiche Darlegungen darüber,
welche Erwägungen für die Weitergabe frühester Überlieferungsstücke
maßgeblich waren „and to inquire into the motives and
methods of the Evangelists in giving them forth in literary
form". Die aus den synoptischen Evangelien noch erkennbare
Verschiedenheit der Auslegung derjenigen Traditionsgebilde,
die einer ursprünglich gemeinsamen Überlieferung entstammten,
gibt Beare den Anlaß, schon im vorsynoptischen, vorliterarischen
Stadium nach Abzweigungen sekundärer Traditionsprägungen
von der primären Form zu forschen und darzulegen, inwiefern
es die Bedürfnisse der Tradenten waren, die sich in der Umprä-
gung und Uminterpretierung des Traditionsstoffes kundgaben.

Beares „The Earliest Records of Jesus" kennzeichnet sich
durch des Verfassers souveräne Beherrschung des vielschichtigen
Stoffes. In dieser flüchtigen Ankündigung des Buches kann nicht
mehr gesagt werden, als daß es sich um eine hohe wissenschaftliche
und verantwortungsbewußte Leistung handelt. Obwohl
kein Ikonokiast, ist der Verfasser in seinem Urteil sehr
ausgesprochen. Sein Buch ist frei von nebulosen Phrasen und
von allem dumpfen Kathederkonservativismus. Es darf gehofft
werden, daß gerade die ungewohnte Gliederung seiner Ausführungen
in der Folge der Huckschen Perikopeneinteilung diesem
Buch weite Verbreitung sichern wird. Daß es im Laufe der
Jahre auch tiefere Wirkung haben wird, daran ist schon jetzt
kaum zu zweifeln. Beares Buch verdient eine solche Wirkung in
vollem Maß, denn es ist ein sachliches, unerschrockenes, ausgezeichnet
geschriebenes und ausgezeichnet unterrichtendes Buch.

London Paul Winter

Bartsch, Hans-Werner: Der soziale Aspekt der urchristlichen Pa-

ränese von ihrem Ansatzpunkt her.

Communio Viatorum 5, 1962 S. 255—260.
Borsch, F. H.: The Son of Man.

Anglican Theological Review 45, 1963 S. 174—190.
D a y, Peter: The Practical Purpcwe of Second Thessalonians.

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Fuchs, Ernst: Existentiale Interpretation von Römer 7,7—12 und

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Käsemann, Ernst: Zum Thema der urchristlichen Apokalyptik.

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M a r x s e n, Willi: Der Auferstehungsbericht.

Kirche in der Zeit 18, 1963 S. 86—90.

KIRCHENGESCHICHTE: MITTELALTER

Klapper, Joseph: Der Erfurter Kartäuser Johannes Hagen. Ein Reformtheologe
des 15. Jahrhunderts. I.: Leben und Werk. IL: Verzeichnis
seiner Schriften mit Auszügen. Leipzig: St. Benno-Verlag
1960/61. X, 133 S. u. VII, 189 S. gr. 8° = Erfurter Theologische
Studien, hrsg. v. E. Kleineidam u. H. Schürmann, Bd. 9 u. 10. Kart.
DM 9.— u. DM 10.25.

Mehr als 400 Schriften sehr verschiedenen Inhalts und Um-
fangs — nach eigener Angabe in seiner späten .Retractatio' sogar
über 500, s. Teil 2 S. 139 — verfaßte im dritten Viertel des
15. Jahrhunderts der Kartäuser Johannes Brewer (oder Bruwer?
s. 2, 124 u. 128; sein jüngerer Bruder, der 1469—81 Abt des
Benediktinerklosters Ilsenburg bei Wernigerode war, wird in
zwei deutschen Urkunden 1482'4 Hinrik Gruben genannt, s.
1, 17). Et wurde 1415 in einem Dorf bei Stadthagen (östl. von
Minden im Schaumburgischen) geboren und nannte sich nach
dieser Stadt ,(von) Hagen', latinisiert ,de Indagine' (unter diesem
Namen im Lex. f. Theol. u. Kirche 2V, 1960, 1043; vgl.
Dict. de theol. cath. VI, 2029 f.) oder meistens Jndaginis'. Er
begann 1439 in Erfurt die Rechte zu studieren, entschloß sich
aber schon im nächsten Jahr, dort Kartäuser zu werden, ohne
sein Studium mit dem Magister- oder Doktorgrad abzuschließen
. 1454—56 war er Prior in Eisenach, 1457—60 in Erfurt;
dann wurde er offenbar wegen eines Konflikts mit seinen
Oberen in andere von dort aus visitierte Kartausen nach Frankfurt
/Oder und Stettin, vielleicht auch nach Rostock geschickt,
bis er 1465 nach Erfurt zurückkehrte, wo er 1475 starb. Schon