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Ausgabe:

1963

Spalte:

569-582

Autor/Hrsg.:

Dörries, Hermann

Titel/Untertitel:

Griechentum und Christentum bei Gregor von Nyssa 1963

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 8

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dem besten Leben". Weil der Heilige Geist unter uns am Werke
ist, gilt, daß die von ihm Ergriffenen „mit ernstlichem Vorsatz
nicht allein nach etlichen, sondern nach allen Geboten Gottes
anfangen zu leben" (Fr. 114). Weil wir durch den Geist „in
Christus" sein dürfen, läßt Gott die Anfänge solchen Tuns vor
sich gelten. „In Christus" sind solche Werke nicht ein Nichts!

Dieser Neuaufbruch in unserer mit Haß erfüllten Welt geschieht
in der Schar derer, die nach dem Herrn Christus benannt
sind und an der Fülle des Heiligen Geistes, die ihm gegeben
ist, Anteil erhalten (Fr. 32). Der Geist Gotte6 ist ja nicht
der Geist einer fernen, anderen Welt; vielmehr will er, obwohl
er die Kraft aus der Höhe ist, hier in unserer Welt die Menschen
ergreifen und ihr Leben neu gestalten. Durch ihn ist
Christus unter uns am Werke, um Menschen zu wandeln. So
gewiß er lebt, dürfen wir vertrauen, „daß wir, obgleich er im
Himmel und wir auf Erden sind, dennoch . . . von einem Geist
(wie die Glieder unseres Leibes von einer Seele) ewig leben"
(Fr. 76). Seine Gemeinde ist die Schar, in der Christus sich
durch seinen Geist in dieser Welt auswirken will (Fr. 32); sie
ist nicht die Summe der Kirchensteuerzahler oder ein religiöser
Klub, unverbindlich wie der Kreis derer, die sich einmal auf
Tagungen oder in Akademien treffen! Sein Heiliger Geist will
durch uns hindurch herrschen; nicht der Geist einer Konfession,
einer frommen Gemeinschaft oder eines Klubs soll unter uns
Gestalt gewinnen. Jesus Christus will die zerrissene Menschheit
nicht noch religiös aufspalten; vielmehr will er sie im wahren
Glauben einigen. Dazu ruft er sich mächtig durch seinen Geist
und Wort eine fürs ewige Leben bestimmte Gemeinde zusammen
(Fr. 54). Wir müssen die Ausdrucksweise des Heidelberger
hier genau beachten. Betont hebt er den Geist hervor, wenn er
sagt, „daß der Sohn Gottes . . . sich eine auserwählte Gemeinde
zum ewigen Leben durch seinen Geist und Wort. . . versammle".
Das ist ja heute unsere große Not, daß die Predigt des Evangeliums
hin und her im Lande geschieht, daß ihr aber die Kraft
fehlt, Menschen anzulocken, zu versammeln, zu befreien von
ihrer Resignation oder Ideologie und zu wandeln. Das geschieht
nur, wenn der Herr selber seinen Geist ausgießt und sein Wort
kräftig macht, daß es die Menschen ergreift und erweckt. Wir
dürfen ein jeder unsere Gaben, die wir vom Herrn Christus
durch 6einen Geist empfangen, „zu Nutz und Heil der anderen
Glieder willig und mit Freuden" anlegen (Fr. 55). Müder Verzicht
gilt unter Christenmenschen nicht! Jeder einzelne wird
durch den Heiligen Geist zum Bekennen getrieben (Fr. 32).
Aber gerade, wenn wir als Glieder der Gemeinde nicht schlafen
, sondern uns regen, werden wir wissen, daß Christus es ist,
der durch seinen Geist die Gemeinde baut, und nicht wir,
deren er sich dazu als Werkzeuge bedient. Gerade als aktive

Gemeindeglieder werden wir in einer Zeit der geistlichen Dürre
nicht hin und her laufen und dieses oder jenes uns ausdenken,
um den Schaden zu bessern, sondern mit dem Heidelberger
beten: „Regiere uns also durch dein Wort und Geist, daß wir
uns dir je länger je mehr unterwerfen; erhalte und mehre
deine Kirche!" (Fr. 123). Das ist es, was wir als Gemeinde heute
nötig haben: den Ruf aus der Tiefe: „Komm', Heiliger Geist!"

Dieser Ruf kann nicht ins Leere gehen. Jesus Christus, der
die Fülle des Geistes hat, ist unser Haupt und Herr, „der uns
mit seinem Wort und Geist regiert und bei der erworbenen
Erlösung schützt und erhält" (Fr. 31). Er gibt seine gnädige
Herrschaft nicht auf; er wirkt durch seinen Geist und sammelt
sich seine Gemeinde, auch wenn wir wenig davon zu verspüren
meinen. Blicken wir nicht kritisch auf die anderen, sondern
denken wir daran, daß er uns selber so durch sein Wort und
Geist regieren will, daß wir uns ihm je länger je mehr unterwerfen
(Fr. 123). Wenn es mit der Sache des Herrn nicht recht
vorangeht, sind wir selber, die Gemeinden nicht immer wieder
das Hindernis? Wir reden vom christlichen Abendland oder vom
Ende des Konstantinischen Zeitalters, wir machen uns unsere
Anschauungen über den Lauf der Dinge zurecht. Aber wir erwarten
keine Wunder des Heiligen Geistes unter uns! Von seinen
Wundern allein lebt die Gemeinde Christi auf Erden.

Im Heiligen Geiste darf sie hier schon das Leben ihres
Herrn leben (Fr. 76), mitten in allen Versuchungen und in
allem Gedränge „den ewigen Sabbat in diesem Leben" auf Erden
anfangen (Fr. 103). In allen Widerwärtigkeiten versichert
Jesus Christus uns „durch seinen Heiligen Geist des ewigen
Lebens" (Fr. 1). Sein Geist tröstet uns und wird bei uns bleiben
bis in Ewigkeit (Fr. 5 3). Wir haben den Heiligen Geist nicht
zu unserer Verfügung; aber er läßt uns nicht, und das ist da6
Entscheidende! Im Gegenteil! Er rüstet uns zu guter Ritterschaft
gegen den Teufel, die Welt und unser eigen Fleisch, „auf
daß wir ihnen mögen festen Widerstand tun und in diesem
geistlichen Streit nicht unterliegen, bis daß wir endlich den Sieg
vollkömmlich behalten" (Fr. 127. Fr. 32). Kein rechtes Leben
der Gemeinde ohne die Ausrichtung, die mit dem Wörtlein
„bis" bezeichnet ist. Wir beten zum Herrn um die Kraft seines
Heiligen Geistes, „bis die Vollkommenheit deines Reiches herzukomme
, darin du wirst alles in allen 6ein" (Fr. 123), „bis daß
wir endlich den Sieg" über uns selbst und alles Böse vollkommen
erlangen. Das wird sein, wenn dies unser „Fleisch, durch
die Kraft Christi auferweckt, . . . dem herrlichen Leibe Christi
gleichförmig werden" wird (Fr. 57). Von der Kraft des Heiligen
Geistes nach dem Zeugnis des Heidelberger sprechen, heißt:
diese Neuschöpfung der Menschheit erwarten und verkündigen,
daß der Name des Herrn darüber „geehrt und gepriesen werde".

Griechentum und Christentum bei Gregor von Nyssa

Zu H. Langerbecks Edition des Hohelied- Kommentars in der Leidener Gregor - Ausgabe1

Von Hermann D ö r r i e s, Göttingen

Im Vorwort zur Gesamtausgabe, die sich mit berechtigtem liebenswürdig zu sein, darin anziehender als sein Bruder, der

Stolz „editio prineeps" nennt, blickt Werner Jäger auf ihre große Basilius!). Aber beim Erscheinen der ersten Bände 1920

fünfzigjährige Geschichte zurück und bedenkt, wie ein schweres verzagte der Initiator der Ausgabe an ihrer Weiterführung, mit

Geschick, das ihn aus Deutschland vertrieb, ihr den Weg ebnete: trauerndem Blick auf die trostlose Nachkriegs-Gegenwart. Jäger

in Harvard fand er die Mittel und Mitarbeiter für einen Neu- dagegen gab mit dem Wunsche, der ihn zu dieser Arbeit bewo-

beginn des nach hoffnungsvollem Anfang zum Erliegen gekom- gen hatte - den engen Beziehungen zwischen Piatonismus und

menen Werkes Christentum nachzugehen — auch seiner Entschlossenheit Aus-

Die in vol. I mitaufgenommene Einführung durdi Ulrich v. <|™dc die Ausgabe weiterzuführen Na* einer sdiönen Edition

Wilamowitz- Möllendorff erzählt, wie dieser eine ihm im Jahre der Opera ascetia (VI 1. ed. Jager), der opera dogma ica

1908 zum 60. Geburtstag gewidmete Spende bestimmt habe, ™>°ra (II , ,, cd. Fr. Muller) und dem Zweitdruck der Briefe

mit einer Ausgabe Gregofs von Nyssa späteren Forschern den 0011.2. ed. Pa.qu.li) erhalten jetzt die ernst in _ Berlin von

Weg in ein vernachlässigtes Gebiet" zu bahnen (Gregor selbst %/r edierten Bücher Contra Eunom.um ihren Platz In der Reihe

schien ihm zwar nicht durch besondere Geisteskraft oder <Bd. I i 960, Bd. II im Druck)

Rcgentcnweishcit hervorzuragen, aber charaktervoll lauter und ... D,e Neuauflage konnte den Text im wesentlichen belassen,

& i-idKiervoii, wult fugte nw f„r Hersteiiung der ursprünglichen Ordnung

') [Gregor von Nvf.a-1 f„„niJ1 m • ^ j w (später war Iib. II als lib. XII B oder XIII an den Schluß gera-

Jaeger. Vof. I: Contra Eunomium 2ff, "-Ted T J.<g«£? d" ^ ^»»Jf? (Facundus) hinzu und

XVI, 409 S.; Vol. VI: Gregorii Nysseni i„ C.ncicum Canticorum, <d. füIlte eini?e Lü*en auS' die ZU sdl'e'Jen da™]$ n,ldl1t ßelanf?-

H. Langerbeck. LXXXII.491S. Leiden' Brill i960 er 8°. Lw. Zu der Editionsleistung seiner Jugend durfte sich auch der greise

hfl. 48.- u. hfl. 65.—. Gelehrte noch bekennen: es war und ist ein reifes Werk.