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Ausgabe:

1963

Spalte:

538-539

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Nylander, Ivar

Titel/Untertitel:

Studier rörande den svenska äktenskapsrättens historia 1963

Rezensent:

Lindeg°ard, Sven

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537

Theologische Literaturzeitung 8 8. Jahrgang 1963 Nr. 7

538

Bovet, Theodor: Ehekunde. Die jüngste Wissenschaft von der ältesten
Lebensordnung. Ein Grundriß für Ärzte, Seelsorger, Eheberater
und denkende Eheleute. I. Allgemeiner Teil. Tübingen: Katzmann
u. Bern: Haupt [1961]. 166 S. 8° = Schriftenreihe d. christl. Instituts
f. Ehe- und Familienkunde, Bd. IV. Lw. DM 9.80.

Die Eigenart dieses kleinen Bandes liegt in der Absicht
des Verfassers, eine Theorie der Ehe zu bieten. Dr. Bovet hat
bekanntlich schon sehr viel über die Ehe veröffentlicht, und
auch von anderen Schriftstellern kann nicht gerade behauptet
werden, man hätte sich bis jetzt nicht zu diesen Fragen geäußert
. Dennoch steht der Verf. auf dem Standpunkt, daß ,,bisher
der Ehekunde eine Theorie gefehlt habe". Weder Soziologie
noch Psychologie der Ehe soll geboten werden, sondern eine
G a m o 1 o g i e, eine Wissenschaft von der Ehe. Das Buch ist
infolgedessen nicht für ratsuchende Eheleute gedacht, sondern
eher für Eheberater, Seelsorger, Ärzte, Erzieher usw. Der Anlaß
dazu ist auch, daß heutzutage über die Grenzen der Fakultäten
hinaus ein Gespräch über die Ehe eingesetzt hat, das zur
Gestaltung eines gemeinsamen Begriffssystems aufruft und das
allen Fakultäten gleichermaßen zugänglich und verständlich ist.
So baut Bovet jetzt „die jüngste Wissenschaft von der ältesten
Lebensordnung" auf, wobei als Einstieg der Begriff der Person
aufgegriffen wird. An dieser Stelle nämlich begegnen 6ich die
neuesten Forschungen biologischer, medizinischer, philosophischer
und theologischer Art, so stellt Dr. Bovet fest. Das ist
gewiß keiner neuartigen Mode zu verdanken; denn die Beziehung
des Menschen als Person „ist der Ausdruck einer hoch-
bedeutenden Wandlung in unserer gesamten Geistesgeschichte".
Damit ist sogar, so belehrt uns der Verf., nach aller Wahrscheinlichkeit
das „eigentliche Heilmittel gegen die Weltkrise
gefunden, vorausgesetzt, wir erinnern uns daran, daß Person
heißt .Partner Gottes' ". Die Gamologie entwickelt sich nun
aus diesen Voraussetzungen des personalen Verständnisses heraus
, dort liegt ihre kategoriale Funktion. Die biblische Aussage
: „Mann und Frau werden zu einem Fleisch" enthält die
Personwerdung der Ehe. Die Ehe ist Person. Sie wird bei der
Verlobung gezeugt, die ersten Brautmonate bilden das fötale
Stadium; ist die Ehe einmal glücklich geboren, dann fängt ihre
Entwicklung, ihr Wachstum an: 6ie macht Säuglings- und
Kinderkrankheiten durch, sie erfährt ihre Pubertät, sie bekommt
Reifealtcr und Klimakterium, eine Periode, in der sie entweder
alt oder weise wird. So entfaltet der Verf. die organische Entwicklung
der „Person" Ehe, wobei dann sukzessive über den
Leib, die Seele und den Geist dieser Person gehandelt wird.
Während so die Zwcisamkeit in der einen Person mit vielen
auffallend gelungenen Bildern dargestellt wird, entfaltet sich
ein sakramentalistischcs Verständnis der Ehe als ihr tiefstes
Geheimnis. Dr. Bovet distanziert sich von der reformatorischen
und modern-protestantischen Ablehnung der Ehe als Sakrament
und kommt zum Schluß, daß es zwischen der „echt katholischen
und echt-protestantischen Eheauffassung keinen unüberwindlichen
Gegensatz gibt". Mit sehr zustimmenden Worten schließt
sich der Verfasser der sakramentalistischen Theologie van der
Leeuws an, wobei er nur staunt, daß für van der Leeuw das katholische
Schema „Natur und Gnade" verwerflich scheint. Wenn
Wir jedoch an zahlreiche typisch katholische Phänomene wie die
Forderung des Zölibates für den Geistlichen oder die Annahme
der übernatürlichen Offenbarung denken, so war für van der
Leeuw im Schema „Natur und Gnade" ein innerer Bruch vorbanden
, den er in seiner Theologie vermeiden wollte und den
auch Dr. Bovet, wenn ich recht sehe, grundsätzlich ablehnt.
Die Frage, welche hier theologisch gestellt werden mußte, ist
Wohl besonders diese, ob die Voraussetzung des Buches, daß
die „anima naturaliter christiana" ist, zur Grundlage einer
Theorie über die Ehe gemacht werden könne. Hier gehen die
Meinungen auseinander. Hier wird der reformatorisch orientierte
Theologe seine Einwände anbringen und den Eindruck
bekommen, daß ein metaphysischer Begriff der Person eingeführt
wird, um ein trait d'union zu haben, wo alle Fakultäten
sich treffen können. Das will nicht heißen, daß wir nicht verstehen
, wie sehr der Eheberatcr eine Arbeitshypothese für seine
Aufgabe mit den konfessionell unendlich variierten suchenden
Menschen braucht, auch läßt sich an Hand der vielen reichhaltigen
Beobachtungen des Buches feststellen, daß gerade der Begriff
der Person die erwünschten Dienste wirklich zu leisten
scheint. In dieser Hinsicht ist dieser „allgemeine" Teil der
Gamologie ein höchst wertvolles Buch geworden. Wir freuen
uns, demnächst den „praktischen" Teil in die Hände zu bekommen
.

Basel Hendrik van O y e Ii

N y 1 a n d e r, Ivar: Studier rörande den svenska äktenskapsrättens
historia. (Studien zur Geschichte des schwedischen Eherechts).
Stockholm - Uppsala: Almqvist & Wiksell 1961. 260 S. gr. 8° =
Acta Universitatis Stockholmiensis, Studia Juridica Stockholmien-
sia 12.

Die Geschichte des schwedischen Ehescheidungsrechts ist
lange ein unerforschtes Gebiet gewesen. Es ist daher von größter
Bedeutung, daß der Verfasser, Dozent an der Universität
Stockholm, dieses Problem aufgegriffen hat. Die Untersuchung
ist in erster Linie auf das 18. und das beginnende 19. Jhdt. eingestellt
, aber es werden auch übersichtliche Darstellungen des
Ehescheidungsrechts des Mittelalters, der Reformationszeit und
der Zeit der Orthodoxie gegeben. Die Darstellung des Verfs.
baut auf besonders reichhaltigem und teilweise auch schwer zugänglichem
ungedrucktem Material auf. Sie dokumentiert seine
große Vertrautheit mit der schwedischen und auch der ausländischen
, besonders der deutschen, Literatur.

Während nach der Rechtsauffassung der mittelalterlichen
Kirche die Ehe als Sakrament prinzipiell unauflöslich war, erkannte
die Reformation zwei Gründe für die Zulassung der
Ehescheidung an: Ehebruch und böswilliges Verlassen; eine
Stütze dafür fand man in gewissen Aussagen des Neuen Testamentes
. In den ersten beiden Kapiteln behandelt der Verf. Ehescheidung
wegen Ehebruchs und Ehescheidung wegen böswilligen
Verlassens. Im dritten Kapitel wird das interessante Korrektionsverfahren
bei Zwietracht der Ehegatten abgehandelt. Dieses
bestand in Ermahnungen seitens der Geistlichkeit der Gemeinde
und des Domkapitels, Bestrafung durch ein weltliches
Gericht, Trennung von Tisch und Bett sowie schließlich dem
Bann, d. h. dem Ausschluß von aller christlichen Gemeinschaft;
der letztgenannte Korrektionsgrad kam jedoch selten zur Anwendung
. Die kirchlichen und weltlichen Behörden arbeiteten
eng zusammen, um die Eintracht in einer durch Spaltung bedrohten
Ehe wieder herzustellen.

In den drei folgenden Kapiteln werden die königlichen
Disperse in die Behandlung einbezogen. Hier werden abgehandelt
: Ehescheidung durch königliche Resolution wegen Uneinigkeit
der Ehegatten, Ehescheidung durch königliche Resolution
aufgrund von Verbrechen und Strafe, sowie Ehescheidung durch
königliche Resolution wegen Krankheit. Wenn auch nach der
reformatorischen Auffassung die Ehescheidung nur aufgrund von
Ehebruch und böswilligem Verlassen zugelassen wurde, wich
man doch in den einzelnen Fällen recht bald von diesen Prinzipien
ab. Das Problem wird hier in einen größeren Zusammenhang
gestellt, wenn der Verf. die gegen Schluß des 17. und zu
Beginn des 18. Jhdts. im deutschen protestantischen Ehescheidungsrecht
eintretende Milderung heranzieht. Hier wird der
Einfluß, den die naturrechtliche Schule ausübte, hervorgehoben.
Führende Naturrechtler betrachteten die Ehe nicht länger als
göttliche Ordnung, sondern als Kontrakt, der aufgelöst werden
konnte, wenn er seinen Zweck nicht mehr erfüllte. In Deutschland
pflegten die Landesfürsten Ehen durch Reskript aufzuheben
. In Schweden waren die Dispense zunächst darauf begrenzt,
nur bei Ehehindernissen zu gelten. In bezug auf Scheidungen
dürfte bis zum Schluß des 17. Jhdts. nur in Ausnahmefällen
Dispens erteilt worden 6ein. Symptomatisch für die veränderte
Einstellung im 18. Jhdt. ist eine Äußerung des hervorragendsten
schwedischen Rechtsgelehrten dieser Zeit, Nehrman-Ehrensträle,
worin er erklärt, daß es. wenn entzweite Ehegatten nicht vereint
werden könnten, billig sei, wenn der an den Mißhclligkei-
ten unschuldige Part Ehescheidung durch königlichen Dispens
erhalte. Daß die Dispense während des 18. Jhdts. üblich wurden
, hatte seinen Grund in einer veränderten Einstellung zu
den in der Bibel, im „Gesetz Gottes", gegebenen Bestimmungen
. Wenn die Regierung während des größten Teils des