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Ausgabe:

1963

Spalte:

529-530

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Peitz, Wilhelm Maria

Titel/Untertitel:

Dionysius Exiguus-Studien 1963

Rezensent:

Bakhuizen van den Brink, J. N.

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529

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 7

530

Peitz Wilhelm M., S J : Dionysius Exiguus-Studien. Neue Wege weit einige Hauptbemerkungen in der Einleitung. Das Buch

der philologischen und historischen Text- und Quellenkritik bearb. umfaßt 7 Kapitel: 1. Die kanonistische Gesamtüberlieferung;

u. hrsg. v. Hans Foerster. Berlin: de Gruyter 1960. XVI, 533 S. 2 Die Arh^tch^AcA^iU A n c , tv ru l • j

gr. 8»= Arbeiten z. Kirchengeschichte, hrsg. v. K. Aland, W. Eltester L^l ? w , F"S t, * ^hrJ0nol°gle der

u. H.Rückert, 3 3 DM 44- Bearbeitungen; 4. Die Vorlagen des Dionys: Sardica; 5. Die

Die ausführlichen Untersuchungen des bekannten und ver- EnkÄrÄn'' Vn .^kritischer und quel-
dienten, jetzt verstorbenen Kanonisten Wilhelm M. Peitz S.}., Twor^Z ^^Ja 7' .Dionysiana . Nun hat Foerster
herausgegeben und bearbeitet von Hans Foerster (Freiburg i. Ü.) Z v i ^ ^
bedeuten nichts weniger als eine vollständige Umwertung der * D„nn li 7" l " U"prUng!lch ,!"** *emgC£r als
traditionellen und heutzutage allgemein angenommenen Ent- reichP ) vo/g«ehen hatte. Es ist deutlich wie umfang-
stehungsgeschichte der ältesten Kanonessammlungen und der ™* er ,a 6° S^heHet hat - wenn man es noch nicht wüßte,
mit diesen verbundenen Sammlungen päpstlicher Dekretalen. Vle prangt diese Zusammenfassung auch ausfallen mußte,
Peitz opponiert, kurz gesagt, ebenso gegen die Justel, gegen ™e.l" doch selten klar und musterhaft einheitlich und ziel-
Paschasius Quesnel, William Beveridge, die Ballerini, wie gegen t !";' gearbeitet. Ich zitiere noch einige Punkte aus dem ersten
Friedrich Maassen und sogar C.H.Turner, Ed. Schwartz (der z.B. p.ap'tel: Dle gesamte Überlieferung der Kanones bildet eine
S. 40 sehr scharfe Worte empfängt) und Friedrich. Ganz allge- "nneit- Sie ist ausschließlich durch die Arbeitshs. des D. E.
mein ward ja als sicher hingestellt, daß alle Sammlungen, grie- Uns gekommen. Nur durch diese kennen wir die spärlichen
chische wie lateinische, reine Privatarbeiten ihrer Verfasser Uberreste älterer, vordionysianischer Übersetzungen, z.B. der
ohne jeden amtlichen Auftrag irgendeiner Autorität seien (S. 4). s°g- Ubersetzungen des ,Caecilian' und des .Attikus' oder der
So gewagt es scheinen mag, der V. will den Nachweis er- 'Vetus Romana' und des Rufin, wie auch die verschiedenen
bringen, daß die Wissenschaft in der Darstellung der Geschichte Formulierungen, die man bisher als ,Prisca', als .Isidoriana', als
der ältesten Kanonistik Irrwege gegangen ist. ,Ihre Ergebnisse '^"esnelliana' bezeichnet hat. 2. Die lateinische Übersetzung
sind unhaltbar' (12). Bis zum Ende des 5. Jahrhunderts hat es, nat die griechische Sammlung zur Grundlage, die D. als erster
so lautet seine Hauptthese, weder eine griechische noch eine aus den Beständen des päpstlichen Archivs zusammengebracht
lateinische Sammlung der Synodalkanones gegeben. Die ver- f'l^' 4" -Akten der Synode von Chalcedon' — und das
meintlich unwiderleglichen Beweise für die Existenz und Ver- g'eiche gilt von denen von Ephesus — sind keine .Akten' im
breitung einer im griechischen Osten allgemein bekannten gewöhnlichen Sinn des Wortes. Sie sind vielmehr eine Bearbei-
Sammlung griechischer Synodalbeschlüsse, die man in den Zita- *ung der Originalprotokolle dieser Synoden durch D. E. An den
ten der sogenannten .Akten von Chalcedon' (451) glaubte sehen inserten der antiochischen und nizänischen Kanones, die wäh-
zu müssen, beruhen auf einem einzigen großen Irrtum über Ur- ",end der Sitzungen .öffentlich verlesen sind, läßt sich zeigen,
Sprung und Wesen dieser ,Akten'. Sie sind weder eine gleich- ™° irn griechischen wie im lateinischen Ms. des D. der Wort-
zeitige Veröffentlichung noch, wie Ed. Schwartz annahm, eine laut überhaupt nicht stand' (151 ff.).

von Justinian um 550 veranlaßte offizielle Darstellung der Er- Peitz hat die Beweisführungen ganz methodisch erbracht
eignisse. Vielmehr — so noch immer Peitz — handelt es sich bei und sich dabei keine Mühe erspart. Und doch fühlt man sich
ihnen um eine von Dionysius Exiguus versuchte Rekonstruktion arj seiner Hand nicht immer ganz sicher. Spricht er nicht mit
und teilweise Ergänzung der Synodalprotokolle, einen ersten ai'zu großer Sicherheit von der Arbeitshs. des D. E., als ob er
Versuch ihrer Übertragung ins Lateinische und eine Neubearbei- selber sie gesehen hätte, während sie doch eigentlich nur eine
tung sowohl des griechischen wie des lateinischen Textes durch Rekonstruktion ist? Ich glaube weiter, daß es methodisch Verden
gleichen Autor. Diese Arbeit fiel in der Hauptsache in die fehlt ist, wenn Peitz sich im Zusammenhang des Handschriften-
Zeit von November 496 bis etwa Ende 500. Eine Abschrift der Problems fragt: Ist etwa die Überlieferung das gleiche wie der
griechischen Sammlung mit Einverschluß der Kanones hat Dio- authentische Text? und darauf antwortet, daß ein authentischer
nysius seinen Freunden im Kloster von Mabbug, wohin er Te*t doch wohl jener ist, der aus der Feder des Autors 6elbst
schon früh gebracht und wo er erzogen war, geschickt, die dort stammt. Ich glaube vielmehr, daß hier der authentische Text
im Jahre 501 ins Syrische übersetzt worden ist. Friedrich un<j der ursprüngliche Text miteinander verwechselt werden
Schulthess hat sie als Text A in seine Veröffentlichung der und daß der authentische immer der gültige Text ist, der nicht
■Syrischen Kanones' aufgenommen (19). Unaufhörlich aber hat immer der ursprüngliche zu sein braucht (36). Über viele hand-
Dionysius an seiner Unternehmung fortgearbeitet und verbes- schriftliche Analysen (66 usw.) könnte man streiten wie auch
sert, zumal auf Befehl des Papstes Hormisdas, um 520/21; man "ber Übersetzungen (e^aigercog - planissime oder plenissime,
siehe D III mit der dritten Widmung. Peitz geht dann daran, 517). Andererseits kann man dem V. nur Bewunderung
dies alles näher und im Detail auseinanderzusetzen und zu be- !°l'en, wenn man sieht, wie er vom Anfang bis zum Ende die
weisen, .bis in die feinsten Fragen der Text- und Quellenkritik frühe kanonistische Entwicklung auf die .Ursprungskontamina-
hinein' (30). Er hatte dabei auch sich selbst zu korrigieren, tion', d. h. auf die einzige Arbeit des Urhebers D. E. zurück-
z.B. was er in seinem Aufsatz .Dionysius als Kanonist' noch leitet. Das 3. Kap. liefert sozusagen die historische und bio-
über die Handschriften der .Quesneliana' gesagt hatte. Die seit graphische Einrahmung zum Ganzen. Das 4. Kap. ist beinahe
etwa 500 fertig vorliegende Sp (Hispana) ist jetzt als eigent- ganz auf der Überlieferung des 7. Kanons des Konzils von Sarliche
.Dionysiana I* anzusehen, an der wohl im Zeitraum von dica aufgebaut. Das 5. Kap., der Dekretalensammlung gewid-
501 bis 520 weitere Verbesserungen vorgenommen sind, die met, ist ein Beispiel genauester Anwendung der einmal gefun-
aber doch ursprünglich gedacht als die endgültige Gestalt der denen kritischen Methode auf einen neuen, obgleich analogen
lateinischen Sammlung und als solche auch in der päpstlichen Stoff. Die Riesenarbeit von Peitz wird ohne Zweifel eine sehr
Kanzlei Anerkennung und Verwendung gefunden hat. 525 war große Auseinandersetzung hervorrufen; das Endurteil scheint mir
die letzte Bearbeitung der Sammlung noch nicht ganz abge- Jetzt noch nicht auszusprechen zu sein. -

schlössen, aber dem Papste Johannes II. (533-535) lag bei sei- . Das Buch ist nicht ganz fehlerlos gedruckt. Das Todesjahr des

« n . . i. r^. i i . . i__„„„ Kaisers Ana*t.i<iu< I ist 518 n cht 418 (21); man findet bisweilen

nein Regierungsantritt d e .Dionysiana', wie wir sie kennen, » nnastasms L ist »i», mm /

, 6 6 ' ' ' „i__^ , v.„nnes Scnwarz statt Schwartz (155) aXoyeveoOat soll aAoycveoVai heißen

abgeschlossen vor; das erhellt aus dem Wortlaut der Kanones. (ai7), mu^ffm gM jn xaxdyono verbessert werden (515). Doch

Dann muß die letzte Redaktionsarbeit als schon erheblich vor sje)n ^ ^f flus Lej(|cr fehlt ein Register; sicher wäre es

533 beendet seini, Peitz schätzt etwa 527. Er nimmt da auch schwer gewesen, eines zusammenzustellen, aber die Hauptgegenstände

an, daß Dionysius bald darauf gestorben ist, und verwirft sein hätten dadurch doch noch besser gruppiert und ins Licht gebracht

späteres Wirken in Vivarium, das man in einigen Worten werden können.
Kas6idors bezeugt finden will. Es wäre ihm kaum verständlich,

daß von etwa 525 ab jede greifbare Spur von dem Wirken und Leiden/Niederlande J. K. BakhuUcn vande.. Brink
Schaffen eines Mannes fehlt, dessen Leben, soweit man es verfolgen
kann, ein rastloses Schaffen gewesen war (42). So-