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Ausgabe:

1963

Spalte:

513-515

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Drijvers, Pius

Titel/Untertitel:

Über die Psalmen 1963

Rezensent:

Müller, Norbert

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 7

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wie im ersten Band: „Es gibt nur das harte und unerbittliche bestimmt den Aufriß der Darstellung. Der Verfasser hat sich
Entweder - Oder", Umkehr und Bewahrung oder Unbußfertig- geradezu die Aufgabe einer Aktualisierung der gattungs-
keit und Vernichtung; „das ist die Botschaft Jesajas für seine geschichtlichen Erkenntnisse für den kirchlichen Gebrauch der
Zeit und für uns" (125 f.). Aus solcher Erkenntnis folgert der Psalmen gestellt. Der Satz der Einführung: „Eine mystische
Verf. - was der Rez. nur als eirte Verengung der Botschaft Deutung, die nicht organisch und fest auf der wörtlichen auf-
des Jesaja, ja, als eine Verkennung der Theologie dieses Pro- baut, bleibt nicht nur ohne Eindruck, sie erzeugt eher Abnei-
pheten ansehen kann -: „Jesaja ... hat niemals die unbedingte gung" (S. 8) wird daher durch Drijvers in dem Sinne konkreti-
Rettung verheißen, sondern sie stets an die vorherige Umkehr siert, daß weder die Interpretation des Wortsinnes noch ein
zu Gott geknüpft" (156); „in seiner Theologie... ist... kein theologisches Verstehen möglich ist, ohne daß der Exeget die
Raum ... für eine unbedingte Verheißung künftigen Heils" Frage nach dem „Sitz im Leben", nach der liturgischen Gattung
(100). Demgemäß werden dieser Meinung entgegenstehende und kultischen Zuordnung gestellt hat (vgl. bes. S. 66 f.).
Heilswortc grundsätzlich in eine spätere Zeit gesetzt, oder es Der Verfasser geht nicht an der hermeneutischen Problema-
wird eine Prophetie wie die von der Rettung Jerusalems 31, 4 ff. tik vorüber, die sich aus der Spannung zwischen einem histo-
entsprechend (um)gedeutet: „ ... so kann der Herr Zebaoth rischen Schriftverständnis und der in der Kirche geübten litur-
herabfahren" - also nicht: „wird"! -, nämlich vorausgesetzt, gischen Vergegenwärtigung ergibt. Er lehnt es ab, sich durch
„wenn und weil Jerusalem umkehrt" (117); daß der Umkehr- bloße äußere „Akkomodation" der Texte oder durch die Flucht
Spruch (V. 6) im Text der Heilsansage nachfolgt, wird nicht in eine „spiritualistische Exegese" über den Abstand von zwei,
beachtet. Betreffs der Resttheologie wird auch hier die Mei- ja, drei Jahrtausenden hinwegzusetzen (S. 23-25). Es kommt
nung vertreten: „Der Gedanke an einen heiligen Rest hat für für ihn darauf an, auf die Frage nach dem hermeneutischen
Jesaja keine Rolle gespielt (100), was im Sinne eines Verzichts Prinzip, das den liturgischen Gebrauch der Psalmen ermöglicht,
auf den „Plan Jahwes gemeint ist. Selbst 28, 23 ff. wird nicht eine theologische Antwort zu finden. Drijvers findet sie
als „Gleichnis für das göttliche Gcschichtshandcln ' angesehen; im Gedanken der H e i 1 s g e s c h i c h t e (S 16) Von ihm
sondern „dieser Bauer" sei „ein Bild für den von Gott belehr- aus kann er djc K,uft„ den Testamenten eerade.
ten Menschen: den Propheten Jesaja (66 f.), - aber wie ist zu leugnen: Das eine ist für ihn „nur das Aufblühen, die orga-
das mit dem Schlußvers 29b zu vereinbaren? Ge egentlich wird „ische Entfaltung des anderen" (S. 24). Der historische Ab-
ein Wort mit aus dem Grunde für nichtjesajanisch erklärt, weil stand ändert also nichts an der Kontinuität göttlichen Han-
es „Beziehungen zur Weisheitslehre habe (119); hier wurde dclns an seinem Volk, das einst Israel genannt wurde, nun
ma„ gern eine Diskussion mit Joh. Fichtner, Jesaia unter den Kirche chrjsti nejßf und dgs dcr vollkommenen Er,osung am
Weisen (ThLZl949) angeschlossen sehen! Ende der Zeiten entgegengeht. Dieser heilsgeschichtlichc Drei-
Interessant sind die Versuche, zu den einzelnen jesajani- takt (Alter Bund - Neuer Bund - Endvollendung) ermöglicht
sehen Stücken den jeweils historischen Ort aufzuweisen was nun auch eine theologische Aktualisierung der kultgeschichtli-
zur Vcrlcbcndigung der Texte und der damaligen Geschichte chen Erkenntnisse, die die moderne Psalmenauslegung fun-
dient- aieren. Die Situation „Israel vor Jahwe" (G. von Rad), von der
Kap. 24-27 will der Verf. nicht als Apokalypse, son- (neben anderen Texten) die Psalmen zeugen, wird im christlichen
dern als „prophetische Kantate" (vgl. J. Lindblom) in „umfas- Gottesdienst auf anderer heilsgeschichtlicher Ebene neu Ereig-
sender cschatologischer Schau" gewertet sehen (1 f.). Hier wäre nis. Wenn A. Weiser von einem regelmäßig begangenen Fest
ein Gespräch am Platze über das Problem der Apokalyptik der „Bundeserneuerung" sprechen kann, so gilt: „Was für das
überhaupt und im AT insbesondere. Das ist ja generell - und Alte Testament mögliche, vielleicht auch wahrscheinliche An-
positiv - zu sagen: das Buch fordert gerade auch den Fach- nähme ist. das ist im Neuen Testament volle Wirklichkeit"
genossen zur Auseinandersetzung, mehr als es sonst bei einer (S. 233). Mit Recht bezieht daher die Kirche die Psalmen in
für weitere Kreise bestimmten Auslegung der Fall ist. ihrer Liturgie „auf die täglich erneuerte Gegenwart des Opfers
Kiel Hans Wilhelm Hertzberg Christi in der heiligen Messe"; und die Beter des Neuen Bundes

sind sich mit denen des Alten einig in der „Ausschau nach der

ix .. _ , , _ . , vo"kommenen Gemeinschaft am Ende der Zeiten" (a. a. O.).
u'i|vtn, Pius: Uber die Psalmen. Eine Einführung in Geist und TiVm* u J n j * j_ j
Gehnlt des Psalters. Mit einem Geleitwort zur deutschen Ausgabe be,den, Grundentsche.dungen zu einer gattungs-
von Bischof Simon Konrad Landercdorfer O.S.B, und einer Ein- £escn'cntlicncn und zur heilsgeschichtlichen Betrachtungsweise
führung von W. Grossouw. (Ins Deutsche übersetzt von Alfred °esjirnmen die Stoffanordnung im darstellenden Hauptteil des
Schilling.) Freiburg, Basel, Wien: Herder [l96l]. 272 S. 8°. Buches: In sechs (von den insgesamt elf) Kapiteln werden die
Die deutsche Ausgabe dieses Buches, das 1956 in erster, *ld"igsten Gattungen (Lobpsalmen und Hymnen, Dankpsalmen,
'95 8 bereits in dritter Auflage in Utrecht erschien und von dem BlttPsaImen, Wallfahrtspsalmen, Prozessions- und Thronbestei-
«eit 195 8 eine französische Übersetzung vorliegt, darf nicht ßut>gsPsalmen, Königspsalmen) nach ihrem Sitz im Leben, ihrer
nur als erwünscht, sondern muß als notwendig bezeichnet wer- |°™alcn Struktur und nach ihrer Thematik im alttestament-
den. Denn der Verfasser, Ordenspriester in der Trappistenabtei lldlen, neutestamentlichen und eschatologischen Sinn dargestellt,
Königshoven, legt hier einen sehr beachtenswerten Versuch w°bei die Erschließung des theologischen Gehalts immer un-
vor, die Ergebnisse vor allem auch der deutschen (evangelischen) ""«elbar an die gattungs- und kultgeschichtlichen Gcgcben-
Psalmcnforschung der letzten Jahrzehnte weiteren Kreisen nahe- |J.eiten anknüpft, so daß die historischen und die theologischen
zubringen und so eine fruchtbare Beziehung zwischen dem in 1 «bestände nie beziehungslos nebeneinander gestellt sind. Trotz
der Kirche seit jeher gepflegten liturgischen Umgang mit den mancher Abweichungen in der Terminologie knüpft Drijvers in
Psalmtexten und den modernen exegetischen Bemühungen an- «"»er Darstellung im wesentlichen an Gunkel an, berücksichtigt
^bahnen: Die in dem Buch am häufigsten zitierten Autoren aber bei der Behandlung von Einzelfragen auch immer wieder
si"d H. Gunkel und A.Weiser; auch auf W.Eichrodt und H. J. die Arbeit anderer Forscher. Dem eigentlich darstellenden Teil
Kraus wird wiederholt verwiesen; es begegnen die Namen des Buches gehen drei zur gattungsgeschichtl.chen Problematik
ßaethgen und Kautzsch, Steuernagel, Duhm und H.Schmidt. hinführende Kapitel („Die Entstehung des Buches der Psalmen ,
Von nichtdcutschcn protestantischen Autoren werden vor allem -Die hebräische Dichtkunst", „Die Arten der Psalmen ) voraus.
£. H. Dodd, S. Mowinckel und Th. C. Vriezen mehrmals genannt. Die von uns skizzierte hermeneutische Fragestellung wird im
Per entscheidende Vorzug des Buches liegt aber nicht in der Anfangs- und im Schlußkapite („Die Psalmen als christliches
B'eite der wissenschaftlichen Basis, sondern in der entschied Gebet" und „Der Alte und der Neue Bund ) erörtert. Sehr
Scnen Hinwendung zum Grundprinzip der heutigen Psalmen- nützlich sind zwei Anhänge in denen ein Überblick über die
«egese, zur G a 11 U n g s f o r s c h u n g. Was H. Bardtkc in Gattungszugehörigkeit und den inneren Aufbau fast aller Psalter
Besprechung eines dem vorliegenden vergleichbaren Bu- rnen gegeben wird. Namen-, Sach- und Schnftstellenregister
*cs von H. Krings (ThLZ 1954, Sp. 554 f.) mit Recht vermißte, vervo ständigen das Buch Hervorzuheben .st, daß die benutzte
..gattungsmäßige Einteilung", ist hier voll verwirklicht und ten Werke durchweg nach den neuesten (deutschen) Auflagen