Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1963

Spalte:

28-33

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Colpe, Carsten

Titel/Untertitel:

Die religionsgeschichtliche Schule 1963

Rezensent:

Rudolph, Kurt

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

27

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 1

28

zu ziehen, zeigt Zeile 12 des gleichen Ostrakons. Hier folgt auf
ein plene geschriebenes QR'TY 'qara'tl „ich habe gelesen"
ein defektives R'T 'ra'iti „ich habe gesehen"™; offenbar genügte
es dem Schreiber, nur beim ersten Verbum die Person
anzudeuten. Die Frage, wann der Wegfall druckloser Endvokale
— sei es ganz, oder 6ei es teilweise — eingesetzt hat, bleibt also
nach wie vor offen.

Aus den wenigen Bemerkungen, die im Vorhergehenden
zu der Text-Ausgabe von Murabba'ät beigesteuert werden
konnten, dürfte zur Genüge hervorgehen, daß DJD II bestens

') Ebenda, S. 95, Anm. 25.

geeignet ist, die Forschung nach den verschiedensten Seiten
hin anzuregen, ganz abgesehen von der staunenswerten Sorgfalt
, die die Herausgeber sämtlichen Texten haben angedeihen
lassen. Im übrigen spürt man der reich ausgestatteten Ausgabe
deutlich an, daß ihre Bearbeiter seit der ersten Veröffentlichung,
die in ihrer Art schon ein Meisterstück darstellte, ihre Editionsmethode
weiter verbessert und vertieft haben. Man kann
ihnen für ihre auf entsagungsvoller Kleinarbeit beruhende Leistung
und damit für ihren Dienst an der Wissenschaft wohl
kaum besser danken ak mit dem Wunsche, daß weitere Bände
der „Discoveries in the Judaean Desert" recht bald folgen
mögen.

HELIG10NSWISSEN SCHAFT

Brandon. S. G. F., Prof., M. A., D.D.: Man and his Destiny in
the Creat Religions. An Historical and Comparative Study con-
taining the Wilde Lectures in Natural and Comparative Religion
delivered in the University of Oxford, 1954—1957. Manchester:
University Press [1962]. XIV, 442 S. gr. 8°. Lw. 45 t.

Der Verfasser, Professor of Comperative Religion an der
Universität Manchester, veröffentlicht in diesem Buch (in etwas
erweiterter Form) die „Wilde Lectures in Natural and Comparative
Religion", die er 1954 bis 1957 an der Universität
Oxford gehalten hat. Er will die in den Religionen gegebenen
,,variou6 interpretations of human nature and destiny" zu-
sammenfasscnd darstellen. Das Thema wurde gewählt, weil nach
Meinung von Brandon „the 6ubject had been strangely neg-
lected: no great comprehensive work was devoted to it and
scarcely a monograph could be found dealing exclu6ively with
one of its constitutive aspects". Diese Behauptung beruht freilich
auf einem offensichtlichen Irrtum, der dadurch zustande gekommen
ist, daß dem Verf. zahlreiche Einzelschriften entgangen
sind. Gleichwohl ist es dankenswert, daß Brandon den Gegenstand
einer klaren und übersichtlichen NeudaTstellung unterzogen
hat, weil dieser für die vergleichende Religionswissenschaft
von besonderem Interesse ist.

Der Autor hat seine Arbeit in der Weise angelegt, daß er
nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, die verschiedenen Vorstellungen
von dem Wesen des Menschen, den Zusammenhang
von Leib und Seele sowie die einzelnen Meinungen über da6
Leben nach dem Tode (Auferstehung, Seelenwanderung usw.)
systematisch durch die Religionsgeschichte verfolgt, er gibt vielmehr
gewissermaßen ein Kompendium der Religionsgeschichte
im kleinen, in welchem er die Anschauungen der einzelnen
Glaubensgemeinschaften in einem Kapitel je für sich abhandelt;
Auf eine allgemeine Einleitung, in welcher dankenswerterweise
auch die Ergebnisse der vorgeschichtlichen Forschung erörtert
wurden, folgen Abschnitte über die Religion der Ägypter, Mesopotamien
Hebräer, Griechen, Christen, Mohammedaner, Iranier,
Hindus, Buddhisten und Chinesen. Diese Gruppierung des Stoffes
hat zur Folge gehabt, daß teils mehr geboten wird, als der
Titel des Buches erwarten läßt, daß aber andererseits eine Reihe
von Dingen, die unbedingt zum Thema gehören, wie konkrete
Schilderungen von Himmel und Hölle und dergl. fehlen. Ein
entschiedener Mangel des Werkes ist es auch, daß der Verfasser
jeweils meistens nur die älteste Periode der einzelnen Religionen
behandelt, als ob sich in den letzten anderthalb Jahrtausenden
in den einzelnen Religionen kaum etwas geistesgeschichtlich
Bedeutsames ereignet hätte, das der Erwähnung
wert gewesen wäre. Tatsächlich aber ist doch jede Religion ein
lebendiger Organismus, der sich dauernd weiter entwickelt, solange
er seine vitalen Kräfte bewahrt hat. Auch die späteren
Perioden einer bestimmten Glaubensform haben deshalb ebenso
ein Recht darauf, in wissenschaftlichen Forschungen berücksichtigt
zu werden, wie die in den heiligen Schriften niedergelegten
älteren Gestaltungen ihrer Weltanschauung. In einem
Buche, das den großen Deutungen der Natur des Menschen und
des Schicksals, das ihn erwartet, gewidmet ist, hätte deshalb ein
kurzes Eingehen auf die kabbalistischen Begriffe „gilgul" und
„ibbür", auf die Lehre von den drei Körpern im Hinduismus
und das älaya-vijiiäna des Spätbuddhismus nicht fehlen dürfen.

weil sie für die Auffassungen vom Wesen des Individuums 6ehr
charakteristisch 6ind.

Von den einzelnen Abschnitten habe ich als Nicht-Theologe
aus den Kapiteln über Judentum und Christentum am
meisten gelernt. Die Abschnitte über Hinduismus und Buddhismus
sind weniger gelungen. Zum Verständnis des letzteren
hätte der Verfasser aus dem Studium der von ihm zwar zitierten
, aber wenig herangezogenen Werke von Stcherbatsky,
Murti und Conze mehr Gewinn ziehen können als aus denjenigen
der vedäntisierenden deutschen Neo- Buddhisten Georg
Grimm und Herbert Günther.

Das Buch schließt mit einem kurzen Rückblick (p. 373
— 385), der die Mannigfaltigkeit der einschlägigen Anschauungen
der verschiedenen Religionen vergleicht und die gewonnenen
Resultate kurz zusammenfaßt. Ein Vorzug des Buches ist
außer seiner vorzüglichen Ausstattung, daß e6 mit einer Bibliographie
von 28 Seiten und reichen Indices versehen ist, wodurch
es ein für weiterführende Studien geeignetes und nützliches
Hilfsmittel darstellt.

Tübingen Ilclimith von Glasenapp

C o 1 p e, Carsten: Die religionsgcschiditliche Schule. Darstellung und
Kritik ihres Bildes vom gnostischen Erlösermythus. Göttingen:
Vandcnhoedc & Ruprecht 1961. 265 S. gr. 8° = Forschungen z. Religion
u. Literatur d. Alten u. Neuen Testamentes, hrsg. v. R. Bult-
nuinn, N. F. 60. H. DM 27.—.

Anläßlich der Besprechung von Mary Boyce, The Manichac-
an Hymn-Cycles in Parthian, Oxford 1954, hatte C. Colpe in
der ThLZ 1955, 531-34 festgestellt, daß mit dieser Textbearbeitung
endlich eine Basis geschaffen sei, die Theorien
Richard Reitzensteins von Grund auf neu zu prüfen'. Diese
Untersuchung (zugleich Habilitationsschrift der Theol. Fakultät
zu Göttingen) legt uns C. jetzt nach mehrjährigen Forschungen
vor. Sie erscheint insofern zum rechten Zeitpunkt, als durch die
Nag-Hamädi-Texte eine ganz neue Ausgangsposition für die
Erforschung des Gnostizismus gegeben ist und ein kritischer
Rückblick auf die älteren Auffassungen einfach ein Gebot der
Stunde ist. C. hat zunächst nur den ersten Teil seiner Arbeitsergebnisse
veröffentlicht. Zwei Bände sollen noch folgen. Dadurch
muß man allerdings den mißlichen Umstand in Kauf nehmen
, daß mehr als 60mal auf den zu erwartenden Band 2 („Die
Grundlagen des gnostischen Erlösermythus") und etwa 20mal
auf den 3. Band („Neutestamentliche und gnostische Christo-
logie") verwiesen wird (vgl. 6 u. 208, A. 3). Über den Inhalt
seiner Schrift hat C. in der ThLZ 1961, 703 f. selbst referiert,
worauf wir verweisen2.

Im „Überblick über den Forschungsgang" (9—68) wird die Periode
vor und nach der Erschließung der Turfan- und Mandäertextc
unterschieden. Für den älteren Zeitraum behandelt C. (10—34):
Reitzenstein, Poimandres. 1904, Bousset, Religion des Judentums.
1903, 1906"'. Greßmann, Der Ursprung der israelit.-jüd. Eschatologie,
1905, Bousset, Hauptprobleme der Gnosis, 1907 (20—25; sie ,.wer-

') Vgl. auch meine Mandäer I. Prolegomena, Göttingen 1960,
S. 159, A. 2 und 187, A. 2; ferner H.M.Schenke, Der Gott „Mensch"
in der Gnosis, Berlin 1962, S. 3 f., i6ff., 21 ff., 3of.

s) Vgl. auch das Referat von S. Schulz, Die Bedeutung neuer
Gnosisfundc für die neutestamentl. Wissenschaft, ThR 26, i960.
S. 223-228; ferner H. J. Schoeps' Rezension in der ZRGG XIV, 1962,
S. 70 f.