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Ausgabe:

1963

Spalte:

465-466

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Baumbach, Günther

Titel/Untertitel:

Das Verständnis des Bösen in den synoptischen Evangelien 1963

Rezensent:

Baumbach, Günther

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465

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 6

466

Rojas, Gabriel: La Renovaciön Litürgica bajo Pio XII y Juan
XXIIl.

Teologia y Vida III, 1962 S. 106—116.

Rosenkranz, Gebhard: Formkräfte der nichtchristlichen Welt und
die christliche Verkündigung.
Zeitwende XXXIV, 1963 S. 18—27.

S c h 1 i n k, Edmund: Pneumatische Erschütterung? — Aus der Zusammenarbeit
einnes evangelischen und eines römisch-katholischen
ökumenischen Arbeitskreises.
Kerygma und Dogma 8, 1962 S. 221—237.

V i c e d o m, Georg F.: Mission, Ökumene, Integration.

ökumenische Rundschau 12, 1963 S. 12—22.
Vogt, Klauspeter: Fronleichnam — immer noch zeitgemäß?

Erbe und Auftrag 38, 1962 S. 182—192.
Voigt, Gottfried: Die Dimensionen des Gottesdienstes.

Die Zeichen der Zeit 17, 1963 S. 82—90.
Werner, Hermann: Anglikanische Unionsbestrebungen.

Lutherische Monatshefte 2, 1963 S. 27—32.

Referate über theologische Dissertationen in Maschinenschrift

Baumbach, Günther: Das Verständnis des Bösen in den synopti- einanders erklärt sich einerseits die Bedeutung der Ethik und anderer-
sdien Evangelien. Habil. Schrift Berlin 1961. 315 S. se'ts die Bedeutungslosigkeit der Naherwartung sowie die Rand-
Die Arbeit will im Blick auf das Verständnis des Bösen einen «elhing der Endgeschichte im lukanischen Schrifttum. Wichtiger als
Beitrag zu der heute viel verhandelten Frage nach der theologischen die Abfolge der letzten Dinge ist darum die Missionsgeschichte der
Eigenart der drei ersten Evangelien geben. Aus diesem Grund werden Kirche, die zwar eine Zeit der Verfolgungen und Versuchungen durch
die verschiedenen Begriffe für das, was im Deutschen „böse" genannt 2* vom Satan beherrschte Welt darstellt, aber immer durch die
wird, gesondert innerhalb jedes einzelnen Evangeliums behandelt, Überlegenheit des in der Gemeinde waltenden Heiligen Geistes geweil
in der Bevorzugung oder Auswahl bestimmter Termini durch den f™?1 ist; c'enn d'e Apg. erweist, daß sich die Verheißungen von
einzelnen Evangelisten ein besonderes Verständnis dieses Problems |ruk- '0. 19 und 21, 15 in dieser Geschichte erfüllen, womit die enge
zum Ausdruck kommen könnte. Das Interesse ist dabei nicht auf Zusammengehörigkeit der ..Zeit der Kirche" mit der „Zeit Jesu" aneine
religionsgcschichtliche Ableitung einzelner Begriffe, sondern auf gedeutet erscheint. Insofern dürfte es nicht berechtigt sein, die „Mitte
die Erhellung des ganzen Fragenkomplexes, wie er mit dem Wort ~eT Zeit" von der „Zeit der Kirche" so scharf abzuheben und die
„Dualismus" umrissen werden könnte, gerichtet. Insofern berührt Bedeutung des Satans für die lukanische Theologie so stark abzu-
dicsc rcdaktionsgcschichtlich orientierte Untersuchung jeweils die ganze werten, wie es H. Conzelmann tut. Die bei Lukas vorliegende EntTheologie
des betreffenden Evangeliums. Die Haupteinteilung folgt gegensetzung der Gemeinde als Regnum Spiritus Sancti und der Welt
deshalb den drei synoptischen Evangelien in der Reihenfolge: Mark. (I), als K^gnum Satanae zeigt, daß wir hier eine klar durchdachte, dua-
Matth. (II) und lukanisches Schrifttum (III), wobei jeder dieser Haupt- ~*~*™ geprägte Theologie vor uns haben, die gegenüber Markus und
abschnitte vier Unterteile hat: 1. Das durch die Begriffe jiovr/oöc und Matthäus ein weiter fortgeschrittenes Stadium auf dem Wege zu
novTjgia bezeichnete Böse, 2. Das als Sünde verstandene Böse, 3. Das e'ner christlichen Theologie darstellt.

Böse in der Gestalt des Satans und der Dämonen, 4. Zusammen- Der Schlußteil (S. 314—315) faßt kurz die gewonnenen Ergebfassung
. "isse zusammen und führt dabei im Blick auf das unterschiedliche
Der L Hauptteil (S. 22—83) kommt in Auseinandersetzung mit "erständnis des Bösen in den einzelnen synoptischen Evangelien aus,
J. M. Robinson. Das Geschichtsverständnis des Markus-Evangeliums, daß die Evangelisten einerseits nicht das Böse, sondern den Über-
zu dem Ergebnis, daß von einem das ganze Mark, bestimmenden winder alles Bösen verkündigen wollen, andererseits aber bei dieser
„kosmischen Kampf zwischen Geist und Satan in der Geschichte" nicht Prinzipiellen Negation des Bösen nicht stehengeblieben sind, sondern
die Rede sein kann, da weder die Streitgespräche noch die Passions- jj™ der im Laufe der Zeit notwendig gewordenen Durchdenkung ihrer
geschichtc und die kleine Apokalypse dazu einen Anhaltepunkt ge- Existenz als Gemeinde in der Welt zu einer größeren Entlehnung
währen. Von einem Wirken des Satans in den „offiziellen Vertretern dualistischer Begrifflichkeit und Vorstellungen veranlaßt wurden. Das
der Judenschaft" kann schon deshalb nicht gesprochen werden, weil bedeutet aber, daß die Anfänge christlicher Theologie durch die ÜberJesu
Passion nicht als Folge der Macht des Satans verstanden wird; nähme und Verarbeitung dualistischen Gedankenguts aus dem Spät-
denn der Satan will ja im Mark, die Passion Jesu gerade verhindern. )udentum bedingt sind. Die Frage nach dem Verständnis des Bösen
Wichtig ist ferner, daß die anthropologische Form des Bösen, die aus "weKt damit ihre eminente Bedeutsamkeit für die Entstehung und
dem „Herzen" des Menschen hervorgehenden Sünden, von Markus Ausbildung einer christlichen Theologie.

nicht mit der soteriologisch-mcssianologisch bestimmten Form des _

Bösen, dem Satan und den Dämonen, vermischt oder gleichgesetzt

wird. Die drei Formen des Bösen: Sünde, Dämonen und Satan laufen "ske, Thomas: Geschichte als Überwindung des Historismus,

hl Mark, noch verhältnismäßig unverbunden und unreflcktiert neben- Diss. Berlin 1960. 115 S.

«inander her. Die Darstellung des Satans und der Dämonen als Der Gleichklang mit dem Titel der von Troeltsch unvollendet
Mcssiasfeindc erweist, daß das messianisch orientierte Passionskcrygma gebliebenen .Überwindung des Historismus' ist in dieser Thematik
im Mittelpunkt der markinischen Theologie steht. nicht zufällig. Dennoch erhebt die Arbeit den Anspruch, keine der
Der II. Hauptteil (S. 84—186) weist nach, daß der das Matth. „unzähligen Arbeiten" über Troeltsch zu sein. Im Gegenteil darf
durchziehende Zug zum Lehrhaften zu einer stärkeren Angleichung die Arbeit wohl von sich behaupten, über die Systematik Trocltschs
der drei Formen des Bösen geführt hat, wobei als „böse" alles das und seiner nicht ausreichenden Methodologie hinausgegangen zu sein,
gilt, was gegen die rechte Gesctzesauslcgung Jesu und seiner geist- Dabei war der Verfasser sich von vornherein darüber klar, daß ein
erfüllten Gemeinde gerichtet ist. Der Satan wird darum hier als Problem des Historismus nur als pars pro toto die Gesamtpoblema-
Haupt und Sdiöpfcr der Partei der „Bösen" bezeichnet, die innerhalb tik der Wissenschaftstheorie zeigen konnte, wie sie zunächst bis heute
der Gemeinde als „Anstoß" zur „Gesetzlosigkeit" wirkt, zugleich in hohem Maßd das erkenntnistheoretische Konsistieren der angeblich
ahcr auch als Lügenprophet und Irrlehrcr geschildert. Das Matth, ist behaupteten .Wertfreiheit' des Neukantianismus aufrechtzuerhalten
somit durch einen innergemeindlichen Dualismus bestimmt, der als sucht. Die Antinomie aller historischen Erscheinungsbilder, wie sie im
Widerspiegelung von Parteikämpfen in der Kirche des Matthäus zu Pragmatismus, in der Psychologie als einem mikroskopischen Historis-
hegreifen ist. Der im Mark, als prinzipiell überwunden proklamierte mus, oder in der .Erfindung' des Existentials als einer Wicdererwek-
Satan bekommt dadurch im Matth, eine aktuelle theologische Bcdeut- kung des nominalistischen Spiels mit in Systemkategorialität gcronne-
samkeit für die Kirche und ihre Lehre. Die gegenüber dem Mark. nem Denken erscheint, dürfte deshalb endlich dazu zwingen, nach der
Weitergehende dualistische Ausgestaltung des Matth, dürfte mit der vollgültigen europäischen Geistestradition der erkenntnistheoretischen
stärkeren Vergegenwärtigung des Gottesreiches und der damit gege- Möglichkeiten zu fragen. — Für die gegenwärtige protestantische Theo-
oenen Zurückdrängung der Naherwartung bei Matthäus zusammen- logie würde das jedenfalls bedeuten (wenn 6ie nicht nur unter einem
hängen. Das Eschaton dient deshalb in diesem Evangelium vor allem anderen Namen Arbeit betreibt, die ohnehin auch in philosophischen
der Form eines Gerichtsdualismus zur Hervorhebung der zentralen Fakultäten geleistet werden könnte), daß sie sich die Ideologie-
Stellung der am Gesetz ausgerichteten Ethik. haftigkeit durch die Identifizierung von Geschichte und Geschichtlich-
Im III. Hauptteil (S. 187—313) wird herausgearbeitet, daß die im «•* im Wesen auch und eben gerade eines Christentums (von
Iranischen Schrifttum enthaltene dualistische Terminologie haupt- Harnack bis zu den Marburger Predigten) eingesteht und nach dem
Schlich die Notwendigkeit der Bekehrung unterstreichen will; denn genuinen Verständnis des evangelischen Kerygmas fragt. Damit wäre
Satan, Dämonen und Sünde werden der unbekehrten Welt zugeord- erstens die unbeantwortete Frage nach dem Kontinuum der Gehet
, der die „kleine Herde" der „Geretteten" gegenübersteht. Damit schichte (bei Troeltsch) oder der Tradition' (im York- und Dilthey-
'ritt hier ein apokalyptischer Zwei-Äonen-Dualismus in Erscheinung. sehen Sinne) gelöst und die Schwierigkeit der lutherisch-protestan-
a"erdings in einer von der theologia gloriae bestimmten vergegen- »'sehen Ecclesiologie als crkenntnisthcoretischcr Beitrag in der Enzy-
*ärtiKten Form. Aus der Zurückdrängung des ursprünglichen zeitlichen klopadic der Wissenschaften gesehen. D. h. aber zweitens, daß die
Nacheinander« dieses Dualismus zugunsten eines räumlichen Neben- protestantische Theologie sich auf ihre legitime Sonderex.stcnz in der