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Ausgabe:

1963

Spalte:

443

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Häresien der Zeit 1963

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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443

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 6

444

entgegen den Dekreten von Konstanz (4. und 5. Sitzung) nicht
halten. — Man wird gut tun, angesichts des in diesem Jahr
bevorstehenden Konzils diese Thesen zur Kenntnis zu nehmen.

Halle/Saale Erdmann Schott

Böhm, Anton [Hrsg] : Häresien der Zeit. Ein Buch zur Unterscheidung
der Geister. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1961. 439 S. gr. 8°.
Lw. DM 34.80.

Das Buch begreift, wer den Häresiebegriff erkannt hat, den
Karl Rahner im ersten Kapitel erarbeitet und der für die Mitarbeiter
leitend sein sollte. Nach CIC can. 1325 ist Häresie eine
innerchristliche Angelegenheit. Häretiker ist, wer nach der
Taufe unter Beibehaltung des christlichen Namens eine der mit
göttlichem und katholischem Glauben zu! glaubenden Wahrheiten
hartnäckig leugnet oder bezweifelt. Im Gegensatz zum
Apostaten behält also der Häretiker den christlichen Namen
bei. Rahner will eine Erweiterung der traditionellen Definition,
weil es in einem christlich geprägten geschichtlichen Milieu
kaum Menschen geben könne, die mehr wären als Häretiker
und die darum auch nicht als Heiden angesprochen werden
dürften. Die Christenheit wäre also gewissermaßen noch führend
im Dialog. „Es ist durchaus berechtigt, daß wir die heutige
Welt — terminologisch — lieber als häretische denn als apostatische
ansprechen" (24). Die Häresie, um die es im Buche geht,
wird kryptogame Häresie genannt, und unter ihr werden
— christlich geurteilt — die großen Zeitirrtümer verstanden.
Allerdings gelingt es keineswegs allen Mitarbeitern, in den
häretischen Tiefengrund einzudringen und die bleibende Relation
zum Christentum zu erhellen. Man hat sogar den Eindruck,
daß mancher gar nicht darum bemüht ist, sondern absichtlich
bei der informatorischen Aufgabe verharrt, wo er nützliche
Arbeit leistet. In diesem Liegenbleiben auf der Strecke dürfte
eine immanente Kritik sichtbar werden. Es handelt sich eben
doch nicht immer um Häresie, sondern um Apostasie.

Die Überfülle des Buches läßt ein Eingehen auf Einzelheiten
kaum zu, darum müssen wir uns mit der Angabe der führenden
Themen begnügen: W. Warnach, Die Hybris des Menschen (vornehmlich
in Philosophie und Dichtung sich äußernd); G. Siewerth,
Der Triumph der Verzweiflung (stark mit Hegel und der modernen
Ideen- und Weltgeschichte beschäftigt); H. Dolch, Verzicht auf
Metaphysik (Positivismus, Comte und Fernwirkungen); W. Strolz,
Der Aufstand gegen die Vernunft (Nietzsche, Dostojewski, Lebensphilosophie
, moderne Dichter); D. W e n d 1 a n d. Der Kult des Fleisches
(„der morbide Sex", „im Medium der Musik"); G. E. Kafka,
Religion der Macht (Versuchung Jesu, Augustins Gottesstaat, Solow-
jew); W. S c h ö 11 g e n. Die Idolisierung der Arbeit und der Techni-
zismus (Dämonie der Technik? Sinngebung der Arbeit, Hinleitung zu
philosophischer Anthropologie); F. A. v. d. H e y d t e, Die modernen
Chiliasmen (religiöse Sekten, das tausendjährige Reich Hitlers, Fragen
um Kommunismus und Nihilismus); G. B r i e f s, Heilserwartung und
Kollektivismus; H. D a hm, Der dialektische Materialismus; M.
Vereno, Gnosis und Magie (stark mit Freimaurerei, Theosophie
und okkulten Sekten beschäftigt; hier findet Huttens bekanntes
Sektenbuch eine teilweise Ergänzung). — Frage: Hätte der Rassenwahn
nicht ein Kapitel erhalten müssen? Durfte man das fürchterlichste
„häretische" Kapitel der Gegenwart ausklammern?

Wir haben es also mit einer Apologetik des Katholizismus
zu tun, nicht gegenüber religiösen Irrlehren, sondern entsprechend
dem kryptogamen Häresiebegriff gegenüber nichtchristlichen
Weltanschauungen, Lebenshaltungen und individuellen und
kollektiven Lebensgestaltungen der Gegenwart, die der Intention
nach als verirrte Kinder des Christentums und der Kirche
gelten. Die große Frage ist die, ob sie es in Wirklichkeit sind.
Ein Buch, das u. a. von modernen Schwarzen Messen und sexueller
Brunstmusik — beides gleich widerlich! — handelt, kann
im letzten Grunde die Fiktion der Häresie und die Leugnung
der Apostasie doch nicht aufrecht erhalten. Wird nicht überhaupt
der Ernst der missionarisch-kirchlichen Aufgabe unerlaubt
entschärft, wenn man intentional die offenbaren und
geheimen Gegenbewegungen gegen Christentum und Kirche nur
als Häresien erfaßt? Darf man ihr eigenes Selb6tverständnis
übergehen? Das ist die Frage, mit der wir von dem materialreichen
, oft Entlegenes und Dunkles behandelnden, anregenden,
aber auch zum Widerspruch reizenden Buch scheiden.

Rostock Gottfried Holtz

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GESCHICHTE DER CHRISTLICHEN KUNST

Hegenbarth, Josef: Ewiges Vorbild. Zeichnungen zum Alten und
' Neuen Testament. Einführende Worte v. Jan Dobraczynski,
hrsg. u. mit einem Nachwort versehen v. F. L ö f f 1 e r. Berlin:
Union Verlag 1960. 98 S. m. 41 Taf. 2°. Lw. DM 38.—.

Am 27. Juli 1962 starb im Alter von 78 Jahren der in
Böhmisch-Kamnitz geborene und dann fast immer in seiner
Wahlheimat Dresden lebende und schaffende große, vielleicht
größte deutsche Graphiker der Gegenwart Hegenbarth. In der
Zeit des Nationalsozialismus diffamiert, wirkte er seit 1946
als Leiter der Zeichenklasse der Dresdener Akademie, dann als
freier Künstler, wie einst schon im Kreise der Dresdener
Künstlervereinigung nach 1918; er war Mitglied der Deutschen
Akademien der Künste in Berlin wie in München.

Als Zeichner, mit Feder und Pinsel, einem möglichst abgenutzten
harten, schuf er seine Illustrationen, die ihm hohe
Achtung nach der Seite der formalen Gestaltung wie nach der
Erfassung des jeweiligen literarischen Inhalts brachten. Immer
stand der Mensch im Mittelpunkt seines Interesses, in seinen
Höhen und Tiefen, mehr wohl noch in seinen erregenden
Grenzsituationen, in den Zirkusgestalten, den Bettlern, den
Trümmerarbeitern. Bis zum Grotesken übersteigert sind oft die
Gestalten seiner Illustrationen zu Cervantes Don Quijote,
Gogols Toten Seelen, Dickens Dombey und Sohn, 5 Dramen
Shakespeares, Basiles Pentameron, Goethes Faust. Und seit 1915
schon die immerwährende Beschäftigung mit der Welt des Alten
und Neuen Testaments. 1950 wurde ein Zyklus zum Markusevangelium
in der Evang. Verlagsanstalt publiziert, 1960 die
Fortentwicklung, Steigerung und abschließende Höhe in der
großen Prachtedition des Union-Verlages: „Ewiges Vorbild".

Alles ist in diesen Illustrationen zur Bibel unkonventionell
, nichts kennt man schon als ähnliche Gestaltung aus früheren
Traditionen. Es verbinden sich Realismus seelischen Ausdrucks
mit rücksichtsloser Vereinfachung, Konzentration, ja,.