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Ausgabe:

1963

Spalte:

435-437

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Calvin, Jean

Titel/Untertitel:

Predigten über das 2. Buch Samuelis 1963

Rezensent:

Weerda, Jan Remmers

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435

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 6

436

Der letzte Aufsatz befaßt sich mit „Irenik und Polemik
bei Hans Denck" (S. 110-116).

Der durch seine Denck-Ausgabe ausgewiesene W. Fellmann
geht im Schrifttum Dencks der allgemeinen religiösen Duldung nach,
als deren hervorragender Vertreter und Verfechter Denck immer verstanden
wird. Daneben zeigt er jedoch auch durchaus kräftige und
heftige Worte Dencks auf, die sich gegen die Verfechter anderer
religiöser Positionen richten.

Den ausführlichen Buchbesprechungen (S. 117—134) folgt
wie in jedem Jahr die Luther-Bibliographie. Während 1961
über 691 Titel — allerdings in einem Zeitraum von zweieinhalb
Jahren — berichtet wurde, hat die diesjährige, nur ein Jahr umfassende
Bibliographie die erstaunliche Zahl von 657 Nummern
. Sehr wesentlich ist die Aufteilung von Sammelbänden in
die einzelnen Artikel. So erscheint z. B. W. v. Loewenich's
„Von Augustin bis Luther" durch diese Aufteilung unter 18
verschiedenen Titeln und Nummern. Wenn auch hiermit ein
Grund für die große Anzahl der Buch- und Zeitschriftentitel
liegen wird, so wird andererseits gerade diese Ausführlichkeit
von dem nach Einzelproblemen Forschenden gewiß dankbar begrüßt
werden.

Berlin Hans-Ulrich D e 1 i u s

Calvin, Johannes: Predigten über das 2. Buch Samuelis. Hrsg. v.
H. Rücken. Lfg. 8 — 10 und Lfg. 11 (Einleitung)1. Neukirchen/
Moers: Neukirchener Verlag d. Buchhandlung d. Erziehungsvereins
1936—1961. S. 553—786, XLI1I S. 4° = Supplementa Calviniana.
Sermons inedits. Iussu Corporis Presbyterianorum Universalis (World
Presbyterian Alliance), moderante J. I. McCord, ed. E. Mülhaupt,
Vol I: Sermones de altero libro Regum habiti. Ad fidem librorum
Genavensium ed. H. Rückert.

— Sermons sur le Livre d'Esaie. Chapitres 13 — 29 publ. par G. A.
Barrois. Lfg. 1—4. Ebda 1961. XXVIII, 292 S. 4° = Supplementa
Calviniana. Vol. II: Sermones de libro Isaiae, cap. 13 — 29. Ad
fidem librorum Genavensium ed. G. A. Barrois. Je DM 9.—.

Es hat 25 Jahre gedauert, bis die Predigten Calvins über
da6 2. Samuelbuch vollständig herausgegeben waren. Jetzt liegt
der stattliche Band mit den 87 Predigten vor. Die Einleitung
bringt mit dem Vorwort des Herausgebers ausführliche Angaben
über den Bestand und die Geschichte der nicht herausgegebenen
Predigten Calvins, die durch statistische Einzelheiten
in 4 Anhängen ergänzt werden. Am Schluß des Bandes
erscheinen Berichtigungen und Ergänzungen und darauf mehrere
Register von Martin Elze, die die Brauchbarkeit des Bandes
erhöhen, besonders wenn man weitere verwendete Bibelstellen
und Material zu einzelnen Begriffen sucht; auch Sprichwörter
und stereotype Redensarten werden registriert und zeigen, daß
Calvin von solchem umlaufenden Sprachgut Gebrauch gemacht
hat, um sich seiner Gemeinde verständlich zu machen. Die Einleitung
zu den erhaltenen Jesajapredigten gibt in französischer
Sprache ähnliche Angaben, zuerst über den allein erhaltenen
2. Handschriftenband der Jesajapredigten, und weiter aus der
Feder von Bernhard Gagnebin noch einmal eine Geschichte der
Predigtnachschriften, insbesondere eine Synopse der Kataloge,
die den großen Verlust an authentischem Material erkennen
lassen. Wir haben über Jesaja 13—29 66 Predigten zu erwarten.
Seite 20 der Jesajapredigten bringt ein Faksimileblatt der
Handschrift, das zeigt, wie sorgfältig die Predigthandschriften
hergestellt sind.

Erwin Mülhaupt hat seinem Buch über „Die Predigt
Calvins" 1931 ein Bändchen mit Übersetzungen unveröffentlichter
Psalmenpredigten Calvins 1959 folgen lassen, denen er
eine Einleitung voranstellt, in der er, besonders in Abschnitt 4
(S. 19 ff.), erneut auf Probleme der Predigtarbeit Calvins eingeht
. Er nennt eine Reihe von Schwerpunkten, die in Calvins
Psalmpredigt auftauchen: die Kirche, die Schrifterkenntnis, die
Naturordnung, die Majestät unseres lieben Gottes, Christus als
die Grundlage. Man kann aus den neu veröffentlichten Predigten
zu dieser Themenreihe leicht Material zusammenstellen,
man würde damit einen außerordentlich umfassenden Teil des
gebotenen Stoffes umfassen. Aber Calvin folgt im allgemeinen

*) Lfg. 6 u. 7 des 1. Bandes der unveröffentlichten Predigten Cal
vins ist in ThLZ 1957, S. 604 f. angezeigt.

seinen Texten und läßt sich von ihnen seine Predigtgedanken
geben, ohne eine gewisse Systematisierung zu verschmähen.
Die Histoire de l'Eglise von Martin und Jarry bringt in Band
16 S. 236 f. aus der Feder von Pierre Jourda einen Abschnitt
über Calvin als den geometre doctrinaire: „Es ging für ihn
nach Fixierung der Lehre darum, 6ie zu lehren, sie auszubreiten
und zu beweisen gegen alle Gegner... Es gab in ihm während
seiner Laufbahn nur einen Wunsch: die zu überzeugen von der
Wahrheit 6einer Lehre, die ihn hörten oder lasen. .. Eine
strenge Ordnung, ein logischer und klarer, methodisch aufgebauter
Plan, der die unentbehrliche Analyse und das dialektische
Räsonnement, ein nicht sehr biegsames Räsonnement, miteinander
verbindet... aber diese Monotonie ist nicht ohne
Kraft, der kritische Geist schläft ein über dem Bumbum eines
unaufhörlich wiederholten Rhythmus." Das alles, zuerst von
der Institutio gesagt, gilt in Grenzen auch von der Predigt Calvins
. Gern schließt er auch in den Predigten einen Gedankengang
, der entwickelt wird, unterstreichend ab: Cest donc com-
me il nous faut prendre ce mot. Voila donc oü David nous
veut admener. Cest en somme ce que nous avons ä retenir.
Voila donc quant a ce mot. Calvins Predigtart zielt auf eine
Gemeinde in der Schule, in der Lehre des Schriftwortes. Bei
ihm drängen sich keineswegs die Bilder und Gedanken. Ruhig
wandert er von einem Textmoment zum andern. Cest une
doctrine necessaire; car. .. Voila donc pour un item, afin
que... Pensons donc a ceste doctrine, qui.. . Nach dem Stenogramm
des Schreibers muß Calvin ungezählte Male einfach
mit einem ,,or" von einem zum andern weitergegangen sein,
also mit einem „Wohlan", „Nun also", „Weiter". Ein ausgesprochener
tardiloquus schon wegen seiner schwachen Körperkonstitution
, läßt er besonderen rhetorischen Glanz gänzlich
vermissen. Die Hingabe an die Leitung aller Gedanken und Formulierungen
durch das Bibelwort impliziert einen solch starken
Willen zum Interpretieren auf dem Predigtstuhl, daß alle anderen
Momente der Kanzelrhetorik dahinter verschwinden.
Zum Problem der Textausschöpfung findet sich einmal die reizvolle
Formel. ... ce que nous avons a retenir, en attendant
que le reste s'expose (668).

Eine kleine Lesefrucht zu Calvins Homiletik mag diese
Anzeige der Predigten Calvins, deren Herausgabe der Reformierte
Weltbund viribus unitis vorantreibt und fördert, beschließen
. Im Zusammenhang seiner Predigt über 2. Samuel
22, 28 f. meint er auf folgende Eigentümlichkeit im Dankgebet
Davids zu stoßen: „Aber weil er das nur so im allgemeinen
sagt, genügt das nicht. Denn die Gemeinplätze (sentences
communes) drängen uns nicht einmal bis ans Hirn, viel eher
flössen sie weg und blieben ohne Wirkung, weil wir so träge
und keineswegs so leicht zu bewegen sind, zu Gott zu kommen
. Und darum wendet David in dritter Hinsicht (nachdem er
allgemein von der Welt und der Kirche gesprochen hat) speziell
auf seine Person an, was er im allgemeinen von der ganzen
Kirche gesagt hat. Er hat von dem angefochtenen Volk gesprochen
, jetzt spricht er von sich selbst." Calvin müht sich dann
aufzuzeigen, wie nötig es ist, von den sentences generales
wegzukommen zu der application speciale. Er zitiert Joh. 3, 16
und meint, daß wäre eine Art von Eingang (quelque entree);
„haben wir die allgemeinen Sätze gehört, muß jeder sie besonders
auf sich selbst anwenden, insofern er doch Glied eines
Körpers ist und zu dieser Kompanie gehört, der Gott sich
selbst zum Heiland zugesagt hat ... Welches Bedürfnis besteht
ausgerechnet bei mir, daß Jesus mein Erlöser sei? Denn ich bin
es doch, der unter die Tyrannei des Teufels geraten ist, ich bin
völlig ertrunken in der Sündenverderbnis, ich bin geradezu im
Abgrund des Todes — daß doch jeder (sage ich) so auf sich
selbst sehe und daß man doch schließe: Ich muß meine Zuflucht
zu dem nehmen, der mein Erlöser ist, die Gerechtigkeit und
das Heil aller armen Sünder, zu denen ich doch auch gehöre"
(662 f.). Sünden- und Heilserkenntnis gibt es nicht in anonymer
Masse, sie wirken vielmehr in eminentem Maße personbildend.
Eine Verkündigung des Evangeliums schafft nicht so sehr allgemein
gültige Weltbilder und umrißhafte Zeichen zur Stelle;
sie meint den einzelnen, nimmt ihn besonders, lehrt ihn
Selbsterkenntnis, Selbstvergewisserung in der Erkenntnis des