Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1963

Spalte:

423-425

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Bodenheimer, Friedrich S.

Titel/Untertitel:

Animal and man in bible lands 1963

Rezensent:

Bardtke, Hans

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

423

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 6

424

Bodcnhcimcr, F. S., Prof. Dr.: Animal and Man in Bible Lands.

Transl. by the author. Leiden: Brill 1960. VIII, 232 S., 1 Titelbild.

4° = Collection de Travaux de l'Academie Internationale d'Histoire

des Sciences, No. 10. Lw. hfl. 36.—.

Das ursprünglich im modernen Iwrith geschriebene Buch
ist noch von dem verstorbenen Autor selbst ins Englische übersetzt
worden. Es ist das Werk, das seine Lebensarbeit abschließt
, indem es die Fülle seiner Spezialforschungen zu einer
Gesamtdarstellung vereint. Im Buchtitel stehen die Tiere an
erster Stelle, und die Darstellung der durch alle Zeiten hindurch
erforschten Tierwelt Palästinas ist das besondere Anliegen
seines Buches. Der Mensch kommt insofern zur Geltung, als in
den einleitenden Kapiteln, und zwar im dritten Abschnitt
(S. 29—37), über „Early Men in Palestine" gehandelt wird. Dabei
wird der Jägertyp des Karmelmenschen geschildert, dann
das Leben der vorgeschichtlichen Menschen vom wädi en-nätüf
und schließlich die ersten Anfänge von Ackerbau und Viehzucht
im Zeitalter der wädi en-nätüf-Kultur. Der Mensch kommt
selbstverständlich auch in den weiteren Ausführungen des Buches
ständig zur Geltung, da das Werk 6ich die Aufgabe stellt,
die Tiere in der Landschaft, im Dienst und im Denken der
Menschen darzustellen.

Der Begriff „Bible Lands" stellt das Problem, in welchem
geographischen Rahmen der Verfasser seine Untersuchungen
durchführen will. Als „Bible Lands" im strengen Sinn müssen
Mesopotamien ebenso wie Syrien, Palästina und Ägypten gelten
. Tatsächlich zieht der Verfasser die Materialien, die diese
Länder für seinen Problemkreis bieten, im reichsten Maß heran.
Geschichtliche und kulturgeschichtliche Gesichtspunkte legen diese
Heranziehung ebenfalls nahe.

Als Quellen dienen für die vorgeschichtlichen Perioden des
Paläolithikums die Geologie und die mit ihr zusammengehörige
Paläontologie, die über die alte Tierwelt Palästinas und ihren
Wechsel im Lauf der Zeiten seit mindestens 150 000 v. Chr.
belehrt. Mit Recht weist der Verfasser in diesem Zusammenhang
darauf hin, daß die vorgeschichtliche Forschung in Palästina
zu sehr beachtlichen Übereinstimmungen der Auffassungen
gekommen ist (S. 6). Zur Paläontologie tritt die Archäologie
mit verschiedenen Funden, insbesondere mit den Abbildungen
von Tieren, die aus einem sympathetischen Zauber entstanden
sein mögen. Ein weiteres Einleitungskapitel gilt der Bestandsaufnahme
der literarischen Quellen, in denen der Verfasser sich
ebenfalls glänzend auskennt, indem er alte wenig beachtete
Reisebeschreibungen für seine Zwecke ausnützt. Namen wie
Fabri, Breydenbach, Belon werden mit Recht genannt. Auch
Hasselquist wird aufgeführt. Aus neuerer Zeit wird besonders
das Werk Tristrams als für die Faunaforschung Palästinas ertragreich
angeführt. Desgleichen zieht der Verfasser folkloristisches
Material heran und erwägt die Möglichkeit von Aufschlüssen
aus dem antiken astronomischen Symbolismus, gegen
die er aber selbst gewisse Zurückhaltung übt. Gegen den Versuch
, mit Hilfe philologischer Untersuchung der Tiernamen
Aufschlüsse zu gewinnen, spricht er offen aus, daß „selbst die
sorgfältigste philologische Analyse unbefriedigend bleibt, wenn
sie nicht durch andere Argumente noch gestützt werden kann"
und zeigt dies in Auseinandersetzung mit F. Hommel, B. Maisler
und H. Vambery (S. 11 f.).

Ein zweiter Einleitungsabschnitt (S. 13—28) bringt eine
Übersicht über die geographische Gestaltung Palästinas im
Tertiär und im Pleistozän und über die in diesen Perioden nachweisbaren
Tierarten, die in großen Listen aufgeführt werden und
die Fülle der verschiedenen Spezialforschungen vor dem Leser
ausbreiten.

Der zweite Hauptabschnitt (S. 39—148) ist die Darstellung
der antiken Zoologie des Mittleren Ostens, in vier Unterabschnitte
gegliedert, von denen der erste einen systematischen
Überblick über die verschiedenen Tierarten mit ausführlichen
Beschreibungen gibt (S. 41—86), während der zweite Abschnitt
speziell das antike Mesopotamien herausgreift und die Tiererwähnungen
in der Literatur sowie die Tierabbildungen in der
Kunst sorgfältig durchgeht und auswertet. Auch die Jagdgebiete
und die Tierparks werden berücksichtigt (S. 87—121). Eine

Fülle keilschriftlicher Quellen ist hier ausgewertet worden bis
hin zu dem ältesten zoologischen Buch, dem von Landsberger
1934 veröffentlichten harra-{}ubullu-Text, der sumerische Tiernamen
mit akkadischer Übersetzung enthält, Vögel, wilde Tiere
und Fische. Erstere werden dann im folgenden gesonderten Abschnitt
„Vögel im antiken Iraq" behandelt (S. 117—121).

In gleicher eingehender Weise wird das Tier im antiken
Ägypten behandelt (S. 122—130). Auch hier führt der Verfasser
seine These durch, daß seit dem Mesolithikum der Tierbestand
keine neuen Elemente angenommen hat, aber durch den Menschen
eine fortschreitende Lichtung und Verminderung erfahren
hat. Das vierte und letzte Kapitel dieses Hauptabschnittes ist
der Tierwelt des mittleren Ostens im Spiegel der griechischrömischen
Literatur gewidmet. Hier sind in ausgedehnter Weise
die griechischen und lateinischen Quellen verwertet worden,
insbesondere Aristoteles, Plinius und Strabo, Aelian und Arte-
midor von Daldus (S. 131—148).

Der dritte große Hauptabschnitt (S. 149—219) führt die
Betrachtung des Verhältnisses von Mensch und Tier vom
Neolithikum bis zum Ende der Eisenzeit durch mit der etwas
merkwürdigen Zahlenangabe „von 4500— 3000", während deutlich
die Zeit bis 300 in der Gesamtüberschrift gemeint ist. Erst
werden Neolithikum und Chalkolithikum besprochen, letzteres
noch besonders unter dem Gesichtspunkt der Ausgrabungen vom
telelät ghassül. Gegen Ende dieses Abschnittes finden auch die
vorgeschichtlichen Höhlenfunde von Jean Perrot bei Beerscheba
besondere Beachtung, insbesondere die dortigen Funde von
Pferdeknochen, die auf Domestizierung des Pferdes hinweisen,
das vermutlich schon von der damaligen armenoiden Bevölkerung
nach dort eingeführt worden war (S. 15 5). Die nächsten
Abschnitte behandeln Ugarit, den Teil Halaf, Mittel- und
Spätbronzezeit mit ihrem überragenden ägyptischen Einfluß.
Nach einem allgemeinen Überblick über die Lebensbedingungen
in Kanaan von 3000 bis 300 v. Chr. auf Grund der Ausgrabungen
, bei deren Deutung sich der Verfasser wesentlich an
Albrights Deutungen und religionsgeschichtliche Thesen anschließt
, gibt er in den folgenden Kapiteln einen Überblick über
die wichtigsten Ausgrabungen. Als einzelne Grabungsstätten
werden Gezer, teil bet mirsim, teil ta'annek, besän, teil el-
mutesellim, Samaria und die tulül im wädi ghazze herangezogen.
Dabei werden die Grabungsergebnisse nur auf die Aussagen
über die Fauna abgehört. Zahlreiche treffliche Beobachtungen
hat der Verfasser an den Grabungsergebnissen unter seiner
speziellen Fragestellung „Mensch und Tier im Verhältnis zueinander
" machen können. S. 192 — 195 gibt der Autor einen
Überblick über den assyrischen Einfluß auf Palästina im 1. Jahrtausend
v. Chr., selbstverständlich unter der soeben erwähnten
speziellen Fragestellung.

Für den Alttestamentier sind die letzten Abschnitte besonders
wichtig. Sie handeln von den Tieren und den Tieropfern,
die im AT erwähnt werden. Ein Schlußabschnitt widmet sich
der biblischen Zoologie im Licht der Studien von Frazer über
die vergleichende Folkloristik (S. 196 — 219). Für die naturwissenschaftlichen
Aussagen des AT warnt der Verfasser vor
einem übertriebenen Enthusiasmus, mahnt aber auch andererseits
, die Angaben des AT nicht zu verkleinern und den halbnomadischen
Israeliten der Frühzeit durchaus eine Naturbeobachtung
zuzutrauen. Interessant ist sein Urteil über die Identifizierungsmöglichkeit
der Tiernamen mit bestimmten Tiergattungen
. Abgesehen von den Haustieren sind weniger als 20 Prozent
der Tiernamen im AT bestimmbar. Die große Mehrheit der
Tiernamen des AT sind nomina nuda (S. 197).

Das Schwergewicht des Buches liegt in den weitschichtigen
zoologischen Studien des Verfassers, die ein mit Liebe und
ausgezeichneter umfassender Sachkenntnis zusammengetragenes
Material darbieten. Daß er als Zoologe in manchen Ausgrabungsdeutungen
, in der religionsgeschichtlichen und folkloristischen
Auswertung der Meinung anderer Fachleute sich bedienen
mußte, ist selbstverständlich, aber auch hier hat er sich ein eigenes
Urteil gebildet, wie er es z. B. in der Auseinandersetzung
mit Frazer tut über den Ursprung der Anschauung, die bestimmte
Tierarten für kultisch unrein ansieht.