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Ausgabe: | 1963 |
Spalte: | 417-418 |
Kategorie: | Allgemeines |
Titel/Untertitel: | Christen und Juden 1963 |
Rezensent: | Schoeps, Hans-Joachim |
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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 6
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ALLGEME1N ES nachstehendes Programm" (132). Eine wirkliche Erklärung für
die Ungeheuerlichkeiten des späten Luther vermag auch Stöhr
j jSch;, Wolf"Dieter' und KarI Thieme [Hrsg.]: Christen und nicht zu bieten; er sieht den Positionswechsel dadurch be-
tt r Gegen"ber vom Apostelkonzil bis heute. Mainz: Mat- dingt, daß die Lehre von der doppelten Prädestination bei
[I96i"l 2U9n9esaIR»Vrlagr.MGöttingen: Vandenhoeck & RuPrecht Ma"in Luther in bezug auf die Juden schließlich in einen Deter-
n I3-80- minismus angesichts der Endnaherwartung umgeschlagen sei
uieser Sammelband - zumeist Vorträge, die 1961 in der (138 f.). _ Der ergänzende Beitrag von Jaques Courvoi-
Evangeliscnen Akademie Berlin gehalten wurden - unterschei- sier über Calvin (141-146) bietet nicht allzu viel, da diese
aet sich von zahlreichen ähnlichen Unternehmungen dadurch, Frage für Calvin keine Aktualität besessen hat.
des gc5a,tvo" ist- Sicher ist das Zustandekommen Sehr dankenswert ist auch der Beitrag von Ernst Ludwig
kÄn/nh Pfotestanten Katholiken und Juden Ehrlich: Emanzipation und christlicher Staat (147-181),
SSiirv'S* DlC f*"}**', alle EtaPPe"des TÜ er na* Quellen des Rep. 90 im Geh. Preuß. Staatsarchiv
durl*dizuSc" Ve;haItn'sses duri die Zeitalter hin- (jetzt Berliner Zentralarchiv) gearbeitet ist, die über die be-
SchilderunT des Äntisf i* ' , H ^ £Ördlidle Anstellung zu den Judensachen und über die relativ
nfr praktischen AullwU F 2a '^hundert Und " ' bescheidene Taufbewegung Auskunft geben. Ehrlich behandelt
aber für dt 17 und fe" iSV T b7Ußt ^"'t* ' ^°ndcrS die Mißhefligkeiten, die sich aus der Verzögerung
bar ke n Sachverständen Jf, Jahrhund<ffl hat man offen- der Durchführung des Hardenbergschen Emanzipationsedikts
und Aufklärung außertfb de! Ä c'"/ S° u- u™^ j^TT 1812 erSeben haben und die er teilweise berechtigt mit
Barodzeital^ geblieben sind. Für das der Konzeption des „christlichen Staates" unter Friedrich Wil-
bekannt gewordenen UnterJuTu^ PbM™ T™' ■ *R § m ^ 2usa"™enbringt, der die Juden aus religiösen Erwä-
rock" (Tübingen ^^) hlnwetn " "PhllosemltIsmuS im ^ g»*» b die obrigkeitlichen Ämter nicht hineinließ. Was
Die AnfsstTcrr,™!,,__ ■ j j i j ,. , -r-1 nnicn aber über die Motive der preußischen Konservativen
logen^ Rudö P fTT ?^ . *^en ?van^hs4en Theo- sagt, i« viel 2U undifrerenziert und [n der Sache zum TeiI un.
(l|l37)K er0Lt l P V "Sd°, ^ "ber -T ZUtrcffe"d. Der „christliche Staat" war für sie keine „inhaltslos
ordert um dL Ha,nt Ta*'* l^vt™ Yntemd,teS gewordene Phrase" (179) und der karrikiert dargestellte Fried-
^s" zu entkräfte? Iß ?lUmT. a 'f^^'chen Antisemifs- rieh Julius Stahl war ganz etwas anderes als ein „profunder
inus zu entkräften, daß die Juden desha b verflucht sind, weil Literat" ttta rv v ^ u u j. -L.
sie die „Christusmörder" seien. Die Probleme des „Prozesses „ehristlich l 1 Dle, Ko"se^atlve" haben auch nicht einen
Jesu", die jüngst Paul Winter (On the Trial of Jesus, Berlin sud^nTT^n n *!S PP°S fi m''"ff ,o<£'
1961) scharfsinnig behandelt hat, um zu dem Ergebnis zu ge- h^n Z A T ( n -2
langen, daß Jesu Hinrichtung als „Staatsfeind" unter die Haupt- Begriff v " 5* T% T'" Z T S™**' ■
Verantwortung der Römer fällt, bleiben außer Betracht JudV h l . StelIun2 dcs Preußischen Konservativismus zum
Den theologisch gewichtigsten Beitrag lieferte der Katholik «wordenemmJeit V"* dCr r^ff fT
Karl Thieme: Spaltung und Spannung vom Apostelkonzil Staat (Berlind ^aHermann Hagener: Die Juden und der
bis zu Agobard von Lyon (38-58), der im apostolischen und tendenzer, a -V' j" ,? f-*"" %T a Au.flosun?i-
nachapostolischen Zeitalter drei Etappen der Spaltung sieht- aber Z ? a Judls*en Liberalismus einzuwenden hat, sich
Von 30-14 waren die Jesuschawerim eine Richtung unter zahl- gehend e > j ■ ^dis<henn Orthodoxie (S R. Hirsch u. a.) weitreichen
anderen der Synagoge. 44-94 wurden die „Nosrim" stenbel p ^- *cißvwi^ ja audl S' ,' Stel"helm an Herwegen
ihrer auf dem Apostelkonzil gegen eine starke Minder- tig Kff ^.^^ii«^JÄ^ lt
heit beschlossenen laxen Missionspraxis von den Juden dahin- gung der hA ' *** a Y°J ' «Ta * N Tl
eehend bearcnvriKnr A-,n ci„ A„~ v~n u j j JT n , r Juden erst durch das auf den ganzen Norddeutschen
genena Deargwonnt, dal) sie den Volksverband zersetzen wür- Bund snc^j u ^ t- , m «»fU -u ^ j
den aber P«f ,K oa ,,„„j ■ j j. j- d i n . j ausgedehnte Gesetz vom 3. VII. 1869 gewahrt worden ist
Gamalie II fö™liA l „ , cd,.c ,BirkathIa-M,n!ln ^d daß erst das Kaiserreich eine relativ spannungsfreie Sym-
xZrcavoll t eXIk°mm™t .uSei dem galten die b.oae von Juden und Christen sichergestellt hat. - Daß es
äwvvdZ™ 7 Johannes schreibt (12,42; 16 2) - gleichwohl auch nach der Reichsgründung christlichen Antisemi-
Hölle! ?a7< 7 dle Juden/fgten, als „Kinder der tismus gegeben hat, ist Gegenstand der Untersuchung von
bnrrL V?" c 1 De,r CeSeT*Ahg der christlichen Per- Walter Holsten: Adolf Stoecker als Symptom seiner Zeit
norreszierung der Synagoge beginnt mit dem Barnabasbrief und U 82-200), der aber erfreulicherweise angesichts des kompli-
schlagt sich schließlich reichsrechtlich im Codex Theodosianus werten Phänomens jede Schwarz-weiß-Malerei des bekannten
Tul™ JrhJl e'dSe Ur?d h^gfhehe Bewegungsfreiheit der Hofpredigers a.D. (= aller Deutschen) vermeidet.
SeS^^ D,C dur* PaPst Gre?or den Gr0ße" H. J. Barkenings: Die Stimme der anderen (201-231)
durchgesetzten Abmilderungen sind in einem zweiten Beitrag geht der Beurteilung Israels bei den heilsgeschichtlich orien-
E n Lhr w 2 a 1 ^ nrt,e" evangeÜSchen Theologen des 19. Jahrhunderts nach
schändete%Jr, ^ des Bandes -Geehrte und ge- (Delitzsch, von Hofmann, Luthardt); Hengstenberg ist leider
1,, 4) tu Yl? iET , dCS Pa,tere WiIlehard Eckert OP (67 n.cht mit behandelt. - Der wortreiche Aufsatz von H. L.
im; Behandelt tcclesia und Synagoga in der bildenden Kunst. p°tdschmidf Juden vor dem Problem der Christen-
R 11 1 ^ aj-AusleSun? des Hohen Lieds eine wichtige rrage (232-250) ist verhältnismäßig inhaltsarm und erreicht
noiie, aber auch die geistlichen Spiele wie die Religionsgespräche mangels gedanklicher Prägnanz nicht das Niveau der übrigen
a VvVTvIle °ffen1t,,che - werden dargestellt. Die Stellung Aufsätze. - Die restlichen Beiträge des Bandes Günther
des kirchlichen Mittelalters zur Judenfrage, das dann schließlich Härder: Christen vor dem Problem der Judenfrage (251
AqU^itlnn Verfolgung institutionalisiert hat, wird im "j269)' Paul D e m a n n, NDS: Kirche und Israel in ökumeni-
Anschluß an M.Simon, B.Blumenkranz, P. Browe SJ u.a. ge- Sicht (217-283) und Helmut Gollwitzer: Die Juden-
n n ' W<r°bei zahheiche wenig bekannte Zusammenhänge und trage - eine Christenfrage (284-292) beziehen sich auf die nach
Uuellenstoffe behandelt werden. Die letzte Phase der im Ge- 1945 entstandene Situation und sind mehr systematischer bzw.
JC u ^euzzü2e anhebenden territorialen Pogrome wäre a,lgemein theologischer als historischer Art. Gollwitzers
aber besser einer besonderen Behandlung vorbehalten worden. ^mmenfassendes Schlußwort klingt mit der Feststellung aus:
Der Beitrag von Martin Stöhr über „Martin Luther und ,Wer weiß, daß Menschlichkeit unteilbar ist und daß, wo man
die Juden" (115-140) vergleicht die beiden Schriften: die *Jem Antisemitismus Platz läßt, damit auch potentiell alle an-
judenfreundliche von 1523 „Daß Jesus Christus ein geborener derJrn Unmenschlichkeiten ihren Raum gewonnen haben, der
Jude sei" und die von 1543 „Von den Juden und ihren Lügen", m™' wie er auch persönlich in seiner religiösen Überzeugung
die so diametral entgegengesetzte Positionen vertreten daß auf ^fhen mag, es als eine entscheidende Frage erkennen, ob die
die letztere sich sogar Julius Streicher vor dem Nürnberger ^h"sten die Judenfrage als Titel für die Fragwürdigkeit der
Oenchtshof berufen konnte. Und dies mit Fug sagt doch Stöhr, Juden oder für ihre eigene Fragwürdigkeit erkennen" (292).
sie enthalte ein „den Anweisungen zur Kristallnacht in nichts Erlange» Hans-Joachim Sc ho« P»