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Ausgabe:

1963

Spalte:

19-28

Autor/Hrsg.:

Meyer, Rudolf

Titel/Untertitel:

Der gegenwärtige Stand der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften 1963

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 1

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benden als der beseelte Körper Jesu und ist es für ihn kraft
der Zusage des Herrn selbst.

In der syrischen Kirche galt die Auslegung der antiocheni-
schen Schule, wie sie durch Theodor von Mopsuestia vertreten
wurde: „Treffend hat er (sc. unser Herr) demnach, indem er das
Brot gab, nicht gesagt: ,Dies i6t (in Wahrheit) das Abbild
(xvnos) meines Leibes', sondern: .Dies (ist) mein Leib', und
desgleichen den Kelch, nicht: ,Das ist (in Wahrheit) das Abbild
(tojioc) meines Blutes', sondern: ,Das (ist) mein Blut', da er
wünschte, daß wir nicht, nachdem diese (Elemente) die Gnade
und die Herabkunft des heiligen Geistes empfangen hatten
ihre Natur ansehen, sondern daß wir sie nehmen, wie wenn sie
der Leib (selbst) und das Blut (selbst) unseres Herrn 6eien"* -
Die gesamte Auslegung Theodors beruht auf der Überzeugung,
daß die liturgischen Worte den wirklichen Vorgang der Einsetzung
des Abendmah's durch Jesus selbst berichten und daß
seine Auslegung der. historischen Sinn des historischen Ereignisses
darzutun habe. Weder er noch 6onst jemand in der Alten
Kirche würde die Stiftung des Mahles anerkannt haben, wenn
auch nur der Schatten einer Möglichkeit dafür gesprochen
hätte, daß erst die nachösterliche Gemeinde das Sakrament eingerichtet
habe. Nach der festen Überzeugung der Alten Kirche
hat Jesus allein die Vollmacht zur Stiftung des Sakraments besessen
und sie in der Nacht, da er verraten ward, ausgeübt.
Einem Sakrament, das im Kreise der Gemeinde nach Ostern
entstanden wäre, hätte damals nicht die einigende Kraft inne-
gewohnt, die der eucharistischen Feier während der ersten
Jahrhunderte zu eigen gewesen ist.

Ein Punkt bleibt freilich von der syrischen Tradition aus
ungeklärt: Die Frage, ob auch in ihr die Anknüpfung des
eucharistischen Mahles an das Schaubrotmahl der Priester bekannt
gewesen ist. Bisher sind mir dafür keine literarischen
Zeugnisse bekannt geworden. Es kann lediglich mit der Möglichkeit
gerechnet werden. Daß nämlich eine Umgestaltung der
Schaubrot-Tradition in die Formen des ostsyrischen Brauchtums
denkbar ist, scheint mir aus dem syrischen Brauch der Brotherstellung
für das Abendmahl hervorzugehen, wie er noch für
die Zeit um 1900 bezeugt ist". In jeder Gemeinde wurde ein
besonderes Feld für die Aussaat des Weizens gewählt. Nach
dem Abernten im Herbste gingen jungfräuliche Mädchen oder

") Tonneau-Devreesse, S. 475; desgl. A. Mingana, Woodbroke
Studies VI, Cambridge 1933, S. 75.

**) Das briefliche Zeugnis ist in meinem Aufsatz über die Didadie
(vgl. obige Anm. 37) wiedergegeben; es berichtet von dem Brauch in
dem altnestorianischen Gebiet nordöstlidi von Mossul. Die Back-
vorechrift findet sich auch bei Brightman, Liturgies Eastern and Western
L London 1896, S. 247 ff.

über fünfzig Jahre alte Witwen zur Ährenlese und brachten reine
Ähren in den Hofraum der Kirche. Hier wurde das Getreide
gereinigt und gemahlen. Aus diesem besonderen Mehl wurde
vom Priester am Vorabend des Sonntags um Mitternacht unter
ständigen Gebeten das eucharistische Brot gebacken. Es handelt
sich also um ein Brot, das aus gelesenen Ähren in feierlicher
Form zubereitet wird. Nicht das Erstlingsopfer des Feldes, sondern
die Ährenlese (lakit), die Gott und den Armen gehört,
ist die Grundlage, und das Backverfahren ist aus dem gewöhnlichen
Brauch herausgehoben. Die Verwandtschaft mit dem
Schaubrotritus ist denkbar, aber nicht nachzuweisen, so daß
diese Tradition für unseren Zusammenhang nicht herangezogen
werden kann. Das verwundert deshalb nicht, weil die ostsyrischen
Gemeinden erst nach 95 n. Chr. missioniert worden
sind.

3. Wird die oben überblickte Tradition der frühen Christenheit
zu einer einheitlichen Aussage zusammengefaßt, so können
folgende Sätze als die Überzeugung der Alten Kirche formuliert
werden: Indem Jesus die Schaubrote als Grundlage des
Sakramentes wählte, hat er der Gemeinde das Arkanum der
Priesterschaft des Alten Bundes übergeben; er hat zugleich über
Israel hinausgegriffen auf das Opfer Melchisedeks, des kanaanäi-
schen Stadtkönigs; er hat die Gaben der Schöpfung, Brot und
Wein, kraft der Identifikation mit seinem Leib und Blut in
den Heilsratschluß des Neuen Bundes hinaufgehoben.

V.

In den bisherigen Ausführungen ist nicht das wirklidie
Geschehen der Einsetzung des Abendmahls, wie wir es auf
Grund einer sorgfältigen Exegese der neutestamentlichen Texte
zu sehen hätten, sondern lediglich die Überzeugung der Alten
Kirche neu untersucht worden. Dabei ist ein bisher übersehenes
Stück der Tradition als besonderer Aspekt des Herrenmahles ans
Licht getreten. Die Frage ist nicht behandelt worden, wie von
der dargestellten Sachlage aus ein Rückschluß auf das von den
Abendmahlstexten berichtete Geschehen möglich wäre. Zum
Schluß sei aber die Forderung wenigstens angedeutet, sich diesem
Rückschluß mit aller methodischen Vorsicht zu stellen.
Dabei wird bedacht werden müssen, ob das von Baumstark gefundene
Gesetz von der „Erhaltung des Alten in kultisch hochwertiger
Zeit" für die Anfänge der Abendmahlsliturgie ebenso
gilt wie für die spätere Zeit, oder ob für die Anfänge besondere
Gesetze des Entstehens einer Tradition anzunehmen sind.
Der Historiker, der sich um das Verständnis der Geschichte
der Alten Kirche müht, wird dazu neigen, die eucharistische
Tradition, die von der Didache bis auf Augustin festzustellen
ist, in ihrer Wurzel auf Jesus selbst zurückzuführen.

Der gegenwärtige Stand

der Erforschung der in Palästina neu gefundenen hebräischen Handschriften

47. Die vier Höhlen von Murabba'ät

Von Rudolf Meyer, Jena O((o EißfMt znm ?5 Geburtstage

Im Jahre 1955 erschien der erste Band der „Discoveries in Ausgabe kurz umrissen, die aus einem Textteil sowie einem
the Judaean Desert" (DJD I), der die kleineren Fragmente aus meisterhaft hergestellten Tafelbande besteht.
Höhle I von Qumrän1 und damit das gesamte Material aus Der erste Teil der Ausgabe, den im wesentlichen R. de
dieser Höhle - abgesehen von den andernorts veröffentlichten Vaux verfaßt hat (Abschnitt I—VIII), ist dem archäologischen
sieben großen Texten2 — enthält. In einem Abstände von sechs Befunde gewidmet (S. 3—63). Er beginnt mit der Entdeckungs-
Jahren folgt nunmehr der zweite Band dieser Sammlung (DJD II), geschichte der Höhlen. Hierauf folgt deren Beschreibung unter
der den archäologischen und handschriftlichen Befund der vier. besonderer Betonung der Stratigraphie, die die anschließenden
auf jordanischem Gebiete liegenden Höhlen des Wadi Murab- Unterabschnitte bestimmt. So sind in den Höhlen folgende
ba'ät bietet*. Eingangs sei zunächst der Inhalt der vorliegenden Schichten zu unterscheiden: Chalkolithikum, Mittlere Bronze,

*) D. Barthelemy und J. T. Milik: Discoveries in the Judaean ^f^tJÜ^L ™* 5 V^?«*^

Desert. I: Qumran Cave I. Oxford 1955. Vgl. hierzu ThLZ 82, 1957, Längsschnitt durch einen Stollengang von Höh e II (S. 2,

Sp. 21—26. Abb. 1) verdeutlicht die Lage der einzelnen Schichten. Die bei

2) Vgl. Chr. Burchard, Bibliographie zu den Handschriften vom weitem wichtigsten Fundstätten sind die Höhlen I und II; sie
Toten Meer, Berlin 1957,'Nr. 231. 232. 1364. 1403 ( = Beihefte zur wurden hauptsächlich im Chalkolithikum und in römischer Zeit
ZAW 76). benutzt, wozu für Höhle II noch die Mittlere Bronze kommt,

3) Benoit, P.. O. P., Milik, J. T. et de V a u x, R., O. P.:--

Discoveries in the Judaean Desert. II: Les Grottes de Murabba'ät. Texte: XV, 304 S. mit 31 Abb.; Planches; 107 Taf. 4° = Jordan

Avec des contributions de f Mrs. G. M. Crowfoot et Miss E. Department of Antiquities. Ecole Biblique et Archeologique Francaisc.

Crowfoot, A. Grohmann. Oxford: Clarendon Press 1961. Palestine Archaeological Museum. £ 8.8.—.