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1963

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Kirchengeschichte: Allgemeines

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359

Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 5

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auf mancherlei Weise Raum gewinnt. Wer diese Geschichte des
ev. Klosterwesens nachdenklich liest, wird zu einer gewissen
Skepsis gereizt, jedenfalls was die Möglichkeiten einer evangelischen
Erneuerung der mittelalterlichen Ordnungen im traditionellen
Sinn angeht; diese Skepsis teilt anscheinend auch der
besonnen urteilende Verf., der sich auch am Schluß seines Buchs
um eine gewisse, wenn auch nur sehr summarische, theologische
und historische Verarbeitung der von ihm geschilderten Vorgänge
bemüht — beachtenswert ist in diesem Zusammenhang
die treffende Auseinandersetzung mit dem Buch von E. W.
Zeeden, Katholische Überlieferungen in den lutherischen Kirchenordnungen
des 16. Jahrhunderts, 1960 (S. 180 ff.).

Heidelberg Bernd Moeller

Kawerau, Peter: Allgemeine Kirchengeschichte und Ostkirchengeschichte
.

Zeitschrift f. Religions- u. Geistesgeschichte XIV, 1962 S. 305—315.
Rune im an, Steven: The Schism Betwcen the Eastcrn and Western
Churches.

Anglican Theological Review 44, 1962 S. 337—350.
Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Bekenntnis und Bekenntnisschriften
.

Lutherische Monatshefte 1, 1962 S. 446—451.
Vries, Wilhelm de: Die Entstehung der Patriarchate des Ostens
und ihr Verhältnis zur päpstlichen Vollgewalt. Ein Beitrag zur Frage
nach dem Verhältnis von Episkopat und Primat.
Scholastik XXXVII, 1962 S. 341-369.

KIRCHEN GESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Koppen, Klaus-Peter: Die Auslegung der Versuchungsgeschichte
unter besonderer Berücksichtigung der Alten Kirche. Tübingen:
Mohr 1961. III, 126 S. gr. 8° = Beiträge z. Geschichte d. biblischen
Exegese, 4. DM 15.—.

Die Arbeit unseres Verf.s ist angeregt durch eine Untersuchung
seines Lehrers E. Fascher: Jesus und der Satan (Hallische
Monographien Nr. 11, 1949). Fascher hatte gezeigt, „daß und
wie die Theologie seit Beginn der historisch-kritischen Exegese
mit der Versuchungsgeschichte ihre besondere Not hatte" (S. 1).
So stellt sich die Frage: wie ist diese Erzählung in früheren Zeiten
theologisch behandelt worden? Dem geht der Verf. nach;
er tut das in einer Erörterung von staunenswerter Gelehrsamkeit
; sie gilt besonders der alten Kirche; das Mittelalter wird
kurz behandelt; eine Betrachtung Luthers bildet den Schluß.
Dabei wird die Darstellung bei aller Vielseitigkeit nicht unübersichtlich
. Verf. gibt für die frühe Kirche nicht die Entwicklung
der Exegese en bloc, sondern geht den einzelnen Motiven
der Versuchungsgeschichte nach, die regelmäßig, wenn auch in
verschiedenem Lichte, in den Mittelpunkt gerückt werden.

Der Leser erstaunt immer wieder, wie fern die Anfänger
der christlichen Schriftdeutung uns gerückt sind. Für uns ist die
Erzählung vor allem ein Beleg dafür, wie sicher Jesus an entscheidender
Stelle dem jüdischen Messiasbilde entgegengesetzt
wird: hier dürfte ihr ursprünglicher „Sitz im Leben" sein; so
kann auch die Kürze des Markusberichtes nicht überraschen.
Aber die Absicht, zu erklären, wie der Text von den ersten
Lesern verstanden wurde und verstanden werden mußte, ist den
ältesten Deutern kaum je gekommen; mit Juden hatten sie sich
wohl selten genug auseinanderzusetzen, und von den Fragestellungen
der Zeit, in der der Text entstand, waren sie bereits
zu weit entfernt. Die Alten mühen sich z. B., die Frage zu beantworten
: wer wird versucht, der Gott Logos oder der Mensch
Jesus? Einflüsse der Gnosis und verwandter Erscheinungen machen
sich geltend. Dabei wird gern betont, daß der Teufel keine
Klarheit über Jesus gewonnen habe, aber solche gewinnen wolle;
Jesus formuliere freilich seine Antworten 60, daß sie dem
Teufel keine entscheidende Erkenntnis vermitteln. Bezeichnend
ist es, daß unser Verf. selten einen der frühen Exegcten lobt
(vielleicht hätte er selbst das wenige, was er hier bietet, als unbefangener
Geschichtsschreiber noch unterlassen sollen). Ich
führe S. 86 an: Theodoret sage, „daß Jesus über den Teufel
durch menschliche Weisheit, aber nicht durch göttliche Macht
gesiegt habe". „In diesen Ausführungen Theodorets . . . dürfen
wir einen bedeutsamen Beitrag zur Auslegung der Versuchungsgeschichte
in der Alten Kirche sehen". Hier liegt also wenigstens
ein erbaulicher Wert vor.

Für die allgemeine Geschichte der Auslegung ist wichtig,
daß sich wieder die alte Erkenntnis bestätigt: von den Evangelien
wird Matthäus am meisten gelesen (S. 85).

Was der Verf. aus Hippolyts Kirchenordnung anführt,
stammt teilweise keinesfalls aus diesem Werke des Kirchenvaters
(S. 13 und 37). Wenn S. 17 f. über das Fasten bei der
Taufe gesprochen wird, dürfte ein Hinweis auf die Religionsgeschichte
kaum fehlen. Zu S. 48 Anm. („Zinne" des Tempels)
bitte ich J.Jeremias zu vergleichen: Zeitschr. d. D. Pal.-Vereins
1936, S. 195 ff.

Wir sind dem Verf. für seine ertragreiche Arbeit sehr verbunden
. Darf ich nochmals der Religionsgeschichte gedenken?
Die damalige Welt ist voll von Versuchungsgeschichten (Buddha,
Zarathustra, Abraham): es wäre verdienstlich, sie einmal kritisch
zusammenzustellen.

Ahrenshoop Johannes Le i pol H t

Holl, Adolf: Augustins Bergpredigtexegese. Nach ßeinem Frühwerk
De Sermone Domini in Monte libri duo. Wien: Herder [i960].
74 S. gr. 8° Kart. ö. S. 50.—.

Die interessante Arbeit Holls befaßt sich im ersten Teil
(Der Text) mit der Textkritik und Textgestalt (wobei in zwei
Appendices auch die Sprachkenntnis Augustins und Fragen der
Einleitungswissenschaft bei ihm berührt werden), während der
zweite Teil (Die Interpretation) den hermeneutischen Prinzipien
und der Bergpredigtexegese in SM gewidmet ist. Abkürzungs-,
Literatur- und Namensverzeichnis sowie ein Stellenindex erleichtern
die Benutzung des Buches.

Es ist dankenswert, daß der Verf. ständig die Hermeneutik
und Exegese Augustins im Ganzen im Auge hat, 60 daß er der
Gefahr einer Isolierung des Bergpredigttextes in SM (der an
sich recht diffizil ist, gegenüber dem Vulgata-Text aber gewisse
Fortschritte zu zeigen scheint [S. 34 f.]) entgeht. Durch Textvergleich
und Analyse der augustinischen Textkritik kommt H.
zu dem Ergebnis, daß der Kirchenvater sehr verantwortungsbewußt
, wenn auch oft mit unzureichenden Mitteln, um den
Text gerungen habe; H. nimmt damit eine Mittelstellung zwischen
den positiven Urteilen von De Bruyne oder Lagrange und
negativeren Äußerungen ein und schließt sich weithin an
Marrou an (den er indes wohl etwas überinterpretiert). Um
Augustins Bergpredigtexegese verständlich zu machen, hebt H.
erneut hervor, daß der Kirchenvater dem „ganzen Bildungskomplex
der ausgehenden Antike" verpflichtet, aber auch „von
der Polemik gegen die Häretiker" (S. 39 f.) bestimmt gewesen
fei.

Die Ausführungen über den sensus litteralis, den sensus
proprius und den sensus figuratus basieren auf gründlicher
Auseinandersetzung mit der Literatur und auf einem Abtasten
vieler Textstellen. Es wird hieran u. a. deutlich, daß Augustin
sich im Bergpredigttext vielfach mit der Wortexegese begnügt
und eine zu häufige oder zu weit gehende Allegorisierung vermeidet
. „Der Literalsinn erhält gerade in der Bergpredigt ein
ganz besonderes Gepräge: denn der auetor secundarius der in
ihr enthaltenen Lehren ist gewissermaßen der Gottmensch
selbst, dessen Absichten — die der Evangelist nur sozusagen zu
Papier gebracht hat — als Literalsinn zu gelten haben; damit
erhält der Literalsinn eine Transparenz und Ausdehnung, die
er z. B. in einem Psalm Davids niemals erreichen kann" (S. 48).
Soweit sich allegorische Ausdeutung doch findet, betrifft sie vor
allem die „fortschreitende Entwicklung der Wortoffenbarung,
der Lehre vom AT zum NT mit ihrer Ausrichtung auf die
cschata" (S. 50). So wird kaum einmal ein „geschichtlicher"
Bericht analogisch gedeutet (SM 1, 1 [2], PL 34, 1231), während
die drei Totenerwcckungen (SM 1,12 [35], PL 34, 1247) immerhin
weit über ihren Literalsinn hinaus als Bilder der drei Stufen
der Sünde gekennzeichnet werden. Von einem Panallegoris-
mus, der in Augustins „exegetischer Frühzeit" ohnehin unauffindbar
ist, kann jedenfalls in der Bergpredigtexegese keine
Rede sein. H. weist weiterhin nach daß zudem die allegorische
Interpretation in SM durchaus auf dem Wortsinn aufbaut und
daß man in kaum einem Falle „jenen unbewußten Zug zum