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Ausgabe:

1963

Spalte:

302-303

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Benckert, Heinrich

Titel/Untertitel:

Die Stofflichkeit der Abendmahlsgabe 1963

Rezensent:

Peters, Albrecht

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 4

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mit den Sakramenten), in objektiver Gnadenvermittlung. Der lung nicht einlassen, weil sie gesandt ist, um des gottgeliebten
geistlich-amtliche Repräsentant des menschgewordenen Gottes- Menschen willen die Menschheit Christi sagbar, klar, verständ-
wortes läßt die hörenden Glieder der Kirche das Wort Gottes lieh, einfach auszusprechen. Die Kirche ist nicht „das leibvernehmen
(62). haftige Heil"; Christus ist es und die Kirche verkündigt

Die Siebenzahl der Sakramente, mit der Eucharistie als es, indem sie sich des Unterschiedes dieser beiden bewußt
Mitte der Kirche, entfaltet sich organisch als eine in aller Viel- bleibt. Der in der Kirche integrierte Christus verliert alle
gestalt waltende Ordnungseinheit (71), sei es, daß sie das Menschlichkeit des Jesus von Nazareth an den zur Institution
eucharistische Leben möglich macht, sei es, daß sie die mensch- gewordenen, verwalteten, gestalteten Kultbegriff, der so un-
liche Existenz in ihrer Ganzheit auf das Opfer hin und von geschichtlich ist wie es Mysteriendramen immer sind, — mögen
ihm her heiligt (80). Das besagt: Alles ist von der Kirche sa- sie schön, tief und überwältigend symbolhaft sein. Der ver-
kramental durchwaltet. Es findet sich das „Heilmittel für das kulteten Kirche aber entspridit unausweichlich die durchkultete
ganze Leben, und stets harrt ein einsichtiger, frommer Mann, Welt. Die freie Kontingenz der frohen Botschaft in Hören und
um Irrende zurechtzuweisen.. ." (Goethe). Individualität und Gehorsam des Glaubens erstickt in heiligen „Funktionen" (ein
Gemeinschaft kommen in ideale Korrespondenz. Eigentliches Hauptwort des Buches); das Gegenbild totalitärer Mächte er-
„Ursakrament" jedoch ist die Kirche, die den Menschen durch scheint in reinster Form, mit der Zubilligung einer kleinen
die einzelnen Sakramente in die Kirche einholt (90). Der Mensch Freiheit an den kirchlich vereinnahmten Menschen. Daß das
taucht ein in die Lebenseinheit mit Gott, denn „Gott hat sich schon historisch dem Urheber des Evangeliums nicht gutgeschrie-
in die Kirche eingesenkt wie ein Lebensprinzip"; Christus hat ben werden kann, weiß jeder, der unterscheiden lernte zwischen
das so gewollt und geordnet: seine Institution ist der „sieht- dem, was Jesus gesagt hat und dem, was man ihn später sagen
bar gewordene Hcilswille Gottes" (92). Dennoch ist der Mensch ließ. So viel geben die Texte schon noch her, daß man die
in solchem Vorgang nicht einfach Objekt, an dem etwas voll- «chatologische Radikalität der Gottesherrschaft bei Jesus erzogen
wird, sondern ein in die personale Entscheidung Gc- kennen kann als Ansage des Endes der Welt. Hierarchische
rufener, der im Sakrament seine Glaubenshaltung ausdrücken strukturen, auf Dauer eingerichtet, sind etwas anderes. Der
kann und soll (98). Die Sakramente sind, als gnadevermittelnde >wn der Sakramente aber ist dies, daß ihr einfacher Gebrauch
Zeichen, „objektives Wirkmittel und zugleich darstellendes Gemeinde baut, das Wort Christi verdeutlicht und durch die
Ausdrucksmitter (105). Daß sie im rechten Vollzug selbst Freude der Gemeinschaft mit Christus Glauben schafft. Sie sind
wirksam sind, also nicht durch Würdigkeit oder Verdienst des getragen vom Wort; ohne das Wort sind sie stumme, unver-
Vollzichenden, müßte (nach der Meinung des Verf.s) gerade ständliche Gesten. Jesus Christus ist weder Begründer (wo im
auch reformatorischem Denken willkommen sein, weil so die Neuen Testament wäre er es?) noch Inhalt, sondern das Ende
Unabhängigkeit des Gotteswerks gesichert sei. alles Kultes, weil er Gottes eine, vollkommene Gabe an die

Zuletzt sind die Sakramente auch „die Sprache, in der man WeIt ist und weil ihm gar nichts „entspricht" als der Glaube,
miteinander umgeht", festgelegte Zeichen, in denen das Heils- °er diese Gabe annimmt und sie weitergibt in der Dankbargespräch
geführt werden muß (115), wiewohl innerhalb die- *eit der Liebe.

ser Sprachregelung nodi genügend Raum bleibt für die indivi- Mainz Manfred Mezgcr

duelle und freie Gestaltung des menschlichen Sprechens mit

Gott. Zwar sind nicht alle Menschen in diesen Sprachbereich Benck»r* u • l r,- c. m- li j~. au-j .li u t

. . . , . . .it . i ai ci c ■ ±a ^ u "« k e r t, Heinrich: Die Stofflichkeit der Abendmahlsgabe. Zum

einbezogen; viele sind nicht in der Arche auf der Sintflut; aber Gespräch über dje ArnoMshainer Abendmahlsthesen. Witten: Luther-

«ie sitzen auf ihren Randern oder hangen an ihren Kanten Verlag 1961. 48 S. gr. 8» = „Unio und Confcssio". Eine Schriften-

(116). Sic gilt es in die ganze und volle Kirche mit ihrem reihe v. J.Beckmann, G. Härder, W. Kreck u. O. Söhngen, Nr. 2.

Leben in Wort und Sakrament einzuholen. „ Mit dieser Analyse der Ausführungen der lutherischen

Eine etwas übeTsystematisierte, aber folgerichtige Sakra- Vater über die Abendmahlsgabe möchte Benckert anleiten zu

meinsichre römischer Prägung, die wir durchaus verstehen, aber einer „Kritik der Kritik an den Arnoldshainer Thesen" (S. 43).

im Neuen Testament nicht finden. Jesus ist zwar nicht gestalt- Die These 5 c, welche die Aussage, „im Abendmahl würde ein

los, aber eigentümlich gestaltfremd; er hat uns nicht sein Bild naturhafter oder übernatürlicher Stoff dargereicht", als nicht

hinterlassen, sondern sein Wort; und so oft wir das Mahl hal- angemessen zurückweist, ist von einigen lutherischen Theologen

ren zu seinem Gedächtnis, verkündigen - nicht repräsentieren kritisiert worden. Nach Benckert ist ihnen dabei eine undiffe-

- Wir seinen Tod, bis er kommt. Es ist der spezifische, nicht renz.erte Gleichsetzung der Begriffe: materia, substantia, res,

zufallige Eindruck dieses Buches, daß die generelle Symbol- Stoff unterlaufen. Diese Gleichsetzung sucht er zu überwinden,

Und Zcichenwelt der sakramentalen Kirche das Ungeschicht- dazu entfaltet er die Schemata der orthodoxen Theologen,

"chstc. LInpersönlichste, LIngrcifbarste und Abstrakteste ist, Melanchthon hat die aristotelisch-thomistischen Kategorien aus

was sich denken läßt. Eins erklärt sich immer durch das andere. ihrer ontologischen Verwurzelung herausgelöst und sie weithin

Noch innerhalb der katholischen Position wäre anzumerken: als lockere Einteilungsprinzipien verwandt. Die lutherische

daß die karcgoriale Strenge thomistischen Ordnungsdenkens Orthodoxie folgt ihm hierin. Dabei dient vor allem das Kausal-

auch für katholische Leser freundliche Züge gewinnen würde Schema (causa efficiens, materia, forma, causa finalis) zur Ent-

durch größere Nähe zu Augustin. Bei ihm walten nicht vor- faltung des Locus de sacra coena. So bleibt der Begriff der

wiegend die formalen Entsprechungsverhältnisse, sondern die materia gebunden an das Gegenüber der forma. Der Begriff

Inhalte der alles neuschaffenden Gnade. Die zentrale Bedeu- substantia dagegen wird im Gegenüber zu den Akzidcntien ver-

Uing der Caritas leidet unter der Macht des selbstzwecklich wandt, um das allen Erscheinungsweisen zugrunde liegende

Lehrhaften; die Kirche wird, vielleicht gegen den Willen des Identische zu bezeichnen. Benckert zeigt, wie locker und un-

Verf.s, alles beherrschende statt allen dienende Gemeinschaft. reflektiert all diese Begriffe und Denkschemata gehandhabt wer-

Die Welt will und soll durch das fleischgewordene Wort Chri- den. Eine ontologische oder gar metaphysische Besinnung fehlt,

srus weder sakramental durchwaltet noch gnadenhaft über- In manchen Wendungen jedoch nähern sich die lutherischen

formt, sondern einfach geliebt werden, in selbstlos profaner Väter den von Benckert kritisierten modernen Theologen. In

Solidarität. Die aestimablen Ansätze des Verf.s, das Sakrament die Wittenberger Konkordie von 1536 sind die Worte des

ins Leben zu übersetzen, laufen sich tot in der unaufgeschlüs- Irenäus aus Adv. haer. IV 18,5 eingegangen, in welchen das

seit mythologischen Terminologie. „Der Gottmensch wurde Abendmahl als aus zwei „Dingen" bestehend gedacht wird,

Ausrciler des göttlichen Lebens an die erlösungsbedürftige einem irdischen und einem himmlischen. Dabei wird die „coe-

Welt, nachdem er in ewiger Präexistenz empfangend vor dem Iestis res" nicht auf einen abstrakten Logos, sondern auf Christi

Vater steht" (27) — ein Satz stehe für unzählige 6oIche -. ist Leib und Blut gedeutet. Diese Aussagen werden aufgegriffen in

"och nicht einmal eine dogmatische, es ist eine abstrakt-meta- der Konkordienformel (SD VII 14). Ein dinghaftes Gereicht-

Pnysische Sentenz, die gerade den glauben-wollenden Hörer werden und damit ein leiblich-sachhaftes Nahesein des Leibes

mit einer unverständlichen Formel bedient. Die Welt nicht und Blutes Christi unter den irdischen Elementen scheint hier

niW. sondern sogar die Kirche wird sich auf solche Sprachrege- bezeugt zu sein. Benckert möchte diese Konsequenzen jedoch