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1963

Kategorie:

Neues Testament

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 3

204

ist, ist der „Sohn", dem die David-Verheißung gilt, zugleich
der „Erlöser" (vgl. Act. 13, 23. 26. 38 f.). So erreicht L. eine
geschlossene Interpretation der gesamten Paulus-Rede Act. 13,
16—41, deren Grundgedanke die Erfüllung des David-Bundes
in Jesus als „Sohn" und „Erlöser" ist.

Die Erhebung des Befundes im Alten Testament und
Spätjudentum (mit besonderer Berücksichtigung der Qumran-
Schriften) wie auch in den herangezogenen neutestamentlichen
Stellen (bes. zu Ps. 2,7) ist in der Regel im einzelnen eindrücklich
, wenn man auch gelegentlich die Ausführungen gestraffter
wünschte. Das rabbinische Material, das vorrangig dem Midrasch
zu den Psalmen entstammt, scheint mir weniger förderlich zu
sein, da es zum Teil spät ist, zum Teil die zur Verhandlung
stehende Sache nicht eigentlich berühren dürfte.

Dennoch kann die Arbeit von L. als Ganzes schwerlich
überzeugen. Ist es schon an sich fraglich, ob der Verf. der Rede
(als der doch nur Lukas in Frage kommt; L. äußert 6ich nicht
eindeutig darüber, nimmt es aber doch wohl auch an, vgl. S. 8 3)
den ganzen von L. herausgearbeiteten Bedeutungszusammen-
hang der einzelnen zitierten Stellen im Sinn hat, so ist das
jedenfalls für Jes. 55, 3, so wie die Stelle in Act. zitiert wird,
so gut wie ausgeschlossen, da dort gerade der entscheidend
wichtige Bundesgedanke im Wortlaut fehlt (was S. 80 denn
doch wohl etwas zu leicht genommen wird), ein Mangel, der
nicht durch die mögliche Bestimmtheit von rä oain in der LXX
(vgl. aber auch Sap. Sal. 6, 10) aufgewogen werden kann. Damit
ist die wichtigste Stütze der Konstruktion von L. hinfällig
und zugleich seine Interpretation der eigentlichen Schwierigkeit
der Zitatenzusammenstellung Act. 13, 33—3 5 nicht überzeugend.
Mir ist überhaupt wahrscheinlich, daß Lukas das Zitat V. 34
gar nicht als Jes. 55, 3 erkannt hat und daher auch nicht um
seinen eigentlichen Sinn gewußt haben kann . Vielmehr dürfte
die Annahme, daß Lukas von einer ihm vorgegebenen Zitatensammlung
abhängig ist, die größte Wahrscheinlichkeit haben;
diese Zusammenstellung kann freilich ihrerseits von dem
Gesichtspunkt der Erfüllung des David-Bundes bestimmt gewesen
sein. Die Untersuchung von L. hat diese Möglichkeit
annehmbar gemacht.

Nur lose mit dem bisher behandelten Teil verbunden ist
ein 25 Seiten langer Appendix über „Sohn Gottes" bei den
Synoptikern, in dem L. der Frage nachgeht, wie die Bezeichnung
Jesu als Gottes Sohn vor Tod und Auferstehung zu verstehen
ist, da die göttliche Proklamation von Ps. 2, 7 in der Urkirche
auf die Erhöhung Jesu angewandt wurde. "As God's Son, Jesus
is he to whom victory and dominion belong" (S. 110), wobei,
wie 6chon für die vorher behandelten Act.-Aussagen von L.
festgestellt wurde, der Gedanke an die Erlösung im Vordergrund
steht. Dieses Ergebnis, das mit seiner Betonung der im
Sohnes-Titel vorhandenen Herrschaftsidee und ihrer alttesta-
mentlichen Begründung dafür ein wichtiges Moment zur Geltung
bringt, wird durch eine auf diese Frage gerichtete Exegese
verschiedener Stellen der Synoptiker gewonnen. Dabei mag
man gelegentlich dem Verf. nicht folgen können, so besonders
bei seiner Interpretation von Mt. 14, 22 ff. (S. 103 ff., bes.
105 f.), aber im ganzen sind seine Aufstellungen beachtenswert,
so besonders zu Lc. 1, 32 f. (S. 93f.; vgl. schon S. 12f.), Mc.
1, 11 par. (S. 94 ff.; S. 97: "The result is thus that the words
of the heavenly voice at the baptism in all probability allude
primarily to P6. 2 : 7 and Isa. 42 : 1."), aber auch zu Mc. 14,
61 f. par. (S. 107 ff.).

Das Buch beschließt ein Literaturverzeichnis von 12 Seiten
und ein Index der zitierten Bibelstellen, dem man gerne einen
solchen der angeführten Stellen aus den spätjüdischen (einschließlich
der Qumran- Schriften) und rabbinischen Texten beigefügt
gesehen hätte.

Halle/Saale Traugott Hol t z

') Vermutlich hat er es für ein ihm unbekanntes Ps.-Zitat gehalten
; «V higo) V. 3 5 wird nicht "in another /passage/" (so L. S. 81;
dazu vgl. Jo. 19, 37; 2. Clem. 2, 4), sondern "in another /Psalm/" (so
L. S. 5 ; vgl. Hebr. 5,6) bedeuten.

Achtemeier, Paul J.: Is the New Quest Docetic?

Theology Today 19, 1962 S. 355—368.
Bell, Donald L.: A New Quest of the Historical Jesus — A Critique.

Anglican Theological Review 44, 1962 S. 414—120.
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KIRCHEN GESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Peterson, Erik: Frühkirdie, Judentum und Gnosis. Studien und
Untersuchungen. Rom - Freiburg - Wien: Herder 1959. VIII, 372 S.
gr. 8°. Lw. DM 38.—.

Es ist höchst dankenswert, daß der Verf. diese 23 Aufsätze
, die er 1944—58 in Zeitschriften und Festschriften veröffentlicht
hat, in einem Sammelband vorlegt. Denn eine große
Anzahl von ihnen war, da an entlegenen Orten erschienen,
für die deutsche Forschung schwer oder kaum zugänglich. Das
war bei der großen wissenschaftlichen Bedeutung dieser Aufsätze
ein empfindlicher Mangel. Peterson hat alle diese Studien
überarbeitet, im Belegmaterial ergänzt und in der Fragestellung
erweitert; er hat zudem die in französischer oder italienischer
Sprache abgefaßten ins Deutsche übersetzt.

Der Buchtitel deutet den geistes- und religionsgeschichtlichen
Horizont, nicht das gemeinsame Thema dieser Spezial-
studien an und wäre etwa so zu präzisieren: Beziehungen des
Judentums und der Gnosis zur Frühkirche. Ein Gesamtbild
dieser Beziehungen entwirft der Verf. nicht: „Ich muß es andern
überlassen, die hier und auch sonst gegebenen Anregungen
auszuführen" (S. VI). Man mag das bedauern. Aber ein solcher
Entwurf ist wohl noch nicht möglich. Immerhin sind die Ansätze
deutlich: starke, oft unterschwellige Einflüsse des Judentums
und der Gnosis und ebenso eigenartige wie vielfältige
Transformationen dieser rezipierten Elemente durch das frühe
Christentum. Der Verf. weist besonders die Bedeutung jüdischer
Vorstellungen für die Geschichte der Gnosis, des Enkra-
ti6mus und der Konkupiszenzlehre nach.

Wichtiger als die noch nach vorne auszuziehenden Linien
ist das, was die Aufsätze faktisch bieten, seien es Erkenntnisse
oder Thesen oder Probleme. Die Thematik der „Studien und
Untersuchungen" ist denkbar vielfältig und bunt; sie reicht
von der „Befreiung Adams aus der 'Avdyxrj" und dem „Problem
des Nationalismus im alten Christentum" über Beiträge
zu den Apostolischen Vätern, Märtyrerakten und apokryphen
Apostelakten bis zur „Behandlung der Tollwut bei den
Eichasaiten" und zu den „geheimen Praktiken eines syrischen
Bischofs". Es ist methodisch und sachlich höchst lehrreich, wie
Peterson Tradition und Transformation oder Rezeption scheidet
und so geschichtliche Zusammenhänge erhellt. Die Fülle
der dabei gewonnenen semasiologischen, form- und religionsgeschichtlichen
Beobachtungen ist nahezu unerschöpflich. Und es