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Ausgabe:

1963

Spalte:

185-194

Autor/Hrsg.:

Ettisch, Ernst

Titel/Untertitel:

Der große Sonnenzyklus und der Qumrankalender 1963

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Theologische Literaturzeitung 88. Jahrgang 1963 Nr. 3

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genommen und geht durch diese Geschichte hindurch einer üher- der evangelische Theologe 6ie seinerseits aufnehmen will. Aber

schwenglichen Endvollendung entgegen. Die Einfügung der ma- die Darlegungen des Verfs. sind, wenn ich so sagen darf, durch-

teriellen Welt in das Heilshandeln Gottes weist mehrere Stufen aus dieser Korrektur fähig und darum auch für eine evange-

auf, die alle auf das Ende hinzielen. Schon in der Erschaffung lische Eschatologie von Bedeutung.

erhalten auch die materiellen Werke Gottes eine Ausdrucks- Auf die kanonistischen Abhandlungen der Münchener Fest-
und Zeichenfunktion für die Wirklichkeit des Schöpfers, auf die sebrift von Klaus Mörsdorf, Der Träger der eucharistischen
viele Psalmen, auch Rom. 1, 19 f. hinweisen. Schlechterdings Feier, Matthäus Kaiser, Manifestation des öffentlich-rechteinschneidend
für die „Heilsgeschichte" der Materie ist die In- liehen Charakters der Eucharistie in der Applicatio pro Populo,
karnation. „Was hier an der Materie geschah, kann grundsätz- und Audomar Scheuermann, Der eucharistische Ort nach
lieh nicht mehr überboten werden" (II 165). kirchlichem Recht, können wir hier leider nicht eingehen. Da-
Während die Inkarnation den beseelten Leib ergreift, wird mit soll keineswegs gesagt sein, daß sie für den evangelischen
in den Sakramenten die Materie unmittelbar „gleichsam in ihrer Theologen nebensächlich wären. In ihnen begegnet ihm näm-
ontologischen Kargheit und Armut" in Dienst genommen. Bei lieh die Messe in vieler Hinsicht in einer Weise, die in den
der Reflexion über die Eucharistie spielt natürlich die Transsub- dogmatischen Abhandlungen verborgen bleibt. Die Meßpraxis
ßtantiation für den Verf. die entscheidende Rolle. Durch die mit ihren Meßstipendien und Applikationen entwirft ein Bild,
Wandlung der Elemente wird Materie in die Herrlichkeits- das nicht selten in einer außerordentlichen Spannug zu dogma-
existenz hinaufgehoben, ein Vorgang, der nach dem Schema tischen Erkenntnissen zu stehen scheint, wenn sich auch bei
pars pro toto die ganze Weltsubstanz umgreift. „In der Wesens- näherem Zusehen dann doch die Verbindungslinien heraus-
verwandlung findet also eine consecratio der Welt in ihren stellen. Darum wird man dogmatische Aussagen über die Messe
Elementen statt" (II 168). Wenn dabei Brot und Wein ihr immer auch im Lichte kanonistischer Bestimmungen sehen und
eigenes Wesen aufgeben müssen, so wird zwar nach der Deu- dementsprechend beurteilen müssen.

tung des Verfs. in den bleibenden Gestalten die Bedeutung der Wenn ich zum Schlüsse noch einen Gesamteindruck formu-

Materie auf ihre reine Zeichenfunktion reduziert, damit aber lieren soll, den die Beschäftigung mit der hier angezeigten

gerade eine unerhört hohe Ausdrucksfunktion erreicht. Literatur hinterlassen hat, dann ist es dieser: Das Dogma von

Auch die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi unter der Messe und die katholische Lehre von der Eucharistie stehen

den Gestalten will Verf. für eine theologische Betrachtung der offensichtlich in engster Beziehung zu einer bestimmten, in der

Materie fruchtbar machen. Nach katholischem Verständnis ge- Geschichte gewachsenen Frömmigkeit. Die Auseinandersetzung

winnt die Leiblichkeit des Auferstandenen erst in ihrer sakra- zwischen katholischer und evangelischer Theologie ist letzten

mentalen Daseinsweise unter den Gestalten von Brot und Wein Endes im stillen immer auch eine Auseinandersetzung zwischen

Anteil an der Daseinsweise Gottes. Verf. erblickt darin einen Frömmigkit und Frömmigkeit. Auch in den edlen Formen der

Hinweis darauf, daß eine Erhebung des Leibes über jede kör- katholischen Eucharistiefrömmigkeit bleibt für den evangelischen

Perliche Existenzweise zur Anteilnahme am Dasein und Wirken Christen ein Rest, der ihm fremd ist und fremd bleibt. Die

Gottes durchaus zu der eschatologischen Bestimmung der Ma- Grenzlinien, die in der dogmatischen Erörterung sichtbar wur-

teric gehören kann. Der evangelische Theologe fragt sich, war- den, sind noch nicht die tiefste und eigentliche Grenze. Welches

um diese Erhebung des Leibes nicht schon im Blick auf den Eingreifen Gottes diese tiefste und eigentliche Grenze über-

F-rhöhten ausgesagt wird, wenn sie doch dem unter Brot und Winden kann, wissen wir nicht. Unsere kontrovers-theologi-

Wein gegenwärtigen Leib Christi nach den Darlegungen des sehen Bemühungen bewegen sich, von diesem Hintergrund her

Verfs. bereits zukommt. gesehen, auch im besten Falle in einem sehr vordergründigen

Es liegt auf der Hand, daß viele Aussagen des Verfs. eine Felde des Vorläufigen. Es wird gut sein, sich dessen in aller

einschneidende dogmatische Korrektur erfahren müssen, wenn Nüchternheit bewußt zu bleiben.

Der große Sonnenzyklus und der Qumrankalender

Von Ernst Et tisch, Berlin

In der Qumränforschung wird zur Zeit lebhaft darüber An anderer Stelle2 ist bereits die dem Qumrankalender

diskutiert, ob der Qumrankalender überhaupt funktionsfähig zugninde liegende Symbolik weitgehend aufgezeigt worden,

gewesen ist und tatsächlich über längere Zeiträume hinweg an- Im einzelnen konnte folgendes nachgewiesen werden:

gewendet werden konnte. Eine bejahende Antwort wäre j) Das jahr in Qumrän begann mit einem Mittwoch, dem

arm zu geben, wenn die Qumränpriester bereits den aus 28 vierten Tag der jüdischen Woche, in Erinnerung an die Erschaf-

janren bestehenden sogenannten großen Sonnenzyklus gekannt fung der Sonne am vierten Schöpfungstag (Mittwoch).

aeen sollten. Könnte dieser Nachweis erbracht werden, so wäre 2) AHe Quarta,sanfange des Qumränkalenders fielen

Die Srüo funktl°nsfaniSkeit des Qumränkalenders erwiesen. auf einen Mittwodi jn Erinnerung an den ersten Jahreslauf der

im Verllnf fT' T dnen Ausg,eidl herbeizuführen, Sonne nach ihrer Erschaffung, in dem auch alle Quartale nach

müssen' V°" 28 " fünfmal eine Wodle interkalieren Ansicht der QumTänpriester mit einem Mittwoch begonnen

, ' hatten.

KalenLs':nCrv!tUffe:.f'iUr- F""kti°nsfähigkeit des essenischen 3) Das Jahr {n Qumran b n mlt dem Frühling und nicht

«n ernimmt "es nun A «I, V" " • ^ ReVUC dt ~ T< dem H"bst' ™ den Kenauen ZeitPunkt der Erschaffung
erbringen Er ve«uAt StI„fd' eincn 7ftd ' r^ k t e n Bewe.s zu der Sonne symbolisch zu fixieren. Dieser wurde durch den
84jährige Sonnenzykb dS'^, tu""1 15° v" c1\ Qumra"kalender auf den Eintritt des Frühlingspunktes in das
besteht ii vSÄ'll™ l Cn V0" jC 28 ,ahrC" Tierk^iszeichen des Stieres am Tage der Frühlings-Tagundnacht-
sen ist und afscTauch den n a]h™ein bekannt gleidlc ~ einem Mittwoch - um Null Uhr jüdischer Zeit festsein
muß Das vonStrrS ?um/.?.nBr,e«ern geläufig gewesen gelegt. Hieraus ergibt sich, daß das Datum der Weltschöpfung
essanAber es llt dS l a"gefuhrtc Material hochinter- nach dem Qumrankalender mit dem des offiziellen jüdischen
Bewe s dafür 7 c w ^aUS aU* einen direkten Kalenders, nach dem die Welt im (julianischen) Jahr 5761 v.Chr.
SoTnTnzvklüc' he™ ♦kt* Ken"tnls von dem 28jährigen geschaffen worden ist, fast völlig übereinstimmt,
onnenffier von 0„m - T läßt ^-f"* Der Qumränkalender gibt somit den genauen Zeitpunkt
wir müssen den A md i™™ Te6te? ^ der Erschaffung der Sonne wie auch ihren Umlauf im ersten
wir müssen den Kalender nur zu lesen verstehen und uns zu ________ 6

h'Sverslän ^ V0mellunSen des antikcn JudentUmS ') Siehe von mir die Artikel: „Eschatologisch - astrologische Vor-

_____ Stellungen in der Gemeinderegel (X, 1-8)" in Nr. 5 und „Die Ge-

~ meinderegel und der Qumrankalender" in Nr. 9 der Revue de Qumran,

') Vgl. A. Strobel: ThLZ 1961, Nr. 3, Sp. 181. paris-