Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1962 Nr. 2

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

129

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 2

130

diesen Beitrag muß man dem Herausgeber besonders danken.

Eduard Sprangers Aufsatz „Leben wir in einer Kulturkrisis?"
und Arnold Toynbees Beitrag „Saeva Necessitas? Kritik der
Theorien über den Zerfall der Kulturen" stehen als große aufrüttelnde
Fragen und abschließende Höhepunkte vor uns. Toynbee
heißt uns hoffen und mahnt zum Handeln. Spranger ruft uns auf.
..ernstlich zu wollen"; und er schließt: Der Erfolg alles Wollens
liegt in höherer Hand. Mahnung und wagendes Hoffen und
Glauben ist das letzte Wort der heutigen Philosophie zur Sinnfrage
. Das ist auch ein Wort, das sich an die Theologie richtet.
Die Theologie, besonders die Systematik, ist durch das großartige
Werk des Symposions wieder zu neuer Antwort gefordert.

Ulm a.D. Ulrich Mann

H u b b c I i n g. H. G.: Die Überwindung des Zweifels und ihre Bedeutung
für die religionsphilosophische Kriteriologic.
Niederlande Theologisch Tijdschrift 14, 1960 S. 187—199.

Jaspers, Karl: Wahrheit und Wissenschaft.
Univereitas 16, 1961 S. 913—929.

l-ocn, A. E.: Natuur, wcrkelijkheid, totaliteit?

Ncderland« Theologisch Tijdschrift 14, 1960 S. 264—291.

Meyer, Hans: Oswald Spengler und seine Vorläufer.
Stimmen der Zeit 169 (Jg. 87, 1961/62) S. 33—45.

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Bröcker, Walter, u. Heinrich Buhr: Zur Theologie des Geistes.

Pfullingen: Ncske [i960], 124 S. 8°.

Der Kieler Philosoph Bröcker und der württembergische
Pfarrer Buhr legen uns ihre Beiträge vor, die sie gemeinsam unter
folgendes Vorwort stellen: ,,Die Korrektur der theologia crucis
durch die theologia Spiritus, deren Vorkämpfer Hegel und Hölderlin
gewesen sind, ist keineswegs eine abwegige Ketzerei. Ihre
Quelle ist das Johannis-Evangelium und ihre feierliche Sanktion
der dritte Artikel des Glaubensbekenntnisses. An die Theologie
des Geistes zu erinnern scheint den Verfassern der folgenden
Aufsätze heute an der Zeit." Nun geht es aber keinesfalls in diesen
Beiträgen um eine Pneumatologie oder gar um einen pneu-
matologisch gegründeten Entwurf einer Theologie. Vielmehr soll
mit „Theologie des Geistes" auf den rechten Geist rechter Theologie
verwiesen sein, wie solch Geist schon bei Hegel und Hölderlin
anzutreffen ist. Damit ist auch die gemeinsame Gesprächsbasis
zwischen dem Philosophen und Theologen gegeben. —

Nun zunächst zu den Beiträgen Buhrs, die den überwiegenden
Teil des Bandes ausmachen und unter den Themen „Hölder-
linsche Theologie" und „Dogma und Wahrheit" stehen. Im
ersten Beitrag geht Buhr von der Erkenntnis aus, daß das Solus
Christus zu einer Verengung und Verkürzung christlicher Theologie
und Existenz geführt habe. Diese damit gegebene Weltabwendung
und Weltferne gilt es zu überwinden. „Denn wir haben
Christus mit «anderen», mit «anderem»" (15). — „Man kann
die Problematik, ob und wie man denn Christus mit anderen,
oder die Gottes- und Christuslicbc mit anderem, da6 man auch
liebt und lieben oder verehren muß, zusammen haben könne, auf
die politische Formel bringen: Koexistenz" (17). Der Weg zu
solcher Koexistenz Christi mit den Göttern des griechischen
Olymp wird uns schon durch die religionsgeschichtliche Forschung
eröffnet. Sie hat uns erwiesen, daß die christologischen Prädikate
und Daten in der hellenistischen, mythologischen Umwelt der
Göttersohn-Mythen als Denkmustcr (pattern) vorgegeben und
vorbereitet waren. Wer könnte da noch fcrennscharf zwischen
Mythologie und Christologie unterscheiden? Wie sollte da noch
von einer Präponderanz Christi gesprochen werden? „Diese Position
ist nur noch dumm — nicht nur dumm, denn sie muß pharisäische
Arroganz und Überheblichkeit decken" (30). Immerhin
muß festgehalten werden, daß Christus das Endglied dieser antiken
Mythologie ist, daß er als der „Einzige" als der „Letzte"
überbleibt und den Mythos überlebt. „Nur dies ist erstaunlich,
wie man hinzufügen muß, daß von da an dieser Titel keinem
anderen mehr gegeben werden konnte, jedenfalls keinem mehr
gegeben worden ist" (24).

Damit haben wir schon die Brücke betreten, die zu den
Christus-Hymnen Hölderlins hinüberführt, von denen hier „Der

Einzige" und die „Friedensfeier" neben anderen Hymnen wie
„Versöhner, der du nimmergeglaubt" usw. im Vordergrund der
Auslegung stehen. Buhr tut dar, wie schon Hölderlin mit dieser
Frage Christus der „Einzige", der „Letzte", der Große unter den
Großen gerungen hat bis hin zur Frage des Schuldigwerdens um
solcher Problematik willen. Diese Hölderlin-Interpretation in der
Gefolgschaft Martin Heideggers erbringt einen wertvollen Beitrag
zu dem Alleingültigkeitsanspruch des „Solus Christus". Sie
offenbart zugleich Buhrs gutes Verwurzeltsein in eigener
Hölderlinforschung. Buhr stellt die Frage: „Ist es Blasphemie,
wenn Hölderlin nun von dem Kleeblatt Christus-Herakles -
Bacchos 6ich zu sprechen getraut? Ist dieses Zusammensein nicht
besser als das gewohnte von Christus, Mammon und Mars?" (36).

Der Problem-Horizont, in dem sich diese Ausführungen
bewegen, leuchtet durchweg auf und wäre auch ungut abzublenden
gewesen. Die Bindung der Christologie an die Mythologie
fordert nach Ursprung und Sprache die These geradezu heraus:
„Nicht Ent-Mythologisierung, sondern Mythologisierung" (12).
Denn der Mythos ist und bleibt eine genuine Denkform und
Sprache der Religion und also der Christologie. „Entmythologisieren
leistet in dieser Hinsicht nichts" (19). Nicht zu umgehen
ist in solcher Auffassung das Problem der Theologie selber, insofern
damit das Selbstverständnis dieser Disziplin zur Frage steht.
Die geistesgeschichtliche Ehe zwischen Theologie und Metaphysik,
wie sie uns seit der Scholastik überkommen ist, muß mit Martin
Heideggers Fragestellung „Was ist Metaphysik" erneut als eine
Mesalliance erkannt werden (48/49). Die Theologie muß als eine
Wissenschaft 6ui generis ausgewiesen werden, als Mythologie.
„Theologie wäre insofern als Mythologie der Erfahrung möglich
" (53).

Der zweite Beitrag von Buhr behandelt das Thema „Dogma
und Wahrheit". Es ist als ein Essay zu werten, vielleicht auch
nur als ein umgreifender Aphorismus. Jedenfalls eine Aussage,
die sich gegen eine Fides historica, gegen ein „Für-wahr-Halten
der Heilstatsachen" (113) richtet und zu der Feststellung hinführt
: „Ein Dogma hat Kraft, wenn es als das öffentliche Ideal
und Bekenntnis nicht nur Gerede oder Mache ist, sondern verbindliche
Macht, wenn es über das Gegenwärtig-Sinnliche und
Vergehende hinausreißt ins Offene der Zukunft: prophetisch.
So wäre es verständliche Artikulation und Mitteilung erfahrenen
und erhofften Heils, Sinn und Ordnung gewährende oder stiftende
Einsicht, lichtender Einhieb in die Wildnis des Unverständlichen
" (123).

Bröckers erster Beitrag behandelt „Die christliche Hoffnung"
und erwächst aus dem Spannungsfeld um den historischen Jesus
und kerygmatischen Christus, wie es uns heute aus der Leben-
Jesu-Forschung von Albert Schweitzer überkommen ist. Dabei ist
Bröcker keinesfalls mit dem uns hier bewegenden Kontinuitätsproblem
zwischen dem histor. Jesus und kerygmat. Christus beschäftigt
, sondern geht von einer bereits vorangestellten Vorentscheidung
aus. Die Jünger haben sich eine „kleine Umdeu-
tung" erlaubt, indem sie Jesus mit dem Menschensohn gleichsetzten
(67). Damit ist die eigentliche Frage nach der christlichen
Hoffnung, Wiederkunftshoffnung des Menschensohncs und jüngstem
Gericht bereits in nuce vorweg entschieden. Bröcker trägt
j jetzt eine kritische Betrachtung der Auferstehungstexte vor,
woran 6ich eine kritische Darstellung der Wiederkunftsfrage und
des jüngsten Gerichtes anschließt. Die Untersuchung führt zu dem
I Ergebnis: „Da eine postmortale Existenz in der Form der Auf-
j erstehung und in der Form des Überlebens der Seele gleich un-
j glaubwürdig geworden ist, bleibt auch die Hoffnung auf eine ge-
! schichtliche Zukunft, in der die Welt wieder Heimat sein kann,
i die einzige heute noch mögliche Gestalt der christlichen Hoff-
i nung" (84).

Bröckers zweiter Beitrag beschäftigt sich mit der Frage
| „Mythos und Physik" und wirft die Frage auf: „Widerspricht der
Mythos der Physik?" (8 5). In den Naturwissenschaften begegnet
' uns das Denken, da6 auf die Physis gerichtet ist, die Verfahrensweise
der Objektivation, das Erfassen der Regelmäßigkeit der
Erscheinungen. Hier geht es um Naturbeherrschung. Das Denken
! des Mythos treffen wir im Bereich der Dichtung an, als ein Ver-
i fahren der Anteilnahme, Liebe und Einfühlung (8g/89). So haben
! wir also zwei Verfahrensweisen zur Erfassung der Wirklichkeit