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Ausgabe:

1962 Nr. 2

Spalte:

123-124

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Synesius Cyrenensis, Dion Chrysostomos oder vom Leben nach seinem Vorbild 1962

Rezensent:

Leipoldt, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 2

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geschlechtes betrachtet hatte, erhält bei Tertullian der Einzelne sein
Gewicht durch seine Freiheit, die zu Heil oder Unheil führen kann.
Bereits bei Tertullian ist die augustini6che Zeit- und Geschichtsauffassung
vorbereitet.

Den Ergebnissen der Untersuchung wird man weitgehend
zustimmen können; ähnliche sind ja auch bereite in der bisherigen
Forschung erreicht worden. Freilich merkt man nicht selten,
daß hier mehr ein moderner Systematiker als ein Historiker am
Werke ist; aber das erfährt man schon in der Einleitung, wo den
Historikern einige Mahnungen zuteil werden. Die Historiker
sehen übrigens selber schon aus dem Literaturverzeichnis, daß
die systematischen Gesichtspunkte überwiegen.

Trotz der schwierigen Gedankengänge Tertullians hätte man
eine übersichtlichere Disposition gewünscht; z. B. stünde § 5, 4
(Tertullianforschung) besser gleich am Anfang von § 5. Da der
Begriff caro für das Thema so wichtig ist, hörte man gerne etwas
darüber, ob caro im biblischen oder im hellenistisch-stoischen
Sinn verstanden werden soll. Im Quellenverzeichni6 sollte man
wenigstens Clemens AI., Eusebius und Hippolytus nicht mehr
nach Migne anführen. C. Schmidts Kopt.-gnost. Schriften 6ind
1959 in 3. Auflage erschienen. F. J. Dolgens Ichthys umfaßt
5 Bände. Hugo Koch und Hai Koch müßten offenkundiger unterschieden
werden. Was hat Levi-Brühl, Le surnaturel et la nature
dans la mentalite primitive in einer patristisch-dogmengeschichtlichen
Untersuchung zu bedeuten? Man kann sich des Eindrucks
nicht erwehren, als 6ei ein Teil der im Literaturverzeichnis genannten
Arbeiten mehr zur Füllung als zur Einsichtnahme aufgezählt
worden. Ein Teil der älteren Untersuchungen ist längst
durch neuere überholt, die aber nicht alle zitiert werden. Das
Vertrauen zur Arbeitsweise wird nicht gestärkt, wenn man bei
Stichproben Unstimmigkeiten und unhaltbare Behauptungen entdeckt
, wie es etwa die folgenden sind: S. 25, Anm. 57 muß die
Übersetzung lauten: der Geist wird im Wasser körperlich abgewaschen
. S. 60 f., Anm. 90: apertus homicida kann im Zusammenhang
nur bedeuten: offenkundiger Mörder, d. h. wer nur aus
Furcht vor der Todesstrafe dem Gesetze folgt, wird 6ich hüten,
einen Mord zu begehen, obwohl er in seiner Gesinnung doch
ein Mörder ist. S. 87: Tertullians Schriften 6ind zwar meist
Gelegenheitsschriften, aber keine gehört zur Gattung der Eis-
agoge; vgl. K. Th. Schäfer, Eisagoge: Art. im Reallex. f. Antike u.
Christentum 4, 862/904. — S. 92: Tertullians Animosität gegen
das Heidentum ist zwar sehr persönlich, aber ebenso gut nordafrikanisch
; vgl. W. H. C. Frend, Donatismus: Art. im RAC 4,
128/47. — S. 100, Anm. 117: Scorp. 10, 6 richtet sich gegen die
gnostische Himmelsreise der Seele; wenn dem Christen überhaupt
der Himmel offen 6teht, dann braucht er keine Schwierigkeiten
auf dem Weg zu überwinden. S. 105: die Passio Perpetuae wird
kein Kirchenhistoriker als „die grundlegende Schrift des Montanismus
" bezeichnen. S. 107: Wie soll der gno6tische Begriff der
yveöotc üeov ausgerechnet auf Philo zurückgeführt werden können
? S. 109: Mußte Justin den Logosgedanken gerade über Philo
aus der stoischen Philosophie entnehmen? Er hat ja doch selber
stoische Schriften gelesen. Geradezu verwegen ist die Behauptung
, Tertullian habe die 6toische Philosophie aus Varros Antiquitäten
kennen gelernt. S. 171, Anm. 44: das Zitat orat. 5 kann
nicht stimmen. Anm. 48: Prax. 3,2 oikonomian intellegere
nolunt etiam Graeci bedeutet im Zusammenhang, daß griechisch
sprechende Monarchianer von der oikonomia nichts wissen wollen
, obwohl 6ie doch das griechische Wort verstehen, während
Lateiner viel von monarchia reden, obwohl dies ein griechisches
Wort ist. Von einem Gegensatz Tertullians zu einer griechischen
Tradition kann hier keine Rede 6ein.

Bonn Alfred Stuiber

Synesioi von K y r e n e : Dion Chrysostomos oder Vom Leben
V nach seinem Vorbild. Griechisch und deutsch von Kurt Treu.
Berlin: Akademie-Verlag 1959. V, 66 S. gr. 8° = Schriften und
Quellen der alten Welt, hrsg. v. d. Sektion f. Altertumswissenschaft
bei d. Deutschen Akademie d. Wiss. zu Berlin, Bd. 5. Kart. DM 6.80.

Synesios war ein Schüler der Neuplatonikerin Hypatia (f 415
durch die Gewalttätigkeit von Mönchen); 410 wurde er zum
Bischof von Kyrene gewählt. Er ist ein Mann des Maßhaltens und
der Mitte; man hat ihn den letzten Griechen genannt. In dem

vorliegenden Text wird der Einsiedler Antonius (von Koma)
neben Zoroaster und Hermes (Trismegist06) als Geistesheld genannt
(S. 33). Aber Synesios verschreibt sich nicht dem Mönch-
tum. Bei seiner Wahl zum Bischof erklärt er, daß er sich nicht
nur nicht von seiner Frau trennen werde, sondern noch weitere
Kinder wünsche (und wird trotzdem geweiht). Er meint, Askese
im Sinne von Leidenschaftslosigkeit 6ei unmöglich: „Die Leidenschaftslosigkeit
ist in Gott seiner Natur nach, während die Menschen
, indem sie Schlechtigkeit mit Tugend vertauschen, ihre
Leidenschaften mäßigen können" (S. 25). Ebenso warnt Synesios
vor einer Überschätzung der Ekstase (S. 25). Für seine sittliche
Haltung sei der Satz angeführt: „Meinen Grundbesitz habe
ich verringert, von meinen Sklaven sind mir viele zu gleichberechtigten
Mitbürgern geworden" usw. (S. 47; er ließ wohl
viele frei).

Wir sind dem Verf. dankbar, daß er auf Synesios wieder
aufmerksam machte, eine 6einer wichtigsten Schriften neu herausgab
und mit Übersetzung versah, samt dem Begleitschreiben, mit
dem Synesios das erste Stück seiner Arbeit seiner Lehrerin übersandte
. Es handelt sich um ein philosophisches Büchlein, das von
einer Würdigung des Dion von Prusa ausgeht, eines Wanderredners
aus der Apostelzeit. Synesios wendet sich hier an 6eine
Gegner, spricht aber zugleich seinen (noch ungeborenen) Sohn an.
um ihm den rechten Weg zu weisen. Auf den Unterschied von
Rhetorik und Philosophie wird dabei entscheidend Gewicht gelegt
. Die nötigen Erläuterungen hat der Verf. in Einleitung und
Anmerkungen hinzugefügt.

Ahrenshoop Johannes Leipoldt

Weber, Hans-Oskar: Die Stellung des Johannes Cassianus zur nußer-
pachomianischen Mönchstradition. Eine Quellenuntersuchung. Münster
: Aschendorff [1961], XXIII, 132 S. gr. 8° = Beiträge zur Geschichte
d. alten Mönchtums u. d. Benediktinerordens, hrsg. v.
St. Hilpisch u. E.V.Severus, H. 24. Kart. DM 15.—.

Das Buch ist eine erweiterte Dissertation, welche bei der
Theologischen Fakultät Göttingen maschinenschriftlich im Jahre
1951 eingereicht worden ist. Der Verfasser hat es sich zur Aufgabe
gemacht, festzustellen, ob Cassian die Apophthegmen, die
ältesten Selbstzeugni6se des Mönchtums kennt, und falls 6ich
eine solche Kenntnis nachweisen läßt, zu zeigen, wie Cassian
diese Tradition aufgenommen und verarbeitet hat. W. Bousset
hat in 6einer Untersuchung: Apophthegmata. Studien zur Geschichte
des ältesten Mönchtums, 1923, für die Sichtung der
Sammlung wertvolle Vorarbeit geleistet. Leider war ihm wie
auch H. O. Weber keine kritische Ausgabe der Apophthegmata,
die immer noch fehlt, zur Hand. So mußte sich der Verfasser mit
der Ausgabe bei Migne (MSG 65, 71—440) begnügen. Weiter
hat Weber die auf eine griechische Vorlage zurückgehende Sammlung
der Verba 6eniorum (MSL 73, 855 ff.) und die Schriften des
Euagrius Pontikus seiner Arbeit zugrunde gelegt.

Die Schrift beginnt mit einer biographischen und bibliographischen
Übersicht über Cassian, dessen grundlegende Bedeutung für die Geschichte
des Mönchtums bekannt ist. Die Untersuchung 6etzt die Tatsache
voraus, weldie bei einem Vergleich östlichen und westlichen
Mönchtums immer wieder deutlich wird, daß die Gestaltung des orientalischen
Mönchtums im Hinblick auf die andersartigen Verhältnisse
im Abendland (geographischer, klimatischer, dogmatischer und anderer
Art) dort nicht einfach übernommen wird. Eine Erschwerung der Untersuchung
sieht der Verfasser mit Recht darin, daß Cassian in Bethlehem
in einem Kloster lebte, wo er das Cönobitentum kennen lernte, dann
aber in Ägypten die Anachorese schätzen lernte. In Cassians Collatio-
ncs und in De instituti« coenobiorum wird deutlidi, wie sein Herz für
die Anachorese schlägt, seine Aufgabe und Pflicht als Vorsteher zweier
Klöster in Gallien aber ihn zwang, das Cönobitentum zu empfehlen.
H. O. WebeT geht in seiner Arbeit so vor, daß er in einem 1. Teil
Proben der Übernahme und Verarbeitung der Apophthegmen bei
Cassian gibt. Im 2. Teil werden die verschiedenen Wandlungen der
Apophthegmen bei Cassian gezeigt. Der 3. Teil macht deutlich, wie bei
Cassian aus der Mönchszelle in der Wüste der Bau des abendländischen
Klosters geworden ist.

Es können hier nicht die insgesamt 85 Proben der beiden
ersten Teile besprochen werden. Sie machen wesentlich die Untersuchung
aus und zeigen das lebendige Verhältnis Cassians zu den
Worten der Wüstenmönchsväter und zu den Logien derselben.
Cassian gibt 6ich dabei nicht mit einer ehrfurchtsvollen Überlie-