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1962 Nr. 2

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Kirchengeschichte: Allgemeines

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121 Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 2 122

Johannes Stoichowitsch von Ragusa) und aus der Kartause zu
Basel (St. Margaretental, dort auch die neben einzelnen wertvollen
Handschriften zahlreiche Wiegendrucke enthaltende
Bibliothek des Johannes Heynlin a Lapide). Den einzigen vollständigen
Nachweis über die Basler Handschriften bietet bisher
das von dem Gräzisten und Bibliothekar Johann Zwinger 1672
— 1678 angelegte Inventar, das Gustav Haenel in seinen Catalogi
librorum manuscriptorum (Leipzig 1830) summarisch abdruckte.
Als der Bibliothekar Gustav Binz zu Beginn unseres Jahrhunderts
sich einem neuen, beschreibenden Handschriftenkatalog zuwenden
konnte, bearbeitete er zunächst, angeregt durch die Deutsche
Kommission der Preußischen Akademie der Wissenschaften und
deren Bemühungen um die Erschließung der deutschsprachigen
Handschriften, die deutschen Codices (Die Deutschen Handschriften
der öffentlichen Bibliothek der Universität Basel;
Bd. 1, Basel 1907). Nach einer längeren Zwischenpause, in der
Germain Mori OSB an den Handschriften arbeitete, und nach
fünfzehnjährigen Vorarbeiten legt nun der derzeitige Leiter der
Handschriftenabteilung. Gustav Meyer, einen weiteren Katalogband
im Druck vor, der die Signaturengruppe B (Theologische
Pergamentcodices) enthält und damit den bei weitem wichtigsten
Teil der Basler theologischen Handschriften erschließt. Wie Binz,
so behält auch Meyer die schon von Johann Zwinger her überlieferte
Gruppeneinteilung für den neuen Katalog bei. Die
Standnummern haben den Typus All, BI 1 usw., eine Praxis,
die schon in den Signaturen der Kartäuserbibliothek vorgeformt
erscheint.

Von insgesamt 321 Handschriften der Gruppe B werden im
ersten Teilband 167 (von B I 1 bis B VIII 10) auf 882 Seiten
Lexikonformat verzeichnet. Einige bekannte Zimelien, wie die
Handschrift des NT graece, die Erasmus benutzte, fehlen in dieser
Reihe, da sie in anderen Gruppen stehen. Die analytische
Beschreibung der einzelnen Handschriften ist also ungewöhnlich
eingehend. Meyer, der als Philologe von der Arbeit am Thesaurus
linguae Iatinac herkommt, bekennt sich ausdrücklich zum
Prinzip der „Totalaufnahme" jeder einzelnen Handschrift, und
so hat er denn die gründlichste Philologenarbeit geleistet. Die
Texte werden so genau wie möglich mit ihren Initien verzeichnet
, Sammelhandschriften bis in alle Einzelheiten erfaßt. Der
Textbcstand, Gliederung, Unterteile, Anordnung, Schlüsse, Lesarten
werden verzeichnet, unbekannte singulare Texte nach Möglichkeit
in extenso abgedruckt. Was die tabulae, registra, indices,
die Ränder, die Schmutzblätter, die vermakulierten Blätter an
Eintragungen, Bruchstücken, Texten, Versen bieten, wurde gebucht
. Oft sehr ausgedehnte bibliographische Notizen folgen:
unter D die Drucke und Ausgaben der Handschrift, unter V Verfasser
- und Echtheitskriterien, unter L die Sekundärliteratur,
unter H Nachweise über das Vorkommen des Textes in anderen
Handschriften, unter N (Notabilia) endlich ein philologischer
Kommentar. Die Beschreibung der äußeren Merkmale (Mat. '
Beschreibstoff, Sehr.: Schrift, einschließlich der paläographischen
Datierung und der Schreibereinträge, Min. = Buchschmuck,
I.tg. = Einband, Prov. = Provenienz) hat Meyers Mitarbeiter
Max Burckhardt angefertigt. Die in einigen Handschriften
vorkommenden hebräischen Fragmente wurden von Benedikt
Hartmann, Basel, und Rabbiner S. S p e i e r, Zürich, bearbeitet
.

Ob sich unter anderen als den in Basel offenbar besonders
glücklichen Bibliotheksverhältnissen eine solche optimale analytische
Katalogisierung durchführen läßt, ob der Aufwand sich
auch in allen Fällen lohnt, mag, trotz Meyers beachtenswertem
Hinweis auf die Bedürfnisse der wissenschaftlichen Forschung,
dahingestellt bleiben. Für die Arbeit in den theologischen Disziplinen
bringt der Katalog, zumal wenn später die noch ausstehenden
Register vorliegen werden, reichhaltige Materialaufschlüsse
.

Berlii Hans I.Ulf inf

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Otto, Stephan, Dr.: „Natura" und „Dispositio". Untersuchung zum
| Naturbegriff und zur Penk form Tertullians. München: Hueber 1960.
XXIII, 221 S. m. Zeichng. gr. 8° = Münchener Theologische Studien,
i. Auftrag d. theol. Fakultät München, hrsg. v. J. Pasdier. K. Mörsdorf
u. H. Tüchle, II. Systemat. Abt. 19. Bd. Kart. DM 18.—.

Der Verfasser will einen dogmengeschichtlichen Beitrag zur
Diskussion des Naturproblems geben, indem er die Lehre Tertullians
mit Hilfe der beiden Schlüsselbegriffe natura und dispositio
, Natur und Heilsplan, darstellt. Mit dem umstrittenen Buch
von H. de Lubac, Surnaturel. Emdes historiques (Pari6 1946) 6ei
in der katholischen Theologie zunächst die moderne Auseinandersetzung
um das theologische Naturproblem fast zum Stillstand
gekommen. H. de Lubac habe die voraugustinische Zeit
wohl zu wenig berücksichtigt, obwohl gerade in dieser Periode
durch TertuIIian die Zukunft der abendländischen Theologie
weitgehend bestimmt worden sei, da TertuIIian zwischen Irenaus
und Augustinus steht. Die Arbeit zerfällt in zwei TeiJe, deren
erster „Die Frage nach der Möglichkeit einer voraussetzungslosen
Natur" stellt; im zweiten wird darauf „Die Beantwortung der
Frage: Die Voraussetzung der Natur, die dispositio" gegeben.
Es ist nicht leicht, den sehr verschlungenen Pfaden der einzelnen
Untersuchungen zu folgen, wie bereits ein Blick auf das umfangreiche
Inhaltsverzeichnis lehrt.

Der Naturbegriff Tertullians ist stoisch nur in seinem Ausgangspunkt
und bleibt es immer in seiner Färbung; das darf aber nicht zur
Täuschung veranlassen, als sei der stoische Naturbegriff (Ordnungseinheit
des Vernunftgemäßen und Guten) bei TertuIIian nicht wesentlich
umgewandelt worden durch den biblischen Schöpfungsglauben und
die in der Erfüllung des Gotteswillens bestehende christliche Ethik, insofern
der Schöpfer der menschlichen Natur zugleich die dispositio in
bonum mitgeteilt hat. Das stoische secundum naturam vivere wird zur
christlichen Verwirklichung der Menschennatur, die nach Gottes Bild
und Gleichnis geschaffen ist. TertuIIian legt keinen sonderlichen Wert
auf die Unterscheidung zwischen Bild und Gleichnis, wie dies die östliche
Theologie tut; im Anschluß an stoische Lehren sieht er die imago
et similitudo in der potestas liberi arbitrii, in der menschlichen Freiheit
, und wird so für die kommende abendländische Theologie höchst
bedeutsam, freilich auch um den Preis, daß im Westen die ältere heilsgeschichtliche
Betrachtungsweise eines Irenaeus verloren geht. Bei TertuIIian
findet sich auch die für den Westen so charakteristische Sünden-
und Erbsündenlehre, und zwar trotz des 6toischen Ansatzes, demzufolge
die Natur gut ist. Als Christ muß TertuIIian die Sünde anerkennen,
er sieht in ihr etwas Widervernünftiges, hervorgegangen aus dem Ungehorsam
des freien Menschen, der sich durch den Satan verführen ließ.
Ganz unstoisch wird in diesem Zusammenhang der Tod nicht mehr als
Naturgesetz, sondern als der Sünde Lohn und Gottes Strafurteil verstanden
. Da« geschichtliche Handeln Gottes und des freien Menschen
bedingen die Heilsgeschichte, nicht ein nach Gesetzen ablaufender
Naturprozeß.

Besonders eingehend erörtert O. das Problem der natürlichen
Gotteserkenntnis in dem umfangreichen und wichtigsten § 5 (S. 74/135).
Ausgangspunkt dafür ist die Frage nach der veritas christiana, die vor
allem im Verhältnis zur heidnischen Philosophie zu bestimmen ist.
Ausgesprochen biblisch und christlich ist hier die Bindung der Wahrheitserkenntnis
an die Ethik, mag dies auch bei Stoikern nicht ganz fehlen.
Für TertuIIian gibt es jedenfalls die Möglichkeit einer natürlichen
Gotteserkenntnis, freilich in verschiedener Art. je nachdem es 6ich um
Heiden oder Christen handelt. Tertullians Naturbegriff ist bereits an
der Offenbarung orientiert, nicht erst die veritas christiana. Die Problematik
von Natur und Gnade entwickelt TertuIIian vor allem in der
Auseinandersetzung mit den Gnostikern: die menschliche Natur ist
nicht unveränderlich, sondern der Gnade zugänglich, und insbesondere
das „Fleisch" hat seine unerläßliche Stelle bei der Erlangung des Heils.
Als Ergebnis stellt O. fest, daß sich der Naturbegriff Tertullians in
fundamentaler Weise vom philosophischen Naturbegriff der Stoiker
unterscheidet, weil er auf dem christlidien Offenbarungsglauben beruht.

Im zweiten Teil geht O. der Bedeutung von dispositio (dispen-
satio) nach; das entsprechende griechisdie Wort oixovn/u'n hatte schon
Irenaeus immer wieder für den Heilsplan und das Heilswerk Gottes
verwendet. TertuIIian folgt diesem Wortgebrauch, aber die dispositio
nach außen in Schöpfung und Erlösung ist für ihn in jener dispositio
begründet, die zur Selbstentfaltung in Gott geführt hat. Für den Montanisten
TertuIIian wird dann das Zeitalter des Parakleten als 4. Stadium
der Heilsgeschichte besonders wichtig, weil es zur letzten Vervoll-
Sc hol der. Klaus: Ferdinand Christian Baur aU Historiker. kommnung vor dem Ende selber hinleiten soll. Im Unterschied zu

Evangelische Theologie 21, 1961 S. 435-458. 1 Irenaeus. der den Heilsplan als straffe Lenkung des ganzen Menschen-