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Ausgabe:

1962 Nr. 2

Spalte:

120-121

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Meyer, Gustav u. Burckhardt

Titel/Untertitel:

Max (Bearb.), Die mittelalterlichen Handschriften der Universitätsbibliothek Basel 1962

Rezensent:

Scholder, Klaus

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 2

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derts, gehört zu den bemerkenswertesten Profandichtern der
byzantinischen Zeit; neben seinem vielgelesenen ,,Hexaemeron",
einem Lehrgedicht über die Weltschöpfung, sind vornehmlich
seine historischen Panegyriken zu nennen, denen auch als Geschichtsquelle
Bedeutung zukommt. Agostino P e r t u s i wendet
sich S. 11 ff. den 1093 Trimetern zu, in welchen der Autor unter
dem Titel Elg xrjv xaxd IIeqöcöv Ixoxgaxeiav 'IlgaxXeiov xov
ßaaiXeoj? (Expeditio Persica) die erfolgreichen Aktionen des
Kaisers Herakleios (610 bis 641) gegen die Perser behandelt.
Dieses Poem liegt bisher nur in zwei unzulänglichen Editionen

— von J. Quercius 1777 und I. Bekker 1836 — vor; für die erwünschte
Neuausgabe ist es deshalb erforderlich, die Geschichte
jenes Textes zu untersuchen. Gestützt auf wertvolle Vorarbeiten
des polnischen Philologen Leo Sternbach, macht Pcrtusi mit der
gegebenen Überlieferung vertraut. Es handelt sich dabei um fünf
Handschriften, von denen die älteste, der Cod. Paris, suppl. gr.
690, dem ausgehenden 11. Jahrhundert zugehört, sowie um die
„tradizione indiretta", welche vornehmlich das Geschichtswerk
des Theophanes Confessor (Anfang des 9. Jahrhunderts) und das
Sachwörterbuch Suda (Ende des 10. Jahrhunderts) repräsentieren.
Solche Feststellungen ermöglichen es Pertusi, zum ersten Male
ein Stemma der Überlieferung des von ihm traktierten Textes zu
erarbeiten (S. 2 3). Die Ergebnisse seiner wichtigen Untersuchung
sind bei Gyula Moravcsik, Byzantinoturcica, 1, 2. Auflage Berlin
1958, 289 nachzutragen. — Seine minuziösen Forschungen zur
byzantinischen Topographie 6etzt Rodolphe Guilland S. 25ff.
mit „Etudes sut l'Hippodrome de Constantinople" fort. Der
Aufsatz, dem S. 36 eine Planskizze des Hippodroms beigegeben
ist, behandelt nach den literarischen Quellen einzelne Teile der
Rennbahn, deren Benennung mitunter umstritten ist (To TleXfia

— 6 xoT%os, v xgrjmg — ol xa^jixfjgEg — 6 Evginöq — xd
Tfirifiaia, ai oxdßkm — xb 2xd/j.a, xb Iii — al üaQaoxEvai,
f) xevxa xov vjidgxov). Nachdem die Redaktion der „Berliner
byzantinistischen Arbeiten", wie in dieser Zeitschrift 84, 1959,
762 angekündigt, die Abhandlungen Guillands zum byzantinischen
Ämter- und Titelwesen in revidierter Gestalt für den
Druck vorbereitete und so einem erst jüngst wieder von F. Döl-
ger, Byzantinische Zeitschrift 53, 1960, 215 und 217 geäußerten
Wunsch Rechnung trug, wurde ins Auge gefaßt, in gleicher Form
auch die geographisch - topographischen Untersuchungen des französischen
Gelehrten gesammelt herauszubringen. — Es folgt
S. 45 ff. eine grundlegende Darstellung des byzantinischen Zehntwesens
durch Heinrich Felix S c h m i d. Bekanntlich ist es im
orthodoxen Osten zu einer staatlichen Normierung des kirchlichen
Zehntrechts nur in der Kiewer Rus gekommen, im Zusammenhang
mit der Einführung des Christentums durch Wladimir
den Heiligen (988). Dennoch lassen sich auch im byzantinischen
Reich vergleichbare Abgaben nachweisen, so die (See)handels-
abgabe der dsxaxEia, der Viehzehnt (in Gestalt der j;o«f>o<3e-
xaxsia und der nQoßaxoxoiQodexaxeta, ferner als Bienenzehnt
= fiehoooEwdfiiov), der Wald- und Weidezehnt, schließlich
der häufig als fAOQxr bezeichnete Agrarzehnt. Alle diese Formen
lebten in der orthodoxen Welt weiter — in Bulgarien, Serbien,
der Walachei, der Moldau, in Rußland und der Ukraine —, wie
mit profunder Dokumentation dargetan wird. Ihre Vorstufen
aber sind wohl durchweg im römischen Vulgarrecht zu suchen,
das in weithin noch nicht aufgehellter gegenseitiger Beeinflussung
im Osten wie im Westen fortwirkte. — Zur Kunstgeschichte
führt der nächste Beitrag S. 111 ff. Andre G r a b a r weist darauf
hin, daß in der Chora-Kirche (Kariye camii) zu Konstantinopel
die dem beginnenden 14. Jahrhundert zugehörigen Mosaiken der
Kuppeln eine reichere Ornamentik aufweisen, als sie von vorangehenden
Epochen her vertraut ist, und daß ferner der einzelnen
Kuppel mehrere Szenen zugeordnet sind gegenüber der früheren
Beschränkung auf eine einzige. Ohne aus solcher Parallelität bereits
ins einzelne gehende Folgerungen zu ziehen, glaubt Grabar
doch, auf vergleichbare Strukturen des Dugento in Rom und seiner
Umgebung aufmerksam machen zu sollen, deren Ausstrahlung
nach Norden eindeutig zu belegen ist. Hinter solchen in der
griechisch-christlichen Kunst beispiellosen Phänomenen mag man

eine päpstliche Initiative erkennen, die zur Zeit des Lateinischen
Kaisertums auch im Osten wirksam zu werden bemüht ist. — Eine
Serie von Einzelstudien über illustrierte Handschriften auf dem
Sinai eröffnet Kurt Weitzmann S. 125ff. mit der Behandlung
des Kodex 38 des Katharinenklosters, eines Psalters aus dem
13. Jahrhundert (so in Übereinstimmung mit Kenneth W. Clark,
Checklist of manuscripts in St. Caterine's Monastery, Mount
Sinai, Washington 1952, 1 und 22). Die einzige erhaltene Miniatur
in diesem Kodex, Moses Gesetzgebung darstellend, erweist
sich als auffallend genaue Kopie des entsprechenden Bildes im
Cod. Par. gr. 139, der als unmittelbares Vorbild des Malers vom
Sinai gelten darf. Dabei war es von vornherein wenig wahrscheinlich
, daß die Handschrift nur diese eine und dazu noch an
wenig hervorgehobener Stelle erscheinende Miniatur enthalten
hat, und in der Tat gelang es Weitzmann, vier weitere dazugehörende
Miniaturen (David und Melodia — David zwischen
Sophia und Prophetia — Durchzug durch das Rote Meer — thronende
Maria [zur Illustration der Theotokos-Ode]) in dem
Kodex 269 der Öffentlichen Bibliothek in Leningrad aufzudecken.
Die Sinai-Leningrad-Miniaturen bilden einen Teil der „Aristokratischen
Psaltergruppe" als welche J. J. Tikkanen, Acta Societa-
tis Scientiarum Fennicae XXXI 5, 1903, 112 ff. die antikisierenden
Handschriften vom Hofe eines Konstantin Porphyrogennetos
und seiner Nachfolger gegenüber den vorangehenden volkstümlichen
Produkten klösterlicher Provenienz absetzte. Ihnen am
nächsten steht der Cod. Taphou1 51 der Bibliothek des griechischen
Patriarchats zu Jerusalem, der offenbar dem gleichen Scrip-
torium zugehört und deshalb ebenfalls dem 13. Jahrhundert zuzuweisen
ist. Sind die Sinai- und die Jerusalemer Handschriften
als direkte Kopien des Paris. 139 anzusehen, so stellt der verwandte
Cod. Vat. Palat. gr. 381 erst eine nächste Phase in der
weite Kunstbereiche erfassenden Wiederbelebung des klassischen
Stils dar, für die Weitzmann den Terminus „Spätbyzantinische
Renaissance" verwendet sehen möchte. — Den Band abschließend,
macht S. 145 ff. dessen Herausgeber, Herbert Hunger, mit
einer Neuerwerbung der Österreichischen Nationalbibliothek bekannt
, welche die Signatur „Suppl. gr. 188" erhalten hat. Es handelt
sich um einen Geleitbrief, welchen im Jahre 1759 der Patriarch
Seraphim II. (1757 bis 1761) für einen Griechen aus der
Diözese Arta (Epirus) namens Georgios ausfertigte, der sich in
finanzieller Not an den Patriarchen gewandt hatte. Der Brief ist
ein Zeugnis für die enge Verbundenheit des griechischen Volkes
mit der orthodoxen Kirche in der Zeit der Türkenherrschaft.

Berlin Johannes I r m sc h e r

') „Taphoxu" bei F. W. Deidimann, Byzantinisdie Zeitschrift 51,
1958, 508 ist Druckfehler.

I

Meyer, Gustav, u. Max Bnrckhardt (Bearb.): Die mittelalter-
' liehen Handschriften der Universitätsbibliothek Basel. Beschreibendes
Verzeichnis. Abt. B: Theologische Pergamenthandschriften. I.: Signaturen
. BIl— B VIII 10. Basel: Verlag der Universitätsbibliothek
i960. XLVII.882 S. 4°. Lw. «fr. 185.—.

Anläßlich der Fünfhundertjahrfeier der 1459 gegründeten
Universität Basel legt die dortige Universitätsbibliothek einen
weiteren Band ihres gedruckten Handschriftenkatalogs vor. Damit
ist ein wesentlicher Fortschritt in der Erschließung der in
Basel überlieferten Handschriften erreicht worden. Dieser Bestand
, der unter dem Schutz der schweizerischen Neutralität auch
die für viele Handschriftensammlunigen so verhängnisvollen
Sicherungsmaßnahmen während des Zweiten Weltkriegs unversehrt
überstand, geht aufs späte Mittelalter zurück. Einzelne
Provenienznachweise bringt der vorliegende Katalog. Für die
Bestandsgeschichte im ganzen sind wir auf die älteren knappen
Überblicke des Juristen Andreas Heusler (Geschichte der Öffentlichen
Bibliothek der Universität Basel, Rektoratsprogr., Basel
1896) und des Bibliothekars C. Chr. Bernoulli (Über unsere
alten Klosterbibliotheken, in: Basler Jahrbuch, 1895) angewiesen
. Der Kernbestand stammt aus der Zeit des Basler Konzils
und den folgenden Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts, vornehmlich
aus dem Dominikanerkloster (mit den Handschriften des