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Ausgabe:

1962 Nr. 2

Spalte:

116-117

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Die Apostelgeschichte 1962

Rezensent:

Haenchen, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 2

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essant zu hören, woher Hr. Filson das weiß. In derselben Linie
liegt auch 6eine Behauptung, daß Matth, eine Evangelienschrift
sei, die von ganz besonderem Wert war, wenn es „leading
worship and teaching task" gilt (p. 21). Hier könnte man auch
erwähnen, daß Filson der Auffassung ist, daß die Moselegende
den Berichten über Herodes zugrunde liegt (p. 29). Diese Behauptung
erfordert wahrhaftig eine Beweisführung, um 60 mehr,
als Filson selbst zugibt, nicht zu wissen, ob die Vorstellung von
„the second Moses as Messiah" zur Zeit, als das Evangelium
Form annahm, existierte. Ein weiterer Beleg dafür, daß die Arbeit
nur halb getan ist: Filson nennt p. 23 das Inhaltsverzeichnis, das
seiner Meinung nach dem heutigen Evangelium zugrunde liegt.
Er weiß, daß dieses Inhaltsverzeichnis die Aufteilung des Evangeliums
in 5 Bücher, die eine Tatsache zu sein scheint, ganz unzureichend
berücksichtigt; hierzu aber bemerkt er bloß, daß ,,a
perfectly satisfactory outline i6 hard to construct" (p. 23).

Bei solcher Arbeitsweise konnte es nicht ausbleiben, daß
Filson seinen Lesern auf viele Fragen eine Antwort schuldig blieb.
Warum hat Filson z. B. nicht klargelegt, inwiefern die Probleme
über Jesus und die Heidenmission mit Hilfe der Theorie, daß
die Heilungen „at a distance" vor sich gingen, gelöst sind oder
gellöst werden können? Siehe z. B. p. 111 und 180. Ebenso kann
man sich nicht der Frage enthalten, warum Filson, wenn ihm klar
ist, daß Jesus „disregarded ceremonial rules" (p. 110), keine Antwort
dafür findet, warum Jesus trotzdem dem Aussätzigen befahl
, hinzugehen und sich den Priestern zu zeigen. Filson hätte
seinen Lesern gegenüber auch seine Bemerkungen über ein neues
Volk, das auß Juden und Heiden besteht, näher erklären müssen.
Wie steht es beispielsweise mit Matth. 8, 12 und 21,43, wozu
Filson in bezug auf die letztere Stelle nur zu bemerken hat, daß
6ie „need not be original in this context" (p. 229)? Wenn nun
Filson meint, daß wir in den Evangelien eine solide Tradition
besitzen als Beweis dafür, daß Jesus wirklich von einer weltumfassenden
Mission gesprochen und an eine solche gedacht hat,
wie läßt es sich dann erklären, daß die ältesten Jünger in Jerusalem
verblieben (p. 254), auch als die Kirche verfolgt wurde,
und daß sie die Heidenmission Paulus und andern Gleichgesinnten
überließen?

Auch in anderer Hinsicht wäre wünschenswert, Filson hätte
zusammen mit seinen Lesern einige seiner Gesichtspunkte zu erneuter
Erwägung aufgegriffen. Ich will hier nur nennen, daß er
Matth. 10,28 auf Gott bezieht (p. 133), und daß er p. 249
Matth. 23, 39 als eine Aussage auffaßt, die deutlich macht, daß
die Juden zuletzt Christus annehmen, worüber Filson augenscheinlich
klar ist, über die er aber seine Leser nicht informiert,
obgleich sie darauf einen Anspruch hätten.

Wenn Filson auf diese Möglichkeiten nicht näher eingeht,
hängt dies wohl mit seiner ganzen Stellungnahme zum Evangelium
, dessen Quellen und dessen Verfasser zusammen. Hier
möchte ich z. B. auf p. 10 verweisen, wo Filson die Ansicht
äußert, daß Matth, kein Augenzeuge ist, weil der Verfasser
Mark, als Quelle benutzt hat. Wenn nun aber Filson mit dieser
Schlußfolgerung Unrecht hat?

In vielen Fragen werden wir also durch den Kommentar von
Filson im Stich gelassen. Im übrigen erhalten wir gar keine
Orientierung über Filsons eigene Stellung zu der im Matthäusevangelium
selbst vorgenommenen Deutung der berichteten Ereignisse
. Ich möchte hier auf p. 229 verweisen, wo das Gleichnis
vom ungetreuen Weingärtner als eine Warnung der Juden aufgefaßt
wird, und zwar derjenigen Juden, die zu jenem Zeitpunkt
die Zuhörer des Meisters waren. Ist also Filson der Meinung, daß
das Evangelium oder Teile von diesem eine Art Reportage darstellen
?

Zusammenfassend habe ich also zu bemerken, daß das vorliegende
Werk nicht den Eindruck erweckt, ordentlich durchgearbeitet
zu sein. Filson hat, vielleicht aus Zeitmangel, den Kommentar
zu früh dem Druck übergeben. Die Literaturübersicht, die
sich im Kommentar unter „Selected Bibliography" findet, bestärkt
uns nur in dieser Annahme. Sie enthält nur 59 Nummern,
wovon die meisten noch dazu bekannte Kommentare und verbreitete
Handbücher sind.

Alro Poul Neppcr-Chri Stensen

L o h s e, Eduard: Die Offenbarung des Johannes übers, u. erklärt.
'■J- 8. Aufl. (1. Auflage der neuen Bearbeitung). Göttingen: Vandenhoeck
& Ruprecht 1960. IV, 116 S. gr. 8° = Da6 Neue Testament Deutsch.
Neues Göttinger Bibelwerk, hrsg. v. P. Althaus u. G. Friedrich,
Teilbd. 11. Kart. DM 4.80.

Die Bearbeitung der Offenbarung des Johannes für das
Göttinger Bibelwerk hatte von Anfang an Joh. B e h m übernommen
. Sie erfreute 6idi dankbarer Anerkennung. Er starb früh.
Die 6. Aufl. (1932) und die 7. (1956) mußten von anderer Hand
besorgt werden. Die nun erschienene 8. Aufl. stellt eine völlig
selbständige Neubearbeitung dar, mit der der Kieler Neutesta-
mentler in den Kreis der Mitarbeiter eintritt.

Es lag in der Natur der Sache, daß die neue Arbeit in guter
Fühlungnahme mit der Arbeit Behms durchgeführt wurde. Nicht,
daß Lohse überall die Meinung Behms verträte. Dieser hält z. B.
den Evangelisten Johannes auch für den Verfasser der Apokalypse
, was Lohse mit aller Entschiedenheit ablehnt. Oder die Bemerkung
in 14,4 über die 144 000 Jungfräulichen, die sich mit
Weibern nicht befleckt haben, versteht Behm von Asketen,
Lohse dagegen bildlich von solchen, die in der großen Anfechtung
treu geblieben sind. Aber in der Hauptsache stimmen beide
Ausleger doch miteinander übercin. Das gilt besonders auch von
der Sorgfalt, mit der der Vorgeschichte der Bildersprache der
Apokalypse im Alten Testament und in der Mythologie des
Alten Orients nachgegangen wird. Als neues Ingrediens kommen
bei Lohse die Qumrantexte hinzu. Die Feststellung dieser Zusammenhänge
ist besonders deshalb wichtig, weil dadurch die
ehedem übliche Methode unmöglich gemacht wird, aus allerlei
vermeintlichen Anspielungen die Erfüllung der Weissagungen in
Ereignissen der nachfolgenden Jahrhunderte bis in die Gegenwart
des jeweiligen Auslegers zu erschließen.

Für die innere Einstellung des Verfs. der neuen
Ausgabe ist eine Bemerkung in der zusammenfassenden Würdigung
in dem Schlußabschnitt über „Die Botschaft der Offenbarung
Johannis" von Bedeutung:

„Die apokalyptischen Vorstellungen, in denen der Verfasser
der Offenbarung spricht, entstammen einer vergangenen Zeit
und gehören nicht unabdingbar zum Inhalt christlicher Verkündigung
. Wohl aber kann der Glaube nicht ohne die Hoffnung
leben. Von der lebendigen Hoffnung aber will das letzte Buch der
Bibel Zeugnis geben."

Für die Benutzung aber sind zwei Einrichtungen von
Bedeutung, auf die hier noch hingewiesen 6ei: Einmal nämlich die
zusammenfassenden Bemerkungen über einige wichtigere Themata
, die an geeigneten Stellen der Auslegung eingefügt und am
Schluß in einer Liste aufgezählt sind. Ein Verzeichnis dieser
„Ausführungen" fand 6ich schon in Behms Werk. Es erscheint
jetzt wieder, teils verändert, teils erweitert. Ebenso wichtig ist
der reichhaltige „Namen- und Sachweiser", den wieder G. Holzhcy
beigesteuert hat. —

Der Autor schreibt einen klaren, sachlichen Stil, der sich gut liest.
Gerade deshalb darf vielleicht gehofft werden, daß er Verständnis dafür
hat, wenn hier, um der Pflege unseres Sprachgefühls willen, ein paar
Unschönheiten notiert werden: Er schreibt S. 3, Z. 5 v. u. „braucht er
biblische Wendungen" (statt „gebraucht"); S. 11, Z. 3 v.u. „der in der
Offenbarung begegnet" (wem denn?); S. 17, Z. 13 „die Gemeinschaft
gründet in der Zugehörigkeit..." (sie gründet nicht, sondern
i s t begründet); S. 79, Z. 3 v. u. „Gottes Plan ist keinem menschlichen
Auge einsichtig"; gemeint ist „durchsichtig"; einsichtig ist, was
Einsicht hat, nicht, was eingesehen wird.

Erlangen Hermann St rath man n

Beyer, Hermann Wolfgang: Die Apostelgeschichte übers, u. erkl.
Nachdr. d. 8. Aufl. Berlin: Evang. Verl. Anst. (Lizenzausgabe des
Verlags Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen) [1959]. IV, 161 S.,
1 Kte. gr. 8° = Das Neue Testament Deutsch. Neues GöttingeT Bibelwerk
, hrsg. v. P. Althaus u. G. Friedrich, Teilbd. 5.

Die Auslegung der Apg durch H. W. Beyer wird noch immer
gern gelesen. Denn B. vereinigte eine echte Erbaulichkeit mit
jenem Ernst des Luthertums, der ihm in 6einem Lehrer Karl Holl
entgegengetreten war. Zugleich war B. offen für das Anliegen der
historischen Kritik, die auch zwischen den Zeilen zu lesen gelernt
hat, und wußte durch seinen Stil von seiner Exegese jene Lange-