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1962

Kategorie:

Bibelwissenschaft

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Theologische LiteratuTzeitung 1962 Nr. 2

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Die Bibelrevision ist nicht, wie es nach B. (und auch nach
sonstigen neueren Äußerungen) scheinen muß, erst seit 1928 im
Werden. Die 1928 vom Deutschen Evangelischen Kirchenausschuß
und den Bibelgesellschaften ausgearbeiteten Grundsätze sind ohne
die von 1921 an durchgeführte intensive Revisionsarbeit der
Revisions-Kommission der Bibelgesellschaften gar nicht denkbar.
Die in dieser jahrelangen Arbeit gesammelten Erfahrungen und
die bis dahin ßchon in Gang gekommene Kritik an dieser Arbeit
waren eine ganz wesentliche Verhandlungsgrundlage für die
Auseinandersetzung und Absprache zwischen der Kirche und den
Bibelanstalten und für die Gestaltung der Revisionsgrundsätze.
Durch diese Arbeit der Kommission der Bibelanstalten wurde in
den Jahren vor 1928 die Bresche geschlagen. Die Geburt des Kindes
vollzog sich unter Schmerzen und Wehen und unter mühseliger
Kleinarbeit. Die Mitglieder der neuen, vom Rat der Evangelischen
Kirche in Deutschland 1956 gebildeten Kommission
sind wahrlich nicht darum zu beneiden, daß sie durch all das
— wie die vorliegende Schrift es zu ihrem Teil demonstriert —
aufs neue hindurch müssen. Die Problematik, die B. mit so eindrucksvollem
Einzelmaterial anrührt, wäre meinen damaligen
verehrten Mitarbeitern nichts Neues, wenn sie die gravamina B.s
noch lesen könnten — sie 6ind alle schon heimgegangen. Wir
haben uns damals auf den Kompromiß geeinigt, zu dem sich nach
B. offenbar auch die jetzige Kommission bekennt. Und die von
1928 an tätige neue, durch die Vertrauensleute des Deutschen
Evangelischen Kirchenausschusses (D. Sellin, D. Hempel, später
auch D. Burghart) erweiterte Revisionskommission hat im Sinne
dieses Kompromisses weiter gearbeitet. Aus diesem Gremium ist
das „Probetestament 1955" hervorgegangen, dem B. von seiner
These her eine zum Teil noch stärkere Absage erteilt als der
jetzigen, seit 1956 laufenden Revisionsarbeit, dem eigentlichen
Gegenstand seiner Kritik.

Es ist so verständlich, daß B. den Kompromiß als ein Versagen
gegenüber dem hermeneutisch so geschlossenen und einheitlichen
Werk des Reformators empfindet. Aber es bleibt wirklich
nur dieser kümmerliche Kompromiß übrig. Auf der einen
Seite hindert das NT, in das (histologische Verständnis des AT
zu scharf revidierend hineinzuarbeiten. Auf der anderen Seite
aber — und hier scheint mir bei B. doch ein sehr ausschlaggebender
Gesichtspunkt außer acht gelassen zu 6ein —: soll
denn der Pfarrer seine Predigt aus der Hermeneutik Luthers heraus
entwickeln, die ihm ein AT aufzwingt, das auch in keinem
einzigen Punkte von der heute für uns einfach nicht mehr durchführbaren
Lutherischen christologischen Interpretation zahlloser
Stellen frei gemacht ist? Muß er nicht, wenn er nicht in schwere
Gewissenskonflikte kommen soll (er weiß ja, daß wir in der Art
Luthers nicht mehr exegesieren können!), wenigstens an einer
ganzen Reihe von Stellen — es bleibt eben ein Kompromiß — dadurch
entlastet werden, daß er einen Text in der Hand der Gemeinde
weiß und von diesem Text her predigen darf, der ihn
nicht dazu preßt, der vielerorts heute nicht mehr möglichen Exegese
Luthers (man lese seine Predigten!) zu folgen? Der Mahnruf
Brinkeis: bei der Revisionsarbeit auf alle Fälle zurück zu Luthers
Verständnis der alttestamentlichen Texte, bedeutet doch für den
Pfarrer eine rigorose Steigerung der Not, die für ihn infolge des
heutigen Auscinanderklaffens exegetischer und systematischer
Theologie (bzw. auch kirchlicher Tradition) in so hohem Maße
schon besteht!

Der fragenden Einrede B.s, ob denn das heutige Verständnis
des AT, vor allem in seiner Beziehung zum NT, bereits schon so
geklärt sei, daß die in der Übersetzung Luthers mitgegebene Auslegung
des AT aufgegeben werden kann, ist zu begegnen mit der
Feststellung: sie muß aufgegeben werden, auch wenn jedes Zeitalter
neu darum ringen muß, was denn an ihre Stelle zu setzen
wäre. Damit ist noch längst nicht das „reformatorische Evangelium
" preisgegeben, sondern nur der Ausdruck, den Luther in
«einer zeitgebundenen Art diesem Evangelium gibt. Wir können
unmöglich das theologische und menschliche Gewissen des Pfarrers
in dem Lutherischen Verständnis des AT gefangen setzen,
m. E. 6tünde eine solche Knebelung des Geistes gegen den letzten
Sinn des reformatorischen Glaubens. Wird der Kompromiß als
unerträglich empfunden, so bleibt nur eines übrig: eine neue
Verdeutschung des AT für die christliche Gemeinde. Aber wo

ist der schöpferisch mächtige Genius, der die über uns Nachfahren
gelegte Sperre durchbricht durch eine in neuer Übersetzung des
AT mitgegebene, uns heute, in unserer geistigen Situation,
treffende, d. h. in unserer ganzen Existenz uns anrührende Verkündigung
des Evangeliums von Jesus Christus?

Erlangen Fr.iedr. B a u m g ä r t cl

Metzger, Bruce M.: The New English Bible.

The Princcton Seminary Bulletin 55, 1961 S. 56—63.

ALTES TESTAMENT

Rellin, Ernst, Prof. D. Dr.: Einleitung in das Alte Testament. 9. Aufl.
JV bearb. v. Prof. D. Dr. Leonhard Rost. Heidelberg: Quelle & Meyer

1959. Lizenzausgabe für die DDR: Berlin: Evang. Verlagsan6talt.

186 S. gr. 8°.

Zum 9. Mal in 49 Jahren erscheint diese Einleitung in das
Alte Testament, wenn auch, wie der gegenwärtige Verfasser
bemerkt, von dem Text, den Sellin noch in der 7. Auflage geboten
hat, nur wenig übrig geblieben ist. Aber gerade darin dürfte
Rost dem Anliegen Ernst Sellins gerecht geworden sein, der unermüdlich
weiteT gearbeitet hat und immer bereit war, neue Probleme
aufzugreifen und neue Lösungen zu suchen.

Auch das Ziel ist das gleiche geblieben: in knappster Form
eine Übersicht über die Fragen zu geben, die heute in der
Einleitungswissen6chaft gestellt und über die Antworten, die
versucht werden. Dabei wird vor allem die Literarkritik der einzelnen
Schriften behandelt (S. 39—165), mit einem knappen Anhang
, der die Apokryphen und die wichtigsten Psendepigraphen
bespricht (S. 165—175); vorher werden die Textgeschichte (S. 15
—21) und die Gattungen (S. 21—39) kurz berührt, am Ende die
Kanonsgeschichte (S. 175—18 3). Das Ganze wfrd wieder von der
sehr nützlichen, chronologisch geordneten Übersicht der alttestamentlichen
Literatur abgeschlossen.

Was soll man da kritisieren? Es hat wenig Sinn, Einzelfragen
herauszugreifen, die ich u. U. anders beurteilen möchte. Wenn
es das Ziel ist, auf 186 Seiten den Leser über den gegenwärtigen
Stand der alttestamentlichen Einleitungswiesenschaft zu informieren
, 60 ist dieses Ziel so gut erreicht, wie es bei einem solchen
Umfang möglich ist.

Wenn ich nodi Fragen und Wünsche für die nädiste Auflage hätte,
so wären es folgende:

1) Der § 9 über Form- und Traditionsgesdiichte sollte doch etwas
ausführlicher über den gegenwärtigen Stand der Forschung orientieren,
auch und gerade, wenn der Verf. die Grenze dieser Methode unterstreichen
will. Sie treten heute so stark hervor, daß der Student gerade
hierüber eine genauere Orientierung braucht, um sich zurechtzufinden.

2) Wäre es nicht doch einmal an der Zeit, den Begriff „Pseudcpi-
graphen" über Bord zu werfen? Rost hat das Vorwort von Sellin fast
unverändert übernommen, aber nun dankenswerterweise die neuen
Qumrantexte hier mit eingeordnet. Sind das „Pseudepigraphcn"? Es
hängt aber mehr daran, als nur der Name. Was hier nun zusammengefaßt
wird, ist z. T. jüdisches Sdirifttum, das der christlichen Kirche
völlig unbekannt war; zum andern Teil sind es Sdiriften. die in einzelnen
Kirchen kanonisch waren oder 6ind; ja, der 4. Esra wird auch
heute noch in den Vulgataausgaben als Anhang abgedruckt. Der
Aristeasbrief war wohlbekannt, aber m. W. nirgends „kanonisch".
D. h. das Ansehen dieses Schrifttums war in der Kirche sehr verschieden
. Sollte dieser Abschnitt nicht besser mit „Weiteres spätjüdisches
Schrifttum" überschrieben und dann die Stellung in der Kirche jeweils
kurz umrissen werden?

3) Eine Ergänzung der Literaturangaben wäre insofern wünschenswert
, als oft Autoren mit ihren Meinungen zitiert werden, ohne daß
der Leser erfährt, wo er diese Äußerung finden kann. Ist an die Kommentare
oder Einleitungen gedadit, könnte ein (K) oder (E) vielleicht
helfen. Aber muß jeder Leser wissen, wo Zimmerli dem Wort des gött-
lichen Selbsterweises nachgegangen ist und wo Fohrer gewarnt hat
(S. 39), wo Horst sich zu dem Amoshymnus (S. 126) und H.Schmidt
sich zu Mi 6 (S. 129) geäußert haben? Bei Wellhausen (S. 129) ist wohl
an Skizzen und Vorarbeiten Bd. 5 gedacht; die Arbeit sollte S. 118
noch mitgenannt sein. Die Äußerung von Hölscher über die aramäischen
Urkunden CS. 163) wird kaum ein Leser in HSAT4 suchen
und finden. Sollte dieses Werk nicht überhaupt in die Reihe der
Kommentare mitaufgenommen werden? Und sollte nicht auch die bis
zut 8. Auflage vorhandene Liste der wichtigsten Kommentare doch