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Ausgabe:

1962

Spalte:

946-948

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Peters, Albrecht

Titel/Untertitel:

Realpräsenz 1962

Rezensent:

Pflugk, Heinz

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beiläufig erwähnt wird, erscheint als Spiritualist (267), als
,,literarisch und homiletisch der Faszination durch das Wort,
auch des menschlichen Wortes, bis zur Hemmungslosigkeit ausgeliefert
" (352), als der, der „die innere Kirche zerstört (hat),
weil er die äußere vernichtete" (369). Eine leise Anerkennung
erfahren die Reformatoren wegen ihres leidenschaftlichen Protestes
„gegen die Klerikalisierung des Gottesdienstes", aber
zugleich werden 6ie indirekt verantwortlich gemacht für die
Klerikalisierung der nachtridentinischen römischen Kirche; denn
„die Maßlosigkeit des Protestes und der Kritik, die weit über
das Ziel hinausschoß und nun jeden Unterschied zwischen Priester
und Volk bestritt, hatte zur notwendigen Folge eine neue
Betonung der Sondergewalten und Sonderrechte des Klerus"
(194). Bei der durchgehenden Grundhaltung der Verfasser sind
diese Schiefheiten und Fehlurteile nicht verwunderlich.

Verständnislos und ungerecht ist auch die Polemik gegen
die Konkordicnformel, die sich angeblich „päpstlicher gibt als i
die Dekretalen der römischen Kurie" (366). Wenn die evangelischen
Reichsstände in Wahrnehmung der custodia utriusque
tabulae in ihren Gebieten falsche Lehre unterdrücken und für
die Einrichtung des rechten Gottesdienstes sorgen, so erheben
sie damit nicht den Anspruch auf eine (womöglich unfehlbare)
Lehrgewalt, sondern üben ihre Regierungspflicht, so wie sie da- !
mals auch von den katholischen Fürsten verstanden wurde, aus.
Die unfehlbare Lehrgewalt des Papstes wird nicht darum bestritten
, weil eine neue unfehlbare Lehrgewalt aufgerichtet werden
soll, sondern weil der Glaube sich auf Gottes Wort in der j
Heiligen Schrift und nicht auf menschliche (kirchliche) Autori- j
tat gründet. Die evangelischen Pfarrer und Gemeinden standen
ihren den Gottesdienst und Unterricht überwachenden Obrigkeiten
mit einer ganz anderen inneren Freiheit gegenüber als
die katholischen Pfarrer und Gemeinden dem Papst. Auch die
in der Vorrede zur Konkordienformel gebrauchte Wendung
..unsere Kirchen und Schulen" proklamiert keinen Herrschaftsanspruch
, sondern ist ebenso zu interpretieren wie das: „Eccle-
siae ... apud nos docent" in Conf. Aug. Art. 1. Ähnlich die
bei Luther inkriminierte Wendung „meine Kirche". Sowohl
Luther wie die evangelischen Reichsstände wußten aus dem
Neuen Testament, daß die Kirche nicht ihre, sondern Christi
und Gottes Kirche ist.

Von den katholischen Gestalten, die vorgeführt werden,
bekommt die schlechteste Note die Imitatio Christi von Thomas
von Kempen, weil „für den von ihr gewiesenen Weg der ,
Frömmigkeit die Kirche keine entscheidende Rolle spielt
(259). „Man kann die Jmitatio" nicht ohne weiteres jedem in
die Hand geben und als Ausdruck christkatholischer Frömmigkeit
schlechthin ansehen" (266). Die Hypertrophie an Kirchenfrömmigkeit
und Romanitä findet in den dogmatischen Ran£"
bemerkungen von K. Rahner ein eigentümliches Gegengewicht j
in dem auch sonst bei katholischen Autoren heute begegnenden j
Gedanken eines anonymen Christentums. R. spricht von ano- |
nymen Christen, „die nicht wissen, was sie eigentlich sind" und j
meint, daß „man Christ . . . 6ein kann, selbst wenn man den
Namen Christi nicht kennt oder meint, ihn ablehnen zu müssen
" (787). So sympathisch solche Gedanken sind, weil sie die
Enge kirchlicher Selbstabschließung sprengen, so problematisch
sind sie auch. Vor allem besteht die Gefahr, daß die Kirche
Früchte, die nicht auf ihrem Holz gewachsen sind, für sich in
Anspruch nimmt, weil sie ja aus einem anonymen Christentum
hervorgegangen seien. Die Kirche macht sich dadurch selbst
unfähig, die Welt in dem, was sie als Welt ist und zu geben
hat, unbefangen zu würdigen. Statt dessen sollten wir mit dem
Gedanken Ernst machen, daß Gott der Christen und der Nicht-
Fristen Gott ist, und daß auch die gefallene Welt nicht aus
seiner Hand gefallen ist. Eine Theorie darüber, wie die Nicht-
Aristen gerettet werden können und vielleicht anonyme
Kirchenglieder sind, verbietet sich freilich. Uns bleibt nur,
Glauben an Christus einzuladen.

Halle/Saale Erdmann Schölt

Peter», Albredit: Realpräsenz. Luthers Zeugnis von Christi Gegenwart
im Abendmahl. Berlin: Lutherisches Verlagshaus 1960. 211 S.
gr. 8° = Arbeiten zur Geschichte und Theologie des Luthertums
Bd. V. DM 15.80.

Angesichts der Erörterungen über das Abendmahl in der
Evangelischen Kirche in Deutschland und angesichts der ökumenischen
Situation und Diskussion war eine neue Darstellung
von Luthers Zeugnis von der Realpräsenz, in die die Fragen,
die sich aus der gegenwärtigen Forschungs- und Gesprächslage
ergeben haben, miteinbezogen würden, dringend erforderlich.
Diese Darstellung liegt nun in dem Buch von Peters vor.

Im ersten Hauptteil behandelt Verf. „Luthers Abendmahlslehre
im Lichte der Lutherforschung" (S. 9—45). Auf
verhältnismäßig geringem Raum arbeitet der Verf. die Konzeptionen
der Lutherforscher des 19. und 20. Jahrhunderts und
zugleich die Sachproblematik ausgezeichnet heraus. Die sich ergebenden
Fragen führen zuletzt auf die eine Frage zurück:
„Wie verhält sich der totus Christus zum corpus Christi, wie
das Wort zum Element, wie das Herz zum Mund des Menschen
im Sakramentsempfang? Es geht um die rechte Zuordnung der
beiden Grundaussagen in Luthers Sakramentslehre . . . ; auf der
einen Seite: Gott ist machtvoller anwesend im Wort als Christus
im Element, auf der anderen Seite: Auch unser leiblicher
Mensch wird im Abendmahl unmittelbar konfrontiert mit
dem Christusleib. Diese beiden Aussagen konnten in der Forschung
noch nicht recht miteinander verbunden werden. Auf
die erstere gestützt, hat man das Sakrament dem Wort untergeordnet
oder es gar auf das Wort reduziert; auf die letztere
gestützt, hat man ein Proprium des Sakramentes zu bestimmen
gesucht und es hierdurch dem Wort vorgeordnet" (S. 43 f.).
Der Verf. stellt sich die Aufgabe, eine Auslegung zu versuchen,
in der beide Aussagenreihen vereint werden und doch voll
zur Geltung kommen.

Schon hier sei gesagt: Es ist dem Verf. gelungen, das reiche
Aussagematerial Luthers so aus Luthers Grundkonzeption und
aus dem Zusammenhang zu interpretieren, daß der große
Spannungsbogen der Aussagen Luthers voll zur Geltung gebracht
wird. Hier scheint mir die grundsätzliche Bedeutung
dieser Arbeit zu liegen. Sie macht konkret deutlich, daß e<=
unmöglich ist, „Luther von einem an Aristoteles und Kant
geschulten Denken in fest umgrenzten Begriffen her zu fassen".
..Wir müssen versuchen, die fast übermenschliche Spannung
durchzuhalten, welche Luthers Theologie kennzeichnet. Wir
müssen uns hüten vor dem vorschnellen Entweder-Oder. Wir
müssen uns immer wieder fragen, ob Luther nicht dort, wo
wir nur einen Gegensatz sehen, ein ganz klar strukturiertes
Zueinander bezeugt" (S. 44).

Der zweite Hauptteil stellt die „Realpräsenz, Luthers
Zeugnis von Christi Gegenwart im Abendmahl" dar (S. 46
— 190). Wir können nur wenige Gedanken aus der gebotenen
Fülle herausgreifen. Das I. Kap. widmet der Verf. der p n e u -
mato1og i s chen Begründung der Gegenwart
des Herrn in Wort und Sakrament (S. 46—67). Er tritt damit
dem reformierten Vorwurf entgegen, Luthers Abendmahlslehre
berücksichtige nicht entscheidend den Heiligen Geist. Dagegen
weist der Verf. darauf hin, daß in Luthers „Wider die himmlischen
Propheten" und im „Großen Katechismus" die Beziehung
zur Geistlehre ganz deutlich ist, während in den großen
Abendmahlsschriften von 1527/28 die christologischen Beziehungen
im Vordergrund stehen. Der Heilige Geist verbindet
Kreuzesopfer und Sakrament, indem er das einmal erworbene
Heil durch Wort und Sakrament heute austeilt und zueignet.
Der Heilige Geist bringt uns das Heil, indem es uns im Glauben
mit Christus vereinigt. Und der Heilige Geist macht uns
den Herrn Christus zum Heil greifbar auch für unsern leiblichen
Menschen unter dem Stück Brot und Wein. — Das
nächste Kapitel behandelt die christologische Begründung
der Gegenwart des Herrn in Wort und
Sakrament (S. 67—86). Unaufgebbar für Luther ist die Einheit
der Person Jesu Christi. Sie gilt auch für den erhöhten Herrn.
Menschheit und Gottheit Chri6ti können nicht voneinander ge-
I trennt werden, als ob Christi Menschheit im Himmel örtlich
i gebunden, seine Gottheit aber allgegenwärtig 6ei. Vetf. macht