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Ausgabe:

1962

Spalte:

927-929

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Klein, Günter

Titel/Untertitel:

Die zwölf Apostel 1962

Rezensent:

Schulze-Kadelbach, Gerhard

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amtliche oder als tatsächlich erwiesene Autorität anerkannt?
D.h.: ist im zweiten das erste schon eingeschlossen (S. 28)?
Zeigt nicht Apk. 2 f., daß tatsächlich Worte des Geistes, der im
Propheten spricht, als Worte Chri6ti galten (S. 37)? Kann man
wirklich Matth. 18, 18 und Joh. 20, 23 als Worte an die Zwölf
als Amtsträger verstehen (S. 30, 69)? Muß man nicht die johan-
neische Position viel schärfer abheben, und blüht in diesen
Gemeinden wirklich das kultisch-sakramentale Leben (S. 93 ff.,
100)? Ebenso wären eine Reihe hilfreicher Abschnitte besonders
zu nennen, etwa die Unterscheidung der Kirche von der
Qumrangemeinde (S. 53 ff., 114 ff.) oder die Aufnahme der
Schürmannschen These, daß Luk. 22, 24—27 auf die Gemeindeverfassung
schließen läßt (S. 63). Aber das soll nur noch einmal
zeigen, daß Sch. ein Neutestamentier ist, mit dem man das
Gespräch gern aufnimmt.

Zürich l'.'cluard Schweizer

Klein, Günter: Die zwölf Apostel. Ursprung und Gehalt einer Idee.
Göttingen: Vandenhoeck Sc Ruprecht 1961. 222 S. gr. 8* = Forschungen
z. Religion u. Literatur d. Alten u. Neuen Testaments,
hrsg. v. R. Bultmann, N. F., 59. H. DM 22.—.

Das Buch, in seiner ursprünglichen Fassung eine von der
Ev.-theol. Fakultät der Universität Bonn angenommene Dissertation
, der der Verfasser auf Grund weiterer Arbeit am Gegenstand
nach seiner eigenen Angabe streckenweise eine völlig
neue Gestalt gegeben hat, enthält viel mehr als der Titel vermuten
läßt. Gewiß ist es das Anliegen des Verfs., Ursprung und
Gehalt der Zwölfapostelidee herauszuarbeiten, und er verliert
dies Ziel auch während seiner Einzeluntersuchungen nie aus
dem Auge. Aber indem er seine Hauptthese von der lukanischen
Konzeption des Zwölferapostolats durch eingehende und vielfach
selbständige Exegesen erläutert, begründet und sichert und
damit manche überkommene und unbesehen weitergetragene
Behauptung entkräftet, entsteht ein umfassendes, vielleicht nur
etwas zu klares Bild davon, wie Lukas den Ablauf der apostolischen
und nachapostolischen Zeit gesehen hat, jedenfalls gesehen
haben will. Vot allem wird das für die Zukunft höchst
bedeutsame Paulusbild, das Lukas gestaltet, dem Leser einprägsam
vor Augen gestellt.

In einleitenden Paragraphen wird die Fragestellung nach 3
Seiten hin entfaltet. 1.) Die gewiß zunächst historische Untersuchung
kann nur unter theologischem Aspekt zu einer Klärung
des angegangenen Problems führen, da es nichts Geringeres als
das grundsätzliche Verhältnis der frühen Christenheit zu ihrer
eigenen Vergangenheit, und das heißt hier konkret, zur Gestalt
des Apostels Paulus involviert. 2.) Die Frage nach dem Aposto-
lat der Kirche deckt an einem wichtigen Beispiel den Wandel
auf, den die Urkirche zum Frühkatholizismus hin durchmacht.
Denn hier gilt zwar der Satz v. Campenhausens: „Die Apostel'
sind früher als die Kirche, nämlich früher als die Kirche im
Sinne einer soziologisch bestimmten Gemeinschaft", aber dem
ist an die Seite zu stellen: „Die zwölf Apostel sind später . . .
als die Kirche, nämlich ganz und gar ein Produkt kirchlicher
Reflexion", die sich durch Rückverweisung auf den historischen
Jesus zu legitimieren 6ucht. 3.) Die Untersuchung der Apostelgeschichte
, und zwar in ihrem uns vorliegenden Bestand, als
Quelle für die uns greifbare älteste Gestalt der Zwölfapostelidee
liefert einen aufschlußreichen Beitrag zur Erkenntnis der
theologischen Eigenart des lukanischen Doppelwerkes.

Um sich für seine in dem Gesagten bereits angedeuteten
Thesen eine möglichst tragfähige Grundlage zu verschaffen,
geht der Verfasser die ihm vor allem wichtig erscheinenden bisherigen
Lösungsversuche durch. Er unterscheidet dabei den von
ihm so genannten konservativen und den kritischen Konsensus.
Den ersteren findet er am geschlossensten bei K. H. Rengstorff.
Für den zweiten führt er A. Friedrichsen, I. Munck, H. Mosbech
und E. Lohse an, die die Auffassung A. v. Harnacks in neuer
Gestalt vertreten. Beide Versuche erscheinen dem Verf. als nicht
ausreichend. Kurz werden dann noch die als Neuansätze bezeichneten
Auffassungen von H. v. Campenhausen und W. Schmitthals
gestreift. Aber auch 6ie werden als nicht überzeugend beurteilt.

Der Verf. macht sich die Herausarbeitung seines Standpunktes
dabei keineswegs leicht. Natürlich wird die einschlägige
Forschung in ihren wichtigsten, auch ausländischen Vertretern
fortgesetzt befragt. Wichtiger ist, daß der Verfasser immer
wieder exegetisch vorgeht und den Leser an der Prüfung der
Argumente in ihrem Füt und Wider teilnehmen läßt. Diese
Arbeitsweise könnte da6 Buch zu einer sehr erwünschten Hilfe
für alle diejenigen unter unseren jüngeren Theologen machen,
die sich nur zu rasch auf eine ihnen eben einmal begegnete Ansicht
festlegen. Dies Verdienst des Buches bleibt bestehen,
wenn man 6ich gerade angesichts derartiger Ausbreitung der
verschiedenen Auffassungen je und dann anders entscheidet,
als es der Verfasser getan hat. An sehr wichtiger Stelle, nämlich
bei der Auslegung von Gal. 1, 15 halte ich da6 einfach für notwendig
. Aber trotz auftauchender Bedenken in Einzelfällen erscheint
es als wenig wahrscheinlich, daß die Grundthese der
Arbeit vom „Ursprung des Zwölferapostolats aU eines theologisch
relevanten Topos" im Doppelwerk des Lukas ins Unrecht
gesetzt werden könnte.

Denselben Eindruck hinterläßt der nächste Abschnitt, in
dem der Verf. die nachpaulinischen Aussagen über den Apostolat
, abgesehen vom lukanischen Doppelwerk, untersucht. Er
geht dabei chronologisch vor und kommt zu dem Ergebnis, daß
innerhalb dieser Literatur im 2. Petr. „zum ersten Mal ... die
Zwölfapostelidee den theologischen Entwurf normiert" und zugleich
„der Apostolat des Paulus . . . behutsam aber konsequent
abgebaut" wird.

Das nun folgende Kernstück der ganzen Untersuchung
weist nach, daß diese Konzeption der Theologie des Lukas entstammt
. Es werden die Darstellung der vorchristlichen Zeit de*
Paulus, die seiner „Bekehrung" und die seines Verhältnisses zur
Kirche eingehend und wieder stets exegetisch geprüft. Es ergibt
sich dabei durchaus einleuchtend, daß Lukas bestrebt ist, den
vorchristlichen Paulus zwar in seiner Verfolgertätigkeit herauszuheben
, ihn aber zugleich als einen nach jüdischen Maßstäben
durchschnittlichen Typ erscheinen zu lassen. Aufs Ganze gesehen
wird das aus den Paulusbriefen bekannte Bild des Paulus
anscheinend absichtlich herabgemindert. Ebenso bewußt läßt
Lukas das Amt des Paulus von seiner Bekehrung und Berufung
her, die der Verf. für Lukas als verschiedene Akte erweist, als
ein kirchlich vermitteltes erscheinen, was gerade auch die Unterschiede
der dreifachen Wiedergabe der Bekehrung6geschichte
deutlich machen. Um dieser Tendenz willen wird von Lukas
gleich zu Beginn Ananias als entscheidender Traditionsträger
eingeführt. Aber auch im weiteren Verlauf der lukanischen Darstellung
wird eine Subordination des Paulus „unter die ihm
jeweils übergeordneten missions- und kiTchenleitenden Instanzen
" erkennbar. So läßt der Cornelius-Abschnitt nicht Paulus,
sondern Petrus als ersten grundsätzlich die Heidenmi6sion vertreten
. Die Überordnung der Apostel über Paulus wird nicht
nur allein durch den Versuch des Paulus veranschaulicht, den
Anschluß an die Jerusalemer Autoritäten zu gewinnen, sondern
vor allem durch die Vermittlung, deren Paulus schon bei den
den Aposteln untergeordneten „Brüdern" durch Barnabas alt
den legitimierten Repräsentanten der Kirche bedarf, um zum
Ziel zu kommen. Es ergibt sidi auf diese Weise „die Vorstellung
einer apostolischen Sukzession, innerhalb derer Paulus
erst den dritten Platz nach den Aposteln einnimmt".

Freilich kennt Lukas auch eine Selbständigkeit des Paulus
und erweitert sie Schiritt für Schritt. Sie besteht abeT einzig und
allein auf dem ihm eigenen Missionsgebiet. Hier aber wird er
der entscheidende Traditionsträger für die Zukunft. Dazu wird
ihm Apg. 13 auf Weisung des Geistes unter Handauflegung die
Amtsgnade übertragen, wie der Verf. diese schwierige Stelle
richtig zu interpretieren scheint.

Nach diesen eingehenden Untersuchungen, in deren Verlauf
der Verf. noch eine ganze Reihe von uns nicht erwähnten
Fragen erörtert, kann er verhältnismäßig kurz das schon wiederholt
erwähnte Fazit seineT Arbeit herausstellen. Es bleibt nur
noch zu erklären, was Lukas veranlaßt haben könnte, auf der
einen Seite den Apostolat der Zwölf als ein Institut der Kirche,
das mit dem historischen Jesus lückenlos verbunden ist, herauszuarbeiten
und auf der anderen die Bedeutung des Paulus als
Apostel herabzumindern. Der VeTf. meint, daß der Grund für
dieses Vorgehen „nur in der objektiven Situation der Kirche