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Ausgabe:

1962 Nr. 12

Spalte:

925

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Huigens, Petrus

Titel/Untertitel:

Israel, Land der Bibel und der Zukunft 1962

Rezensent:

Schubert, Kurt

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925

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 12

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dafür. Mag es schon erstaunlich sein, daß ein Christ und nicht
ein Jude als erster das Lebenswerk der letzten überragenden
Rabbinergestalt Deutschlands wissenschaftlich untersucht, so
will es uns doch noch besonders bedeutsam erscheinen, weil M.
an keiner Stelle der Gefahr des Apologetischen erliegt, obwohl
Baeck selbst sehr stark Apologet war und die dankenswerterweise
herangezogene Literatur jüdischer und christlicher Autoren
zum Thema teilweise auch apologetisches Gepräge trägt.
Wichtig ist aus dieser Perspektive, wie Mayer die ablehnende
Haltung Baecks gegenüber dem deutschen Luthertum als Ort
eines aggressiven Anti-Judaismus und auf der anderen Seite
seine Hochschätzung des angelsächsischen Christentums, das
weithin vorurteilsfreie Männer wie T. Herford, G. F. Moore und
J. Parkes hervorbringen konnte, herausarbeitet. Die Problematik
der Baeckschen Evangelienkonstruktion in „Das Evangelium als
Urkunde der jüdischen Glaubensgeschichte" wird deutlich, was
aber keineswegs den Weg zur gerechten Feststellung versperrt,
daß Baecks Jesusbild „echter, wahrscheinlicher und lebendiger
wirkt als das mancher christlicher Forscher". Baecks Unterscheidung
von klassischer und romantischer Religion, wobei es zu
einer problematischen Gleichsetzung Christentum gleich romantischer
Religion kommt, wird sehr überzeugend auf Diltheys
Begriffsbildung zurückgeführt, der als Baecks Universitätslehrer
seinen Schüler nachhaltig beeinflußte. Dieser Exkurs hat große
literarkritischc Qualitäten. So geht es von Station zu Station,
überall ist die wissenschaftlich fundierte Kritik zu 6püren und
nie fehlt die freimütige Anerkennung für Baecks Schaffen und
Urteilen. Das Entscheidende aber will uns scheinen: hier wird
endlich einmal ganz deutlich, daß es möglich ist, dem Judentum
ohne Einbuße des christlichen Zeugnisses gerecht zu werden.
Die elementaren Spannungsverhältnisse zwischen Christentum
und Judentum wirken vielmehr wie ein Aufruf zur Bewährung
für beide Religionen, die in vielen Jahrhunderten sich mißverstanden
haben und wohl auch ihrem Sendungsauftrag nicht
immer recht nachgekommen sind. Das Buch von Mayer sollte
von jedem ernsthaft bemühten Theologen aufs gründlichste
studiert werden.

Düsseldorf R.R.Geis

Huigens, Petrus: Israel, Land der Bibel und der Zukunft. Gedanken
und Gespräche einer Reise, Prophetie und Wirklichkeit im
neuen Staat. Mit einem Vorwort v. Propst H. Grüber. 4. Aufl.
Kassel: Oncken [1961]. 200 S.. 1 Kte., Abb. a. Taf. 8°. Lw.
DM 10.80.

Das vorliegende Buch stellt einen Reise- und Erlebnisbericht
dar, wobei jeder einzelne Abschnitt eigentlich eine das
Verständnis fördernde kulturgeschichtliche Betrachtung ist. Der
Verf. wurde vom Lande Israel und seinen Menschen außerordentlich
beeindruckt. Auf jeder Seite spürt man die Liebe zu
Israel, die die Auswahl seines Stoffes und seine Darstellung
bestimmte. Das geht rein äußerlich schon daraus hervor, daß
das Buch mit der Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel
schließt. Der Bericht seines Besuches im „Ghetto" von Jerusalem
, Mea Schearim, (115—124), zeugt von so großem Verständnis
für die Problematik des modernen Israel, daß er zu den
besten Einführungen zählt. Wissenschaftlichen Anspruch erhebt
das Buch nicht. Es können somit kleinere Fehler und Unebenheiten
übersehen werden (z.B. S. 66: Mosche Scharet - früher
Schertok — war nicht Ministerpräsident, sondern Außenminister
des Staates Israel, so wie er sich auch vor der Staatsgründung im
Rahmen der Jewish Agency mit außenpolitischen Fragen beschäftigte
). So kann man das Buch guten Gewissens und vorbehaltlos
jenen zur Lektüre empfehlen, die sich auf eine ähnliche
Reise vorbereiten oder die nur durch ein Buch die Stimmung
jenes Landes kennen lernen wollen, „in dem die wenigsten
Bürger an Wunder glauben, aber alle mit einem WundeT
rechnen" (Ephraim Kischon).

Wien Kart Schubert

B KU tti- B': " -7^° * Gerusalemmc" dal II .ll'VIII Secolo.
MlUCa 43. 1962 S. 1—21.

^"-Chorin, Schalom: Jüdische Fragen um Jesus Christus.
L»ie Zeichen der Zeit 16, 1962 S. 207-213.

Koch, Jakob Ernst: Der Antisemitismus, ein christliches Gewächs
aus christlicher Wurzel?

Deutsches Pfarrerblatt 62, 1962 S. 313—316.
Kupisch, Karl: Judenfeindschaft im Zeitalter des Glaubens.

Die Zeichen der Zeit 16, 1962 S. 213—218.
Richter, Arthur: Die Juden und wir. Marburg/Lahn: Edel [1962].

22 S. 8° = ökumenische Texte und Studien, 20. DM 1.50.
Simpson, W. W.: The Jew on the Cross.

The Observer (London), 22. April 1962.

NEUES TESTAMENT

Schnacken bürg, Rudolf: Die Kirche im Neuen Testament. Ihre

Wirklichkeit und theologische Deutung, ihr Wesen und Geheimnis.
Freiburg Br.-Basel-Wien: Herder [1961]. 172 S. 8° = Quaestiones
Disputatae, hrsg. v. K. Rahner u. H.Schlier, 14. Kart. DM 10.80.

Dieses Buch des römisch-katholischen Neutestamentiers von
Würzburg ist ein sehr anregender, umfassender Überblick über
die neutestamentliche Sicht der Kirche und die damit verbundenen
Fragen. Sie ist für den protestantischen Leser auch deswegen
wertvoll, weil sie neueste Literatur protestantischer und
römisch-katholischer Herkunft reichlich zitiert. Doch ist die
Darstellung so gehalten, daß auch ein gebildeter Nichttheologe
sie ohne weiteres lesen kann.

Sch. beginnt mit der „Wirklichkeit der Kirche", d. h. mit
dem historischen Ablauf von Ostern bis in die Heidenmission
der Kirche hinein. Der zweite Teil beschreibt die theologische
Reflektion über die Kirche in der Urgemeinde, bei Lukas, Matthäus
, Paulus, im 1. Petrus- und Hebräerbrief, in den Pastoralbriefen
und bei Johannes. Betont dieser Abschnitt vor allem
die Verschiedenheiten der theologischen Sicht, so umfaßt das
dritte Kapitel die „Wesenszüge" der Kirche, die in den verschiedenen
theologischen Konzeptionen mehr oder weniger dieselben
bleiben. Endlich hält ein vierter Teil fest, daß die Kirche
immer Geheimnis bleibt.

Die Arbeit ist eine sehr schöne Gesamtschau, die im großen
und ganzen die neutestamentlichen Aussagen wiedergibt,
ohne die Besonderheiten allzu scharf hervorzuheben, so daß
man fa6t überall gerne mitgeht. Schwierige Fragen wie das Verhältnis
zwischen Paulus und der Urgemeinde oder die Echtheit
der Pastoralbriefe werden bewußt offen gelassen (S. 27, 86).
Einzig im Abschnitt I 4 über „Ordnung und Verfassung" unterstreicht
der Verf. die grundlegende Verschiedenheit zwischen
protestantischer und römisch-katholischer Sicht. So 6ieht er den
Charismatiker der Paulusbriefe als Ausnahmeerscheinung der
Erstzeit, obwohl er in II 4, III 2, IV 3 die wichtige Rolle des
Geistes betont.

Am meisten gelernt habe ich wohl aus dem Schlußteil, der
die „unfaßlichen Dimensionen" der Kirche und ihr Angelegtsein
auf das Reich Gottes hin beschreibt, z. B. auch aus der
wohlabgewogenen kurzen Darstellung des Verhältnisses zwischen
Kirche und Welt (S. 156 ff.). Dabei ist alle falsche theo-
logia gloriae, die die Kirche vorzeitig verherrlichte, deutlich
abgelehnt (S. 166 f.). Freilich erheben sich hier auch die wirklich
grundlegenden Fragen. Sch. sieht sehr schön,
daß räumliche (S. 129) und zeitliche (S. 131) Kategorien beide
unzulänglich sind (S. 133), und daß die mythologischen Aussagen
von der Herrschaft über die Dämonen nicht einfach übernommen
werden können (S. 159). Aber wie weit gilt dieser
Grundsatz? Wie weit kann man dann doch die naturhaften Kategorien
, die einem hellenistischen Weltbild entsprechen, als
solche nicht nur übernehmen (das wäre durchaus möglich, wenn
sie als Bilder verstanden bleiben), sondern als unaufgebbar betrachten
; wie weit muß man sie interpretieren? Wie weit kann
man also z. B. vom Leib des „individuellen" erhöhten Herrn
reden (S. 149), von der sakramentalen Einheit zwischen ihm und
der Kirche (S. 150), überhaupt von der (naturhaft) kosmischen
Bedeutung der Kirche (etwa S. 160—165, auch 168f.)? Vor allem:
wa6 meinen wir eigentlich damit, hier und dort?

Natürlich wären noch eine Reihe von Einzelfragen zu
stellen. Wie weit darf man z. B. die Sicht der Urgemeinde aus
Acta erheben (S. 14)? Wenn die paulinischen Gemeinden die
Autorität des Paulus anerkannten, haben sie sie als apostolisch-