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Ausgabe:

1962 Nr. 12

Spalte:

909-911

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Rahner, Karl

Titel/Untertitel:

Kleines theologisches Wörterbuch 1962

Rezensent:

Burgert, Helmuth

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909

Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 12

910

eigenes Tun in reinem Gehorsam, er fügt sich dem väterlichen
Willen in Gethsemane (Mt. 26, 39). Auch das vierte Evangelium
nennt das Tun des Willens Gottes seine Speise (Joh. 4, 34).
Man darf nicht übersehen, wie stark diese Einheit des Willens
in Joh. 5, 30; 6, 38 u. 40 betont wird. Das Tun Jesu ist der
Wille des Vaters. Dieser Wille wird auch im Leben des Apostels
Paulus sichtbar, ist er doch Apostel Jesu Christi durch den j
Willen Gottes (1. u. 2. Kor. 1, 1; Eph. 1,1; Kol. 1,1). Auch i
Gal. 1, l läßt die Überordnung des Gottes, der Jesus von den
Toten erweckt hat, durchaus erkennen, und in 1, 4 wird in einem
Finalsatz deutlich, daß Jesus uns dem Willen Gottes gemäß aus
diesem bösen Aion herausrettet. Auf Eph. 1,9 sei verwiesen.
Kol. 1,9—11 u. 4,12 sagen im Grunde, daß die Gläubigen
vollkommen und fest stehen möchten in jeglichem Willen Gottes
, wie es der Herr Christus auch getan hat. Hebr. 10, 7 u.
13, 20 f. lassen denselben Gedanken erkennen. Man kann das
Verhältnis von Gott und Christus, Theologie und Christologie
somit nicht bloß darstellen an Hand einer BegrifTsklimax, die
vom Propheten bis zu Gott aufsteigt, sondern durch das Grundverhältnis
: Gottes Wille und Jesu Wille. Daß Jesus den Willen
des Vaters absolut erfüllte, daß der Vater durch ihn das Heil
der Menschen wollte, ist theozentrisch gesehen Heilsgeschichte.
Jesu Selbstbewußtsein wurzelt ja nicht allein im Wissen um
seine Sendung, sondern im Gehorsam gegen den Willen Gottes.
Daß diese Einstimmung beider Willen durch den Geist Gottes
gewirkt wird, lassen Taufe und Versuchung erkennen, und es
dürfte kein Zufall sein, daß der Apostel Paulus in jener
Gedankcnlinie, die uns als Brüder des Erstgeborenen darstellt,
auf den Sohnschaftsgeist hinweist, der uns erlaubt uftßa TxavlQ
zu rufen (Rom. 8, 15 f.). Derselbe Geist, durch dessen Kraft der
tote Jesus erweckt wird (Rom. 8, 11), wird auch uns erwecken.
In dieser geschlossenen Gedankenkette bedarf es keiner Fülle
von Würdenamen.

Zum Schluß seines Buches hat Cullmann die Frage aufgeworfen
, ob denn diese Christologie dem modernen Menschen
verständlich sei, und gemeint, er stehe hier vor denselben
Schwierigkeiten wie der antike Mensch, welcher das Kreuz Christi
als Ärgernis oder Torheit empfand. Es ist sicher richtig, daß das
Geheimnis des leidenden Gottessohnes ein solches bleiben wird
durch alle Jahrhunderte der Geschichte. Wir sind aber insofern
von allen Gedanken an Offenbarung abgerückt, als die Christologie
für den modernen Menschen nicht im Zentrum stehen
kann (auch wenn sich christozentrische Betrachtung in der
gegenwärtigen protestantischen Theologie großer Beliebtheit erfreut
), weil ihm das Dasein Gottes schon zur Frage geworden
ist. Wird jemand, der nicht an Gott glaubt oder an
seinem Dasein zweifelt, durch eine „christologischc Erkenntnistheorie
" über den fleischgcwordenen Logos wieder zu Gott hingeführt
werden? Man hat den Eindruck, daß C. darin modernem
Denken entgegenkommt, daß er den Gedanken der Jungfrauengeburt
an den Rand der urchristlichen Theologie verweist. Er
möchte außerdem jede trübende Einmischung antiker Philosophie
und Gnosis fernhalten, ebenso ontologische Spekulationen,
um ganz bei der Nachzeichnung des Handelns Gottes zu verbleiben
. Diese Grundeinstellung ist sehr zu begrüßen. Was den
modernen Menschen angeht, muß man fragen: Kann er überhaupt
begreifen, was „spätjüdische Apokalyptik" ist, soll er die
verschlungenen oder verworrenen Gedankengänge der Gnosis
erfassen, wenn er schon für schlichte Himmelreichsgleichnisse
kein Organ mehr hat? Es wäre doch möglich, daß man an einer
ganz anderen Stelle den Glauben an Gott modernen Menschen
begreiflich machen könnte, die „Elektrizität, Radio und Atombombe
als Realitäten ihres Daseins empfinden", nämlich durch
jene neute6tamentlichen Stellen, in denen von Gottes Macht
und Kraft die Rede ist. Das soll nicht geschehen, um den technisierten
Menschen von heute etwa Gott als den größten Techniker
zu erweisen, der allen Respekt verdient, sondern um hinter
der wissenschaftlichen Erkenntnis von Weltentstehung und
Weltentwickung und über dem Menschen, der sich allmächtig
dünkt, jene Macht, Kraft und Stärke aufleuchten zu lassen, von
der jede menschliche Macht nur ein schwacher Widerhall ist.
Ein Verständnis dafür wird man m. E. nicht durch Begriffe und
Würdenamen wie Menschensohn oder Logos erwecken, sondern
durch den schlichten Hinweis, daß nicht nur durch Jesu Reden
und Taten, sondern auch durch seinen Gottvaterglauben mit
dem Gott und Vater Jesu Christi eine Macht in der Welt wirksam
geworden ist, die bis auf den heutigen Tag nicht erloschen
ist. Die Vollmacht Jesu soll ja in seinen Jüngern weiter wirken
; vgl. Luk. 9, 1 u. 10, 19 u. 24, 49 u. Apg. 1, 8; Rom. 1, 16;
1-Kor. 2, 4 f. u. 4,20; 2. Kor. 4, 7 u. 14. Das Evangelium ist
bvvafiit; Ueov ek aunrQiav. Diesen Gedanken sollte man
gegenüber einer Überbetonung des Kerygma wieder mehr in
den Vordergrund rücken. Der schon dem Täufer eigene Glaube,
daß Gott Macht habe und fähig sei, sich aus Steinen Kinder zu
erwecken, wird ja von Jesus geteilt (Mt. 19, 26; vgl. Mk. 12, 24
u- Mt. 22,29). Paulus drückt ihn in Rom. 4,21 und 11,23
ähnlich aus. In dieser Linie einer göttlichen Dynamis wird auch
das Kreuz Christi gesehen (1. Kor. 1,18 u. 24; 4,20). Die
Vielschichtigkeit urchristlicher Überlieferung tritt uns ferner in
Apg. 10, 37—43 entgegen, wo keines der in diesem Buche behandelten
Christusprädikate vorkommt und doch in Tätigkeitsworten
, die Gottes Handeln beschreiben, alles gesagt wird, was
Christus bedeutet (vgl. 10, 38 ixQioev, rjyeiQev . . . xal
twnxEv £/u(pavij yevr.oüai Vers 40, in der Passivform von
vers 42 steckt Gottes Handeln). Die Überzeugung der beiden
Emmausjünger (Luk. 24,19), das Bekenntnis des Petrus in seiner
Pfingstrede (Apg. 2, 22) weisen in die gleiche Richtung, und um
unsere Ausführungen nicht weiter unnötig auszudehnen, sei
verwiesen auf Röm. 1,20; 15, 13 u. 18; 2. Kor. 12,9-10.
Nicht zu verschweigen ist, daß diese Dynamis von Gott ausgeht
(Röm. 1, 17), aber ebenso von Christus (2. Kor. 12,9) und
dem Heiligen Geist (Röm. 15, 13). Ist Phil. 3,21 christozen-
trisch (vgl. Kol. 1,29), so Kol. 2, 12 wieder theozentrisch. Es
besteht die Möglichkeit, das Walten der Trinität aus dem zusammenfassenden
Gedanken der Dynamis zu begreifen und
doch hinter allem den #eoc dvvaroq zu sehen, an den Jesus
selbst geglaubt und uns zu glauben gelehrt hat. Sollte es nicht
möglich sein, daß wir damit hinter und über dem „Selbstbewußtsein
Jesu" auf eine letzte Gegebenheit stoßen, über
deren geschichtliche Echtheit keinerlei Diskussion nötig ist und
die uns aus den oft recht fruchtlosen Diskussionen gegenwärtiger
Schulmeinungen herausführt?

ALLGEMEINES EESTSCHHIFTEN fu"damentaltheologisch (apologetisch) gedacht. Die Verfasser

---'—-.---—-----'.— zeigen im großen ganzen eine irenische, nie aggressive Haltung.

Rahner. Karl. u. Herbert Vorgrimler: Klein« theologisches ^ Sätze der Grundsatzartikel sind fast allzu vollgepackt; die

Kaumenge mag es entschuldigen. Literaturangaben enthalt das
Lexikon nicht, dafür aber zahlreiche Hinweise auf Denzingers
Enchiridion.

Den evangelischen Theologen werden vorab die Artikel
„simul justus et peccator", „Imputationsgerechtigkeit", „Protestantismus
", „Entmythologisicrung", „sola fide", „sola gratia",
„sola scriptura", „Hermeneutik" fesseln; überraschend ist auch
die binnenkatholische Kritik, die hier in bewundernswertem
Freimut am „kirchlichen Totalitarismus", an der theologisch oft
unverantwortbaren Vulgärfrömmigkeit (etwa in der Heiligenverehrung
), an manchen robust reaktionären Bekämpfern des

Wörterbuch. Freiburg/Br.: Herder-Bücherei [1961]. 397 S. kl. 8°
= Herder-Bücherei, Bd. 108/109.

Dieses Taschenlexikon enthält über sechshundert Stichwörter
(theologische, dogmengeschichtliche, allgemein religiöse
und einige philosophische Begriffe); darunter sind sogenannte
Grundsatzartikel, etwa über Gott, Gottesbeweis (4 V* Seiten),
Religion (5 Seiten), Jesus Christus (5 Seiten), Kirche (5 Seiten),
lod (mehr als 4 Seiten - wohl weil Rahner eine „Theologie des
lodes geschrieben hat), Offenbarung (4 Seiten), Protestantismus
(4 A Seiten) usw. usw. Das Ganze will weder eine Bibel-
theologie bieten, noch ist es kontroverstheologisch oder gar