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1962 Nr. 11

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 1962 Nr. 11

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der Einleitung von 1929 S. 135 — 147 weggelassen, da man
offenbar deren Fragwürdigkeit eingesehen hat. Moniberg spricht
in seiner jetzigen Einleitung S. XXIV nur noch von „Bezeugungen
der Formeln" (237 von 543 nur in Gothicum usw.).
Die Fragwürdigkeit liegt weniger in dem Ausdruck „Quellen"
(s. meine Bemerkungen in Z. f. Schweiz. Kirchengesch. 48
(1954) 23 f.) als in der bekannten Unsicherheit der Zuschreibung
der Texte zu Gruppen. So ist es z. B. mehr als fragwürdig, die
Corpus Christi, Drummond und Rosslyn Missalia unter „Celtica"
aufzuführen, auf der gleichen Linie wie Stowe, die Bannister
Fragmente und das Book of Cerne.

Über die Einleitung von 1929 hinaus bietet P. Siffrin eine
Liste von „Referenzen von Chava6se in ihrer Beziehung zum
sog. Gelasianum". Wertvoll ist endlich das Verzeichnis „Biblischer
Anklänge" nach den Nr. der Handschrift (zusammengestellt
von Bannister) und geordnet nach Büchern der Hl. Schrift.

Zu meiner Besprechung von P. Siffrins Konkordanztabellen zum
sog. Gelasianum (hier 1961, Sp. 451) ist noch nachzutragen, daß dort
die Anzahl der Seiten irrtümlich mit 22 statt mit 222 angegeben
wurde.

Basel John H en n i g

M a I i n i e m i, Aarno: Zur Kenntnis des Breviarium Aboense.

Cod. Holm. A. 56. (hrsg.). Helsinki: Academia Scientiarum Fennica
1957. 184 S. gr. 8° = Documenta Historica IX. Fmk. 750.—.

Der inzwischen emeritierte Ordinarius für Kirchengeschichte
an der Universität Helsinki und besondere Kenner der mittelalterlichen
Liturgiegeschichte Finnlands hatte bereite 1925 eine
Abhandlung über den Heiligenkalender Finnlands geschrieben,
die als Ergänzung zu dem nun veröffentlichten Material heranzuziehen
ist (A. Malin, Der Heiligenkalender Finnlands. Seine
Zusammensetzung und Entwicklung. = Abhandlungen der
kirchengeschichtlichen Gesellschaft Finnlands, Bd. XX. Helsinki
1925). Er ediert in dem vorgelegten Buch die Brevieroffizien,
welche in der als Cod. Holm. A 56 signierten Handschrift aus
der königl. Bibliothek zu Stockholm enthalten sind.

Nach einem Vorwort (S. 7—8) behandelt M. in einer ebenfalls
in deutscher Sprache geschriebenen Einleitung (S. 11—38)
ausführlich die Herkunft und Bedeutung der folgenden Texte.
Es handelt sich dabei um Heiligenoffizien, die wenigstens den
Festgrad simplex oder duplex, bzw. totum duplex haben (die
Heiligentage mit den niederen Graden fehlen im Kodex). Die
in der Handschrift als zwei Jahresläufe aufgezeichneten Texte
hat M. in seiner Edition (S. 41—184) zu einer einzigen Reihe
zusammengestellt. (Es sind die Offizien für die Feste Kanuti
regis (7. Henrici (20. 1.), Ansgarii (4.2.), Dorotheae (6.2.),
Simeonis (9. 2.), Sigfridi (l 5. 2.), Gertrudis (17. 3.), Compassionis
Mariae (27.3.-9.5.), Erici (18.5.), Erasmi (3.6.), Eskilli
(12.6.), Translationis Henrici (18.6.), Patronorum regni Sve-
ciae (10. —16. 7.), Sunivae (8. 7.), Birgittae (23. 7.), Christofen
(25.7.), Helenae (31.7.), Barbarae (4.12) und Presentationis
Mariae (21. 11.).

Aufgrund der Feste und ihrer Texte kommt M. zu der
gewiß berechtigten Annahme, daß es sich bei dem Kodex um
„die finnische Ergänzung de6 Dominikanerbreviers" (besonders
nach der Nürnberger Ausgabe von 1485 — mit den erforderlichen
Auslassungen) handelt und daß die Hdschr. aus der Zeit
um 1500 stammt. Ihr Verfasser — Nicolaus Jacobi Byrkop —
hat sie vermutlich für seinen eigenen Gebrauch nach dem für
die Kathedrale Abo bestimmten Breviertext verfaßt.

Der durch M. nunmehr allgemein zugänglich gemachte
Breviertext hat für die Kenntnis der vorreformatorischen Liturgie
- und Heiligengeschichte, sowie für die Kunstgeschichte
Skandinaviens, besonders aber des südlichen Finnlands, eine
besondere Bedeutung.

Kiel Joadiim H e u b a c h

Mahrenholz, Christhard: 20 Jahre Lutherische Liturgische Konferenz
Deutschlands.

Lutherische Monatshefte 1, 1962 S. 154—162.
S t ä h 1 i n, Wilhelm: Das Gefüge des christlichen Gottesdienstes.
Lutherische Monatshefte 1, 1962 S. 210—217.

KATECHETIii UND RELIGIONSPÄDAGOGIK

Jentsch, Werner, Dr. theol.: Sachliche Vergebung. Zwei Vorträge
zum Schuldproblem in Seelsorge und Erziehung. Wuppertal: Aussaat-
Verlag [1958]. 64 S. 8°. Kart. DM 2.80.

Wenn Verf. der Vergebung das Prädikat sachlich beilegt,
obwohl sie einer solchen näheren Bestimmung gar nicht bedarf,
60 will er damit die Botschaft dem Menschen von heute, dem es
um Sachlichkeit geht, nahebringen. Sachliche Vergebung heißt,
daß sie Gottes Sache ist und die Sache des Menschen meint und
sie wandelt, ohne sie zu vergötzen. An zwei Einzelthemen aus
der Seelsorge und aus der Erziehung wird diese sachliche Vergebung
entfaltet:

1) Angst und Schuld — ein Kernproblem der Seelsorge.

Mit Philipp Lersch unterscheidet er zwischen Lebensangst,
Weltangst und Binnenangst, die im eigenen Personengefüge entsteht
(12). Es gibt eine Angst am Rande und eine in der Mitte,
die den Menschen bis in die Träume verfolgt. Nerv der Angst ist
die Gewissens- bzw. die Schuldangst. Auch in der Tiefenpsychologie
wird heute der Zusammenhang zwischen der Neurose und
dem Glaubensleben gesehen, z. B. Speer, Gebsattel,
Ernst Michael Schottlaender : „Neurose ist ihrem Wesen
nach Unglauben" (21).

Bei der Schuld geht es um die Überwindung ihrer „kleinbürgerlichen
" Beurteilung. Nur von der Dimension der Ewigkeit
her wird sie richtig gesehen, das heißt, die totale Hingabe Gottes
wird zum Anspruch auf die totale Hingabe des Menschen (24).
Die Schuld entsteht durch die Versuchung. Sie wird entdeckt
durch die Gnade und überwunden durch die Vergebung in der
Beichte. Im Althochdeutschen heißt beichten bejahen. Im Neuen
Testament steht dasselbe Wort für homologein: ja-sagen zu
Christus und ja-sagen zur Sünde (Matth. 3, 57). Bei der sachlichen
Vergebung kommt es allerdings wesentlich auch auf eine
sachliche Klärung des psychologischen Vorfeldes an. Niemals
bleibt Beichtehören dem Pfarrer allein vorbehalten. Verf. macht
Mut, ohne Zwang und Einzelvorschriften dieses Amt wieder zu
erneuern, das über alle psychotherapeutische Hilfe hinaus führt,
diese nicht ersetzt, aber auch von dieser nicht ersetzt werden
kann.

Wir vermissen allerdings, daß Verf. auch von der Verantwortung
spricht, die mit dem Beichtehören entstehen kann, unter
Umständen dafür leiden zu müssen, weil das Beichtgeheimnis
unbedingt gewahrt bleiben muß. Auch dies gehört zur Sachlichkeit
der Vergebung unabdingbar hinzu, durch die wir allein mit
der wirklichen Schuld fertigwerden können.

2) Schuld und Vergebung in theologischer und pädagogischer Sicht.

Die Schuld im theologischen Verständnis ist nicht an dem
normativen Schuldbegriff der Juristen orientiert und als eine
moralische Fehlleistung zu bestimmen. Sie ist theozentrisch zu
begreifen im Sachbezug zur Sünde. Schuld und Sünde stehen für
denselben Tatbestand. Sünde ist der objektive „Widerspruch"
zu Gottes Anspruch, Schuld das subjektive, verantwortliche
„Widersprechen" (Althaus). „Die Schuld der Sünde ist der Unglaube
" (45). Die sachliche Vergebung in Christo versetzt in
einen neuen Stand, der vom Indikativ der Vergebung her den
Imperativ zum Vergeben in sich schließt.

Wie kann in der Erziehung diese Vergebung verwirklicht
werden? Die Schuld des Schülers ist immer nur ein Ausschnitt aus
dem Schülerschicksal (51). Oft ist sie mitbedingt durch die Schuld
des Erziehers; nicht nur, wenn dieser sich schuldig macht, sondern
auch dann, wenn er sich unkollegial im Kollegium verhält-

Die Vergebung darf im pädagogischen Bereich nicht als ein
Erziehungsmittel mißbraucht werden. Sie ist auch nicht gleichzusetzen
mit der erzieherischen Selbsthilfe der Verzeihung. Verf-
wehrt 6ich mit Recht gegen eine Verchristlichung der Pädagogik
wie auch gegen eine Pädagogisierung des Christentums. Er fordert
vom Neuen Testament her ein kyriozentrisches Erziehungß'
denken. Christus macht Erzieher und Zöglinge neu. Er stellt sie
in eine Bruderschaft. Der Erzieher wird in seiner Selbstsicherheit
entthront und der Zögling in eine Kontaktmöglichkeit zu dem