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Ausgabe:

1962

Spalte:

860-862

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Das Sakramentar von Salzburg 1962

Rezensent:

Onasch, Konrad

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dies, vom „substantialiter" der Abendmahlsartikel in den
lutherischen Bekenntnisschriften ausgehend (S. 11, Anm. 1, S. 13.
24 u. durchgängig), an dem offenkundig hier besonders wichtigen
„Substanz"-Begriff.

In den beiden ersten Abschnitten spricht er zunächst „von den
neutestamentlichen Aussagen und gegenwärtigem Ringen um ihr rechtes
Verständnis" (S. 13—23) und dann „von gegenwärtigen Mißverständnissen
lutherischer Aussagen" (S. 24 — 27 ). Es folgt ein
Zwischenteil, in dem Sch. einerseits philosophiegeschichtlich dem
„Werden des .Substanz'-Begriffs im Altertum" nachgeht (S. 28—32)
und andererseits den „evangelischen Sinn" des Begriffs zu bestimmen
versucht (S. 33—36). Damit sind die wichtigsten Abschnitte vorbereitet
, die sowohl in lehrgeschichtlicher als auch in dogmatischer Hinsicht
„das Wort .Substanz' in den lutherischen Bekenntnissen" (S. 37—41),
„die Bedeutung der Aussage: ,in Brot und Wein gegenwärtig'" (S. 42

— 47) und „die Bedeutung des Glaubenssatzes von der Gegenwart des
Leibes und Blutes Christi" (S. 48—55) behandeln. Im Schlußteil erfolgt
eine Anwendung auf „restliche Einzclfragen", nämlich: „Das
Verhältnis von Wort, Taufe und Abendmahl" (S. 56 f.); „Die .leibliche
Nießung' und der Genuß durch Unwürdige" (S. 57 f.); „das .magische
' Mißverständnis" (S. 59—62); „Der seinshafte" = a) „der
.ekklesiologische'", b) „der ethische", c) „der eschatologische", d) ,, der
missionarische Bezug" (S. 62—68); und endlich „Zur Frage der Abendmahlsgemeinschaft
" (S. 68 f.).

Dabei verzichtet der Verf., obwohl die Arbeit aus einer
Diskussion über die Arnoldshainer Thesen entstanden ist (S. 11,
Anm. 1; vgl. S. 14), bewußt — von wenigen Ausnahmen (S. 45
u. 54, Anm. 14) abgesehen —, auf die Thesen oder auf Stellungnahmen
zu ihnen zurückzugreifen. Auch auf die exegetische
Situation selbst geht er (sogar in dem Abschnitt S. 13—23) nur
6ehr bedingt ein. Dies dürfte mit einem Grundverständnis des
Verhältnisses von Exegese und Dogmatik zusammenhängen
(S. 17, Anm. 15), da6 die hermeneutischen Fragen mehr präjudi-
ziert, als daß es sich ihnen nachhaltig stellte, während doch
gerade dies zweite dasjenige ist, worauf wir — im Sinne der
„G r u n d s a t z f r a g e n" (S. 14, Anm. 9) — durch den Gang
des Abendmahlsgesprächs der EKD neu verwiesen sind.

Trotzdem verdient die Arbeit zweifellos, im gegenwärtigen
Lehrgespräch der Kirche über das Abendmahl beachtet zu werden
. Sie weist philosophiegeschichtlich nach, daß die Begriffe
„materia" und „substantia" zu unterscheiden sind (S. 28 ff.),
und lehnt sowohl konfessionsgeschichtlich als auch dogmatisch
die „materia coelestis"-Vorstellung ab (S. 46 f. u. 48, Anm. 2)

— was besonders für die Debatte über die Arnoldshainer
These 5 c wichtig ist. Sie untersucht den „Substanz"-Begriff
der Bekenntnisschriften auch im Zusammenhang der Erbsündenlehre
und der Christologie (S. 37 ff.) und gewinnt in diesem
Zusammenhang als Gegenbegriff den der „accidentia" (S. 37,
Anm. 1; 38, Anm. 5), womit sie zur Korrektur einer falschen
Alternativstellung von „dynamisch-funktionalem" und „statischem
, materiellen Verständnis" der Realpräsenz beiträgt (S. 15;
vgl. u.a. 45). Und sie mündet, trotz aller oft (z.B. S. 52) anstößigen
Polemik, in eine Bejahung der Abendmahlsgemeinschaft
auch ohne ein „völliges .Richtig-Sein' in der Lehre"
(S. 68), die dem Engagement für das Bekenntnis wahrhaftig
keinen Abbruch tut.

Freilich: für die Schriftgemäßheit des Bekenntnisses ist nach
Sch. theologisch der „Substanz"-Begriff ein unaufgebbarer Hinweis
. Hier aber melden sich noch einmal kritische Fragen an
wie z.B. die: Ist der Begriff trotz des Bedeutungswandels,
den er durchgemacht hat (S. 54, Anm. 14), noch heute verwendbar
? Wie verhalten sich bei Sch. die eigene dogmatische
Deutung („.Substanz' einer Sache" = „Entsprechung
und Beziehung zu einem sinnsetzenden
Willensakt des allmächtigen Gottes",
S. 33; „.leibliche Nießung'" = „Herstellung eines Kontaktes
nicht nur ,im Geist', sondern ,substanzhaft'- kontaktmäßig über
Essen und Trinken", S. 57 f.) und die traditionsgeschichtliche
Befunderhebung („Substanz" und
„Akzidens" a. a. O.)? Wie ist es theologiegeschichtlich zu dem
Bedeutungs w a n d e 1 gekommen (Bekenntnisschriften — altprotestantische
Orthodoxie — Neuluthertum) und welche Begriffs-
korrelate müßten hier noch in die Untersuchung einbezogen
werden (Ansatz dazu betr. „Natur" und „Substanz" auf
S. 42 f., Anm. l)? Zur Klärung dieser Fragen empfiehlt sich ein

Vergleich mit H. Benckerts Schrift „Die Stofflichkeit der Abcnd-
mahlsgabe"'' und mit der dort angegebenen weiteren Literatur
zum „Substanz"-Begriff in der gegenwärtigen Erörterung der
Abendmahlslehre.

Naumburg/Saale Horst Lahr

2) Zum Gespräch über die Arnoldshainer Abendmahlsthcsen,
Witten, 1961 = Unio und Confessio, Nr. 2.

LITURGIEWISSENSCHAFT

D o 1 d, Alban, P. D. Dr., u. Klaus G a m b e r : Das Sakramentar von
Salzburg seinem Typus nach auf Grund der erhaltenen Fragmente
rekonstruiert in seinem Verhältnis zum Paduanum untersucht u.
neu hrsg. Beuron: Beuroner Kunstverlag 1960. XVI, 56,94" S. m.
3 Abb. auf 2 Taf., 1 Kte. 4° = Texte und Arbeiten, hrsg. durch die
Erzabtei Beuron. I. Abt.: Beiträge z. Ergründung d. ält. latein.
christl. Schrifttums u. Gottesdienstes, 4. Beiheft.

Zum Namen Alban Dolds braucht auch in dieser Zeitschrift
nichts mehr gesagt zu werden. Der Palimpsest- und Liturgieforscher
von internationalem Rang verstarb am 27. IX. 1960.
Bernhard Bischof, eine ebenfalls international anerkannte Autorität
auf dem Gebiet der frühmittelalterlichen Handschriften,
schrieb für diese Untersuchung eine schlichte, aber deshalb
eindrucksvolle Memoria (S. V—VI). Innerhalb der protestantischen
Forschung hat u. a. Gerhard Kunze Alban Dold, seine
Persönlichkeit und seine wissenschaftliche Leistung hoch geschätzt
und gewürdigt. Klaus Gamber ist erst in jüngster Zeit
durch 6eine Veröffentlichungen hervorgetreten, die sowohl im
Archiv für Liturgiewissenschaft wie im Jahrbuch für Liturgik
und Hymnologie regelmäßig kritisch gewürdigt werden. Genauer
gesagt: Seine Arbeiten machen den Liturgiewissenschaftlern
einigermaßen zu schaffen, da sie z. T. neue Perspektiven eröffnen
, die sich nicht immer in die bisherigen Fakten und
Hypothesen einfügen. Wie es scheint, werden die Arbeiten von
Dold und Gamber den ganzen Komplex der „Gregoriana" und
„Gelasiana" von neuem zur Diskussion stellen, nachdem man
sich kaum von den Untersuchungen A. Chavasse' recht „erholt"
hatte. Der Leser der vorliegenden Arbeit tut gut, zunächst die
ebenfalls in den TuA der Erzabtei Beuron in beratender Verbindung
mit A. Dold erschienene Untersuchung Gambens „Wege
zum Urgregorianum" zu studieren (Beuron 1956). Die Rezensionen
hierzu findet man im ,,Recensiones"-Teil der von W-
Schneemelcher hrsg. Bibliographica Patristica I, 1959, Nr. 24;
II, 1959, Nr. 47 und III, 1960, Nr. 76 registriert (s. a. S. XIII.
Anm. l).

Die vorliegende Untersuchung zerfällt in zwei Großabschnittc:
[A.] Prolegomena und |B.] Texte. A I beschreibt die einzelnen Fragmente
des Salzburger (= Sal) Typus sowohl hinsichtlich ihrer Paläo-
graphie, wie ihrer wahrscheinlichen Scriptoria (eine immer wieder auch
kulturgeschichtlich sehr wichtige und interessante Arbeit) und ihres
Inhalte«: Die Sal-Fragmente, das Fragmentum Augiense 23, das Fragment
von Zurzach, ein rätisches Fragmcntblatt, die Kiewer Fragmente
( = Kiew), das Fragmcntblatt aus dem Arbeo-Missale und den Canon-
Libellus im Cod. Sangallcnsis (S. 1 —10). II erörtert die Sakramentare
aus dem Patriarchat Aquileja, dessen wechselvollc und kirchengeschichtlich
bedeutsame Geschichte auch die Liturgien seines Gebietes nachhaltig
beeinflußt hat. Bereits Hcrgenröther hat in seiner großen Pho-
tios-Biographie auf die Bedeutung Aquilejas auch für da6 slavische
Hinterland hingewiesen. Während sich im Patriarchat selbst, im ..schismatischen
Teil Venetiens", ältere Liturgien erhalten haben, fand in
Grado und Insel-Venctien, die sich mit Rom unierten, eine Redaktion
statt, die bei Sal auf eine Übernahme weiterer Formeln aus dem
Gregorianum, und bei Padua (= P) auf eine 2. Gregorianisicrung
(Angleichung an das Gregorianum) hinauslief, was aber hinsichtlich >
nicht bedeutete, daß dieses Sakramentar direkt ein Gregorianum darstellte
(S. 10—17, und S. 86*—87*). Dieses ist der entscheidende Angel'
punkt, um den sich alle weiteren Ausführungen und Analysen der
ganzen Arbeit drehen f Der III. Abschnitt „Die Salzburger Fragmente
als Junggelasianum" (S. 17—30) bietet hierfür die erste Stufe. Da der
dem Sakramentar vom Monza (= M) zu Grunde liegende Sakramentar'
typus mit Ravenna als Heimat auch der Stammtypus von Sal und '
ist, werden zunächst die Übereinstimmungen von M und
Sal in der Formularfolge, sodann die Differenzen im Formularbestand
geprüft und herausgestellt, worauf schließlich die P'0'
bleme der 1. und 2. Gregorianisierung behandelt werden. Die letztere